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Die restliche Zeit des Tages verbrachte Camilla damit durch das Anwesen zu schlendern, die versteckten Korridore zu erkunden und ihren Gedanken nachzuhängen. Sie würde ihren Vater heute wiedersehen. Endlich. Sie fühlte sich, als könne sie endlich dem tobenden Seesturm entfliehen, in den sie so plötzlich hineingeraten war, und endlich Zuflucht und Schutz auf ihrer sicheren Insel suchen.

Bevor sie sich dann auf in den Kampf machte.

Wieder und wieder ließ sie all die Informationen durch ihren Kopf fließen, die sie bisher hatte sammeln können. Sie war eine der Auserwählten. Ihr Element war jedoch noch unbekannt, doch früher oder später würden ihre Fähigkeiten ausbrechen. Laut einer Prophezeiung würde sie gemeinsam mit drei anderen Auserwählten eines Tages den dunklen Herrscher stürzen. Vielleicht. Und aus diesem Grund waren die schwarzen Priester hinter ihr her. Sie war eine Bedrohung. Eine die sich noch nicht verteidigen konnte, aber eine Bedrohung.

Señor Rosenthal wusste von alle dem und hatte all die Jahre über sie gewacht. Seit ihrem Geburtstag war ein Schutzmantel von ihr abgefallen und erlaubte es den schwarzen Priestern und jedem anderen so, sie aufzuspüren. Mehr Informationen hatte sie nicht. Hingegen schossen ihr zeitgleich tausende Fragen durch den Kopf.

Zuallererst, was hatte es mit dem Buch auf sich? Welche Informationen enthielt es? Und weshalb war das so wichtig für Mirel? Wie sollte sie an das Buch herankommen? Was würde sie tun, wenn sie es hatte?

In diesem Moment wünschte sich Camilla sehnlichst jemanden, der ihr sagte, wie es weiter ging. Der ihr den Weg vorgab. Doch sie wusste, dass dies nicht geschehen würde.

Sie musste selber einen Weg finden. Sie allein.

Doch vielleicht konnte ihr Vater ihr helfen und auf diese Hoffnung stützte sie sich.

Es musste einfach klappen.

Sie ging durch einen der langen Flure. Endlos viele Spiegel schmückten die Wände neben ihr. Von überall schaute ihr ihr eigenes Gesicht entgegen. Überall standen große Topfpflanzen. Manchmal hingen sie sogar von der Decke. Mit tausend kleinen Armen schienen sie nach Camilla zu greifen, sich ihr entgegenzustrecken, ihren Namen zu flüstern.

Ihre Berührungen brannten plötzlich auf der Haut. Sie konnte rote Male darauf entdecken, an den Stellen, an denen die Pflanzen sie berührt hatten. Eine plötzliche Hitzewelle ergriff sie und Schweiß trat ihr ins Gesicht.

Die Luft um sie herum wurde zu heiß, um zu atmen. Was geschah hier?

Verzweifelt versuchte Camilla, Luft in ihre Lungen zu pumpen.

Alles um sie herum drehte sich und sie fiel auf ihre Knie.

Doch der Raum um sie herum drehte sich nur noch schneller. Die Arme der Pflanzen wurden länger und länger und alles um sie herum drehte sich schneller und schneller.

Während Camilla nicht mehr wusste, in welche Richtung sie kroch, legten sich die Pflanzen um ihre Arme und Beine und zogen sie, zerrten an ihr oder schubsten sie von sich.

Sie schrie laut auf, doch es klang unnatürlich. Nicht nach ihr.

Irgendwann brach der Widerstand in ihrem Körper. Geschlagen gab sie nach und blieb auf dem brennenden Boden liegen, während die Pflanzen mit ihren Ranken weiter ihren Körper bedeckten und sie unter sich begruben. Bis nichts mehr von ihr übrig bleiben würde.

Was war das für ein Haus, in das sie da geraten war? Würde Mirel sie rechtzeitig finden?

Oder würde sie hier sterben?

Daughter of Ash and Flames Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt