23. Kapitel

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Lächelnd vertiefte Angie den intensiven Kuss noch etwas mehr und rieb sich leicht an seinem Schoß. Jeremías stöhnte verlangend auf und presste Angie noch näher, falls das überhaupt möglich war, an seine starke Brust.

Die junge Frau hätte in diesem Moment glücklicher nicht sein können. Jeremías hatte es tatsächlich geschafft, diesem schrecklichen Tag ein wunderschönes Ende zu verleihen. Er war extra für sie mitten in der Nacht zu ihr gekommen, hatte ihr zugehört und sie einfach in den Arm genommen. Er war für sie dagewesen und hatte ihr Trost sowie Kraft gespendet. Angie war einmal mehr klar geworden, wie sehr sie den Pianisten brauchte und dass er der einzige war, den sie in ihrer Nähe haben wollte.

Daher hatte sich die blonde Frau auch nicht zurückhalten können, ihn zu küssen. Jeremías jedoch hatte ihn wieder einmal unterbrochen, was Angie in ihrer derzeitigen Verfassung allerdings nicht einfach hatte hinnehmen können. Sie brauchte ihn, sie wollte ihn, sie liebte ihn! Angie hatte ihm genau das gestanden und ihm somit verdeutlicht, wie ernst ihr das alles war. Sie hatte in diesem Moment auch verstanden, warum Jeremías sie immer gebremst hatte: Er wollte sich ihrer Beziehung erst sicher sein, wollte wissen, was es für Angie bedeutete.

Da dies nun der Fall war, schien auch er für den nächsten Schritt bereit zu sein...

Jeremías sanfte Berührungen holten die junge Frau in die Gegenwart zurück und haltsuchend griff Angie in seine dichten Haare, die sie vor wenigen Minuten von der Wollmütze befreit hatte. Als ihre Hände ihr Ziel allerdings erreicht hatten, hielt Angie inne. Etwas stimmte hier nicht! Seine Haare waren plötzlich um einiges kürzer und fühlten sich komplett anders an!

Jeremías schien es ebenfalls bemerkt zu haben und löste sich hastig aus dem Kuss, sodass sich Angie etwas nach hinten lehnen konnte, um ihn genauer zu betrachten. Der Ursache auf den Grund zu gehen...

Angie bekam große Augen. Seine Haare waren weg! Naja, nicht wirklich weg, aber Jeremías hatte auf einmal einen völlig anderen Haarschnitt, ganz kurze, schwarze Haare. Er sah vielmehr aus wie... Nein! Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Es war... Mit zittrigen Fingern zog sie ihm die Brille von der Nase und erstarrte daraufhin am ganzen Körper. Es war wirklich... Bei ihrem Gegenüber handelte es sich gar nicht um Jeremías. Die blonde Frau fühlte sich, als hätte man ihr mitten ins Gesicht geschlagen. Es gab nie einen Jeremías! Es hatte sich die ganze Zeit um jemand anderen gehandelt, um "Germán?!"

Dieser sah ebenfalls mit großen Augen zu ihr, Angst und Panik lagen in seinem Blick. "Angie. Ich... ich." Sie saß da wie gelähmt und starrte ihm ungläubig in die braunen Augen. Natürlich war er es. Angie saß gerade auf dem Schoß ihres Schwagers. Sie hatte gerade mit Germán...

Urplötzlich kam wieder Leben in die blonde Frau und sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Machte mehrere Schritte nach hinten, um etwas Abstand zu gewinnen und blickte den Mann auf ihrem Sofa fassungslos an, während sie am ganzen Körper zitterte. "Germán?" Dieser schien im Gegensatz zu ihr den ersten Schock einigermaßen überwunden zu haben und erhob sich langsam. "Angie, lass es mich erklären.", flehte er. Die Verzweiflung und Ratlosigkeit waren nicht zu überhören.

Die Information, dass es tatsächlich Germán war, der vor ihr stand, gelangte allmählich in ihren Kopf. Angie fühlte sich auf einmal unglaublich verletzlich. Sie hatte vor Jeremías sämtliche Schilde fallen lassen, nur um jetzt festzustellen, dass es sich in Wahrheit um ihren Schwager handelte. "Es gab nie einen Jeremías?", war alles was sie mit ungemein brüchiger Stimme herausbrachte. Germán schüttelte bedauernd den Kopf. "Es war immer ich. Die ganze Zeit."

Angie öffnete den Mund. Sie wollte etwas sagen, wollte etwas fragen, um die Situation gänzlich zu verstehen, aber sie konnte nicht. Sie brachte keinen Laut über die Lippen, starrte ihn lediglich weiterhin fassungslos an. Jeremías war Germán. Es war Germán gewesen, der das Jahr über für sie dagewesen und ihr beigestanden hatte. Es war Germán gewesen, der sie in Bezug auf Esmeralda getröstet und ermutigt hatte, nach vorne zu schauen. Es war Germán gewesen, der sich in dieser schwierigen Zeit so liebevoll um sie gekümmert hatte. Angie hatte sich nicht in Jeremías verliebt, nein. Sie hatte sich ein zweites Mal in ihren Schwager verliebt!

All die schöne Zeit zusammen, die gemeinsamen Erlebnisse, ihre Beziehung mit Jeremías... All das war eine riesige Lüge! Nichts davon war echt!

"Ich kann nicht in Worte fassen, wie leid mir das alles tut.", begann Germán mit rauer, zitternder Stimme, da Angie nicht reagierte. "Ich habe mich ursprünglich als Jeremías verkleidet, um in Violettas Nähe zu sein. Ich wollte sie eigentlich nur beschützen, wollte wissen, was mit ihr los ist, das war der Grund. Dass wir beide plötzlich so viel Zeit miteinander verbringen, war nie geplant gewesen."

"Ich fasse es nicht.", flüsterte Angie noch immer ungläubig. Sie wurde jedoch schon bei den nächsten Worten lauter: "Du hast mich belogen. Du hast uns alle belogen. Schon wieder!" Ihre Stimme bebte vor Enttäuschung und unterdrückter Wut. Sie konnte es nicht glauben! Sie traute Germán ja einiges zu, aber das hier!? Ihre Fassungslosigkeit schlug nun immer mehr in Wut und Hass um. "Es tut mir so leid, Angie! Ich wollte dir ja die Wahrheit sagen, ich..." "Du wolltest mir die Wahrheit sagen? Wann denn? Bevor oder nachdem du mit mir geschlafen hättest?", konterte sie mit verbitterter Stimme.

"Hör bitte zu, lass es mich erklären." Germán wurde immer hilfloser. "Du willst mir das erklären!? Was gibt es da bitte zu erklären?" "Angie." "Nein, lass es! Ich will dir nicht zuhören!", unterbrach sie ihn wieder. Sie wollte seine Ausreden und Entschuldigungen nicht hören! Was er getan hat, war unverzeihlich!

Ihre Augen funkelten ihn zornig an. Ihr Blick glitt zu seinem nackten Oberkörper und schürte ihre Wut nur noch mehr. Sie hätten beinahe Sex gehabt und er hätte es zugelassen! "Heb dein Zeug auf und verschwinde!", ordnete Angie drohend an. "Aber..." "Ich will dich hier nie wieder sehen, mach, dass du wegkommst!" Germán verstand anscheinend, dass alles andere sinnlos wäre, also tat er wie geheißen und kramte seine Kleidung zusammen. Mit einem letzten Blick auf seine Schwägerin ging er zur Tür und verließ das Haus.

Kaum, dass die Haustür ins Schloss gefallen war, konnte Angie ihre wahren Gefühle nicht länger unterdrücken und brach weinend auf dem Boden zusammen...

Germangie - This Ain't GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt