Kapitel 14

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Camilla saß lautlos und zusammengekauert im Hauseingang. Wie lange wartete sie jetzt schon hier? Drei Minuten? Fünf Minuten? Sie war sich sicher ihren Verfolger abgehängt zu haben, beschloss jedoch weitere fünf Minuten zu warten. Die Zeit in ihrem Versteck verging beinahe schmerzhaft langsam. Als sie im Dunkeln versuchte die Uhrzeit an ihrer Armbanduhr abzulesen, entdeckte sie, dass diese sich merkwürdigerweise rasend schnell entgegen des Uhrzeigersinns über das Ziffernblatt drehten. Erstaunt schüttelte sie ihr Handgelenk. Sie hätte schwören können, dass die Uhr vor wenigen Minuten noch funktioniert hatte. Trotz fehlender Uhrzeit beschloss Camilla jedoch das die Zeit reif war ihr Versteck zu verlassen und sich auf den Heimweg zu begeben.

Und dann hörte sie es. Das scharrende Geräusch von schweren Füßen, die über den Asphalt gezogen wurden. Begleitet wurde es von einem tiefen, rasselnden Atmen und plötzlich war Camilla sicher einen verwesenden Geruch in der Luft wahrzunehmen.

Den Atem anhaltend, um auch nicht das minimalste Geräusch von sich zu geben, lugte sie aus dem Versteck auf die Straße.

Dann sah sie ihn. Eine hochgewachsene Gestalt in schwarz. Ein Schatten noch dunkler, als die Nacht die ihn umgab. Reglos stand er da, bis Camilla das schnüffelnde Geräusch hörte. Es konnte sie riechen! Denn was auch immer ihr in diese Gasse gefolgt sein mochte, es war kein Mensch. Auch nicht wenn es die Verkleidung eines Menschen trug.

Die Gestalt zog ihren Hut tiefer ins Gesicht und schritt los, einen Hauseingang nach dem anderen absuchend, ihre Spuren mit seiner Nase suchend. Dabei entblößte es seine klauenartigen Hände und Camilla wünschte sich sehnlichst sie wäre davon gerannt so schnell sie ihre Beine tragen konnten, als sie noch die Möglichkeit dazu gehabt hatte.

Langsam Schritt für Schritt durchquerte es die Gasse. Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie genau, dass seine Augen jeden noch so kleinen Winkel in der Dunkelheit absuchten.

Voller Panik drückte sie sich noch näher an die Hauswand. Die Gestalt war nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Langsam musste sie sich etwas einfallen lassen, wenn sie nicht in dieser einsamen Gasse von einer unbekannten Spezies, die es auf sie abgesehen zu haben schien, abgemurkst werden wollte. Gerade als sie begann sich zu fragen weshalb sie sich der Gefahr die von dem Wesen ausging so sicher war, stieg ihr erneut der Geruch von Tod und Verwesung in die Nase und beantwortete ihre Frage.

Es war unmöglich, dass dieser Geruch von dem Fremden ausging. Trotzdem zweifelte sie nicht eine Sekunde daran.

Als die Gestalt einen der anderen Hauseingänge betrat um dort nach ihr zu suchen, schlich sie auf die gegenüberliegende Seite der Tür, wo sie in der Dunkelheit die Umrisse einer Treppe ausmachen konnte. Stufe um Stufe stieg sie immer höher, darauf bedacht kein Geräusch zu machen. Die Dächer Sevillas waren ihre einzige Möglichkeit aus dieser Sackgasse zu entkommen. Als sie im fünften und letzten Stock angekommen war, erreichte sie die Tür, die zu den Dächern führte. Nahezu jedes Haus besaß eine solche. Unten im Hauseingang hörte sie Schritte. Wenn er sie wirklich riechen konnte, hatte er sie jetzt gefunden. Sie musste sich beeilen. Vorsichtig drückte sie die Türklinke herunter und versuchte die Tür sachte aufzuschieben. Doch die Tür war alt, das Material gerostet und lange nicht mehr genutzt. Das Knarren und Quietschen wurde von den kahlen Wänden verstärkt und wie ein Echo durch das ganze Haus geworfen. Ihr Herz setzte einige Schläge aus. Und so dumm es auch war, klammerte sie sich doch an die Hoffnung, dass das Wesen das Geräusch möglicherweise nicht gehört hatte.

Einige Sekunden war es still. Dann zerriss ein Knurren wie von einem wilden Tier die Stille, welches ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die Schritte tief unter ihr setzten sich in Bewegung und hasteten die Treppe hinauf.

Verdammter Mist. Mit einem letzten festen Ruck stieß Camilla die Tür weit auf.

Sie rannte über das Dach und sprang ohne darüber nachzudenken vom Vorsprung auf das nächste Gebäude. Sie rannte und sprang so lange ohne sich umzudrehen, bis ihre Lunge wie Feuer brannte. Ihr Herz schlug so furchtbar schnell dass die dachte es würde ihr jede Sekunde in der Brust zerspringen. Ihre Beine wurden schwer wie Blei. In diesem Moment hätte sie alles für eine Pause gegeben doch ein Blick zurück zeigte ihr, dass ihr Verfolger ebenfalls die Dächer der Stadt erreicht hatte und die Distanz zwischen ihnen verringerte sich rasend schnell.

Daughter of Ash and Flames Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt