Germangie - This Ain't Goodbye

38. Kapitel

Nachdem Germán, Violetta und Angie zusammen gesungen hatten und Ramallo aufgetaucht war, um Vilu mitzunehmen, war Angie nun ganz alleine mit ihrem Schwager in dem großen Haus. Sie fühlte sich hier, in dem Zuhause ihrer Familie, endlich wieder wohl. Keine Esmeralda, die ihr das Leben zur Hölle machte, keine Probleme, keine unangenehme Stille oder verletzende Streitereien mit ihrem Schwager. Angie konnte endlich wieder frei atmen.

Und sie verspürte eine warme, kribbelnde Vorfreude. Nur sie und Germán.

Zunächst setzten sich die beiden wieder zurück an den Esstisch, wo sie ihren Champagner zu Ende trinken wollten. Angie hatte keine Erwartungen an den Abend, sie war von den ganzen Geschehnissen ohnehin noch überrumpelt genug. Dennoch bemerkte sie, dass Germán und sie jetzt deutlich näher zusammensaßen. Beide hatten ihren Stuhl unwissentlich näher an den des anderen gerückt.

Angie griff nach ihrem Glas und Germán tat es ihr gleich. Sie lächelten sich leicht verunsichert, aber liebevoll zu und stießen ein letztes Mal an.

Während die blonde Frau es sich bequem machte und ihre Beine unter dem Tisch ausstreckte, die dadurch Germáns Beine streiften, räusperte sich ihr Schwager. "Bevor wir hoffentlich zu lustigeren Themen kommen, habe ich das Gefühl, ich muss mich nochmal bei dir entschuldigen." Angie hob fragend ihre Augenbrauen. "Und für was?" Das hatte er doch schon den ganzen Tag über gemacht. Es war schließlich der Grund, warum Angie hier überhaupt saß. Für was wollte er sich denn noch entschuldigen?

Germán lächelte sie leicht an, als wüsste er, welche Gedanken ihr gerade durch den Kopf gingen. "Es geht nicht um... es ist... Ich habe gesehen, wie emotional du geworden bist, als wir Geschichten über María ausgetauscht haben." Da die Unterarme der beiden ohnehin auf dem Tisch lagen, war es für Germán ein leichtes, mit seiner rechten Hand nach Angies Handgelenk zu greifen. Mit leiser Stimme meinte er: "Ich habe immer vergessen, dass nicht nur ich meine Frau, sondern du auch deine Schwester verloren hast. Das tut mir leid. Und dass ich zu deinem Leid nur noch hinzugefügt habe."

Die junge Frau blinzelte erstaunt. Das hatte er grundsätzlich richtig beobachtet. Ihr bedeutete es so viel, endlich mit anderen Menschen, die María nahe waren, über ihre Schwester zu sprechen. Aber dass Germán das Ganze noch eine Spur weiterdrehte... Angie hatte nicht gedacht, dass das überhaupt ein Thema war.

Die blonde Frau schaute Germán offen an. Sie fühlte sich seltsam emotional bewegt. "Es... es stimmt, dass ich meine Schwester vermisse und es seit ihrem Tod auch für mich schwer war, aber... ich hab dir das nie vorgehalten. Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast. Ich würde dich doch nie für deine Trauer diskreditieren."

Wieder lächelte Germán. "Nein, das nicht. Aber ich entschuldige mich für die Taten, die ich durch meine Trauer begangen habe. Erst hast du deine Schwester verloren und dann habe ich dir auch noch deine Nichte genommen." In dem Braun seiner Augen erkannte Angie so viel Einsicht, Verständnis und Reue, dass sie schlucken musste. Er traf einen Punkt. "Es tut mir leid, dass ich damals einfach abgehauen bin. Dass ich dir und deiner Mamá so viel Kummer bereitet habe."

Auch wenn das alles von Angie schon lange abgehakt und vergessen war, konnte sie nicht leugnen, wie viel es ihr bedeutete, das zu hören. Nachdem ihr ganzes Leben von der Suche nach ihrer Nichte bestimmt gewesen war, war es schön, dafür eine Entschuldigung zu bekommen. Dass er sich bewusst gewesen war, dass es trotz allem noch eine Tante und eine Großmutter gab. Dass er es bereute, dass er ihnen damals die Chance einer Familie genommen hatte.

Wobei Angie und Germán dann sicherlich nicht an dem Punkt stehen würden, an dem sie seit knapp zwei Jahren standen. Ihre Beziehung wäre eine völlig andere gewesen. Angies Mundwinkel zuckten gedankenverloren. Vielleicht war es gut so, wie es war. Vielleicht hatten sie das alles - trotz des ganzen Schmerzes - genau so gebraucht. Es hatte so sein müssen.