Kapitel 37

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Weit unter der Erde, in der tiefsten, dunkelsten Kammern der Festung hallten entsetzte Schreie von den dicken, steinernen Wänden wieder.

Es war blankes Entsetzen, entsetzlicher Schmerz und pure Verzweiflung, die darin mitschwangen. Die ganze Dienerschaft der Festung war auf der Hut. Unbändiger Zorn ward im Herrscher geweckt und seit Tagen konnte keine Folter die er an den Schuldigen vornahm, kein Schmerz den er ihnen zufügte, diesen Zorn lindern. Vor drei Tagen waren die beiden ausgesandten Priester mit leeren Händen zurückgekehrt. In ihrer Aufgabe das heilige Buch zurück zu bringen und das Mädchen zu töten, waren sie kläglich gescheitert. Seit ihrer Ankunft hatte man sie nicht mehr gesehen, nur noch ihre Schreie aus der Tiefe vernommen. Einige sagten sie hätten besser daran getan zu fliehen, doch im Grunde kannten sie alle die Wahrheit. Der Dunkle Herrscher würde jeden finden. Wer vor ihm floh wurde gejagt. Durch alle Welten hindurch, bis ans Ende seines Lebens. Er kannte keine Vergebung und er kannte kein Vergessen. Vor Allem aber, kannte er keine Gnade.

Jeder in der Festung wusste was mit den beiden Priestern geschehen würde. Es war eine Warnung an sie alle, ihren Herrscher nicht zu enttäuschen.

Für die beiden würde es keinen schnellen, gnadenvollen Tod geben, der sie von ihren Qualen erlöste. Der Herrscher würde ihnen eine Flucht in den Tod nicht gewähren. Einige sagten er habe Mittel und Wege, unvorstellbare und fürchterliche, mit denen er jemanden am Leben erhalten konnte, der schon lange dem Tode geweiht war. Seine dunkle Magie machte ihn mächtig, jedoch auf die schrecklichste nur vorstellbare Weise.

Er würde seine Kräfte nutzen und die Beiden foltern über die Grenzen des Todes hinaus, so lange bis ihm die Freude daran verging. Und im ganzen Königreich gab es nicht eine Seele, die nicht von des Dunklen Herrschers Freude an der Folter wusste.

Ein weiterer Tag und eine weitere Nacht vergingen und die Schreie ebbten nicht ab. Hinter vorgehaltener Hand begannen die Bediensteten bereits zu munkeln, welchen Schritt der Herrscher als nächstes tun würde. Man fragte sich nach seinen Plänen das Buch zurück zu bringen und die wildesten Spekulationen wurden aufgestellt. Doch niemand hätte mit den darauf folgenden Geschehnissen gerechnet.

Im Morgengrauen, als eine blutrote Sonne sich langsam über den Hügeln des Landes erstreckte, Hallte ein Klopfen von den Wänden der Festung wieder, so laut dass man es bis in die letzten Winkel hören konnte. Ein Diener eilte eskortiert von einem Dutzend Soldaten zu den Eingangstoren, als erneut jemand so fest gegen die Tore donnerte, dass sich erste Holzsplitter aus der Tür lösten. Nervös blickte sich der Diener um zu den Soldaten, die ihn begleiteten, um seine Furcht zu beruhigen. Sie alle waren bis an die Zähne bewaffnet.

Fahrig wischte er sich die schweißnassen Hände an seiner Uniform ab und legte einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck auf. Dann öffnete er langsam die Tore der Festung und gewährte dem Besucher Einlass.

Ein eisiger Windstoß blies durch sie hindurch und ließ die Soldaten in ihren stählernen Rüstungen erzittern.

Ihnen gegenüber stand Lazar der Gnadenlose, der grausamste und gefürchtetste aller schwarzen Priester.

Wie ein flüssiger Schatten lag der schwarze Umhang auf seinem Körper und ließ die starken Muskeln darunter erahnen. Der Stoff schmiegte sich weich auf seine kalte Haut und verbarg die darunter versteckten Narben, die jeden Zentimeter zierten. Jeder im Land wusste von den Kämpfen die er im Namen des Dunklen Herrschers gefochten hatte, von den Menschen die er getötet hatte. Von seiner Frau und seinem neugeborenen Kind, die er für seinen Herrscher verraten hatte. Er war ein grausamer Mann. Selbst seine markanten, jedoch eleganten und attraktiven Gesichtszüge konnten dies nicht verbergen.

Die Grausamkeit stand in seinen schwarzen Augen. Die tiefe Narbe, die quer über seine linke Gesichtshälfte verlief, bestätigte diesen Eindruck. Der pechschwarze Umhang wurde im Inneren von einem blutroten Stoff geziert, wodurch die Kapuze einen roten Schimmer in seinem Gesicht hinterließ.

Die Farbe stand für seine Stellung als Ranghöchster unter den schwarzen Priestern.

Trotz ihrer bereits beachtlichen Größe mussten die Soldaten die Köpfe in den Nacken legen um zu ihm empor blicken zu können.

Unwillkürlich stellte sich der Diener auf seine Fußspitzen um seine kurze Gestalt auszugleichen und räusperte sich laut.

„Im Namen des Dunklen Herrschers heiße ich sie herzlichst...", setzte er an zu sagen, doch Lazar der Gnadenlose stieß ihn mit einem Arm beiseite und schritt unbeeindruckt an den protestierenden Soldaten vorbei, die nun versuchten mit ihm Schritt zu halten.

„Der Dunkle Herrscher erwartet sie bereits, sobald er sie empfangen kann wird er nach ihnen rufen lassen" setzte der Diener hitzig seine Rede fort und stolperte dabei mehrfach über seine eigenen Füße. Doch Lazar schien ihn nicht zu hören. Er schien keinen der Anwesenden seiner Beachtung für würdig zu halten und ignorierte sie vollends.

Seine Schritte hallten von den Mauern wieder und ließen den Boden auf dem er ging erbeben.

Unbeirrt setzte er seinen Weg fort und steuerte zielstrebig die Kerker der Festung an.

Den schwarzen Priester band eine stärkere Verbindung zu seinem Herrscher als irgendein Außenstehender verstehen oder gar erahnen konnte, so wusste er immer wo sein Herrscher war. Er konnte seine Anwesenheit spüren. Umso näher er ihm kam, umso stärker war dieses Empfinden. Er wurde von seinem Herrscher angezogen wie von einem Magneten.

Schon von weitem hörte er die Schreie und das Stöhnen. Freudiges Kribbeln durchfuhr ihn bei dem Klang und die Haare in seinem Nacken stellten sich auf. Er verehrte die Taten seines Herrschers.

Vor der Tür des Kerkers angekommen blieb er stehen und Atmete den berauschenden Duft von verwesendem Fleisch und fauligen Wunden ein. Der Diener versuchte mit einem letzten lästigen Versuch ihn am Eintreten zu hindern. Dieses Mal ging Lazar die Geduld aus und er packte ihn am Kragen, hob ihn hoch und schleuderte ihn in die Ecke des Gangs. Einige der Soldaten zogen ihre Waffen, doch ein tiefes Knurren aus seiner Kehle ließ sie innehalten.

Mit seiner Faust schlug er drei Mal an die Tür des Kerkers. Jäh erstarben die Schreie im Inneren zu einem leisen Wimmern. Knarrend öffnete sich die Tür wie von allein. Sofort ging Lazar in die Knie und senkte seine Stirn in einer ergebenen Pose dem kalten Steinboden entgegen.

„Mein Herrscher, ich bin eurem Ruf gefolgt und stehe euch mit meinem Leben zu Diensten" sprach er mit fester Stimme und wartete geduldig auf seine Antwort. Zwar konnte er seinen Herrscher nicht sehen, doch er spürte dessen Blicke auf sich Ruhen. Unbeirrt wartet er in dieser Position und auch die Soldaten wagten es nicht sich zu rühren.

Nach langen Momenten der Stille, nur gestört vom verzweifelten Wimmern der Gefolterten, sprach der Dunkle Herrscher und seine fordernde Stimme erfüllte den Raum.

„Mein Sohn, ich sehe du bist noch immer mein treuster Anhänger. Das erfüllt mich mit Stolz. Tritt ein. Es gibt viel zu bereden. Vor uns liegt viel Arbeit."

Und so trat Lazar ein und die Tür verschloss sich hinter ihm. Und dort, im Kerker der Festung, eingehüllt in den Geruch der Folter und die Geräusche des Schmerzes und des Leidens, wurde ein Plan geschmiedet, der das Schicksal aller verändern würde.

Ein Plan der die Geschichte aller neu schreibt.

Daughter of Ash and Flames Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt