Germangie - This Ain't Goodbye

34. Kapitel

"Cuando estamos juntos. Podemos soñar." Angie beendete gerade 'Algo se Enciende', welches sie auf ihrem Keyboard in ihrem Klassenzimmer in ihrem Studio gespielt und gesungen hatte. Die blonde Frau holte einmal tief Luft. In wenigen Stunden wäre all das nicht mehr ihrs. Heute war nämlich ihr letzter Arbeitstag, wobei der Tag mehr einer Abschiedsparty glich. Einer Überraschungsabschiedsparty.

Vorhin hatten Violetta und ihre Schüler sie mit deren Version ihres Liedes 'Algo se Enciende' überrascht, woraufhin diese sowie Pablo, Antonio, Beto und sogar Gregorio sich auf solch eine liebenswürdige und herzergreifende Weise von ihr verabschiedet hatten, dass kein Auge trocken geblieben war. Angie hätte dies auch völlig gereicht. Sie war kein großer Fan von Abschieden. Sie wollte morgen einfach nur in ihren Flieger steigen und ihr altes Leben, all den Schmerz und das Leid, was sie dieses Jahr hatte erfahren müssen, hinter sich lassen.

Jedoch hatte sie vorhin von Pablo die Anweisung bekommen, sich bis zur nächsten Überraschung in ihrem Klassenzimmer aufzuhalten und diesen Raum unter keinen Umständen zu verlassen. Egal, ob Feuer, Erdbeben oder Alieninversion, sie musste hierbleiben...

Angie ließ sich seufzend auf ihrem Stuhl nieder. All das wäre auch überhaupt kein Problem, wenn sie sich besser ablenken könnte. Aber hier in diesem Zimmer war sie alleine. Das heißt, sie und ihre Gedanken, da half selbst die Musik letzten Endes nicht. Seit einer geschlagenen Woche, seit sie ihrer Nichte von ihrem Vorhaben erzählt hatte, kreisten ihre Gedanken mal wieder nur um ein einziges Thema: Germán.

Die Musiklehrerin raufte sich die Haare. Sie würde irgendwann noch verrückt werden. Warum konnte sie ihren Schwager nicht einfach vergessen, das alles hinter sich lassen? In diesen sieben Tagen ging es allerdings so gut wie nie um die Wut, Trauer und Enttäuschung, die sie Germán gegenüber empfand. Nein, aktuell war das einzige Gefühl, das sie beherrschte, Verwirrung. Angie war seit ihrem Gespräch mit Germán völlig verwirrt. Das lag nicht nur an seiner verständnisvollen, lieben Art, welche sie bei ihrem Aufeinandertreffen ein wenig aus dem Konzept gebracht hat, sondern viel eher seine Worte.

"Mach dir nicht zu viele Gedanken und setzte dich nicht unter Druck. Du musst nur eine Sache tun: Hör auf dein Herz! Das wird früher oder später nämlich eine Entscheidung treffen, da bin ich mir ganz sicher. Lass dir einfach die Zeit, die du benötigst." Das hatte Jeremías bei ihrem ersten richtigen Date zu ihr gesagt.

"Ich möchte, dass du glücklich bist, dass du lächelst so wie jetzt." Ebenfalls Jeremías Worte, die Angie sehr geschmeichelt hatten.

"Und du bist für sie wie eine Mutter, sie liebt dich genauso sehr." Das hatte Jeremías geantwortet, nachdem ihm Angie erzählt hatte, dass sie Violetta liebte, als wäre sie ihre eigene Tochter.

"Ich bin für dich da, Angie. Du kannst mir vertrauen, kannst dich mir anvertrauen." Ein Zitat von Jeremías an ihrem letzten gemeinsamen Abend, bevor sie herausgefunden hatte, wer er in Wirklichkeit war. Er hatte sie wegen ihres Streits mit Germán getröstet und ermutigt.

Diese Sätze brachten Angie deshalb so sehr durcheinander, weil Germán diese Aussagen vor einer Woche teilweise eins zu eins widergegeben hatte. Es hatte sich um völlig andere Kontexte gehandelt, aber dennoch waren diese Sätze mehr als passend gewesen. Ob es sich dabei um Absicht gehandelt hatte, konnte Angie beim besten Willen nicht sagen. Es handelte sich aber ohne Zweifel um Äußerungen Germáns. Das war nichts Aufgesagtes, nichts Erfundenes. Das war Germán.

Seit Angie diese Übereinstimmungen aufgefallen waren, konnte sie nicht anders, als die Konversationen mit Germán und Jeremías der letzten Monate noch einmal Revue passieren zu lassen. Dabei hatte Angie mehr und mehr Zitate gefunden, die perfekt zusammenpassten oder einfach Germán - seine Liebenswürdigkeit, Fürsorglichkeit und Herzlichkeit, die Angie die letzten Wochen erfolgreich verdrängt hatte - widerspiegelten, auch wenn sie teilweise von Jeremías kamen: