Germangie - This Ain't Goodbye

33. Kapitel

Ein paar Tage später stand Germán alleine in der Küche. Dass er sich eigentlich einen Kaffee zubereitete, bekam er schon gar nicht mehr mit. Er schüttete gedankenverloren wieder und wieder einen Löffel Zucker in die Tasse.

Er musste sich dringend etwas einfallen lassen. Er konnte nicht zulassen, dass Angie weggehen würde. Er brauchte einen Plan. Doch aktuell hatte der große Mann keinen blassen Schimmer, wie dieser aussehen sollte. Dabei hatte er es Pablo und vor allem sich selbst doch fest versprochen. Germán ließ von seinem mittlerweile viel zu süßen Getränk ab und fuhr sich frustriert durch die Haare. Allmählich machte sich Verzweiflung in ihm breit. Drei Tage war es her, seitdem Angie hier war, um ihm und Violetta ihre Entscheidung zu verkünden. In drei Tagen würde im Studio eine kleine Abschiedsfeier für seine Schwägerin stattfinden und in nur vier Tagen würde sie das Land verlassen.

Germán schlug mit der Faust auf die Arbeitsplatte vor ihm. So schwer konnte das doch wirklich nicht sein! Er hatte gemerkt, dass seine Worte vor drei Tagen etwas in Angie ausgelöst hatten. Lange nicht genug, um ihre Meinung zu ändern oder ihr Bild von ihm zu bessern, aber es war immerhin ein Anfang gewesen. Sie hatte gesehen, dass er auch anders konnte. Er war nicht nur der feige Betrüger, der log, wenn er den Mund aufmachte. Er konnte für Angie da sein, ihr zuhören, sie unterstützen. Er konnte gut sein.

Es lag nun in Germáns Händen, etwas zu finden, dass seine Schwägerin gänzlich aufhorchen würden und sie genau diese Dinge erkennen würden ließ. Der große Mann musste ehrlich sein, er musste überzeugend sein, es musste sie berühren. Und es musste vor allen Dingen von Herzen kommen. Angie musste sich wieder bewusst werden, dass sie ihn, den größten Idioten der Welt, trotz allem liebte und dass sie ihm und sich deshalb noch eine Chance geben würde.

Denn diesmal würde es Germán richtig machen, er würde es nicht wieder verbocken, so viel stand fest. Er hatte es letztlich dank des Gespräches mit seiner Tochter endlich begriffen: Dass seine feige Art und Weise die Menschen zu lieben und zu beschützen, ihnen letztendlich nur schadete und er sie damit von sich stoß. Er musste endlich mutig sein, seinen Liebsten vertrauen und zu seinen Gefühlen stehen. Er konnte sich nicht weiterhin hinter seinen Schutzmauern, Ängsten oder einer erfundenen Person verstecken. Viel zu lange hatte er seine Tochter aus unbegründeten Ängsten verletzt und eingeschränkt. Viel zu lange hatte er nicht wahrhaben wollen, dass er nun mal seine Schwägerin, die Schwester seiner verstorbenen Frau, liebte und seine wahren Gefühle ignoriert... Und als ihn die Gefühle letztlich übermannt hatten, hatte er sich lieber als jemand anders ausgegeben und Angie damit vielleicht für immer verloren.

Warum? Weil er María gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, weil er sich schäbig vorkam, mit seiner Schwägerin anzubändeln oder weil er einfach Angst vor der unsicheren, komplizierten, aber wunderschönen Zukunft hatte? Germán konnte mittlerweile nicht einmal mehr sagen, was der ursprüngliche Grund für seine Feigheit war. Alles was er jetzt wusste, war, dass er es wieder gutmachen wollte und endlich der Mann sein, der eine Frau wie Angie überhaupt verdiente. Germán hatte aus seinen Fehlern gelernt. Er musste offen sein, ehrlich sein und seine wahren Gefühle zeigen, um endlich das Leben zu leben, das er schon lange haben könnte. Diese Erkenntnis kam leider reichlich spät...

Germán drehte sich um, als er leise Schritte wahrnahm, die sich der Küchentür näherten. Es war Violetta und sie hielt ein Blatt Papier in der Hand, welches er zunächst gar nicht bemerkte.

"Papá, ich glaube, ich habe etwas gefunden, das dir weiterhelfen könnte." Germán hatte seiner Tochter nach Angies Besuch alles erzählt. Dass Pablo bei ihm war, dass Angie seinetwegen das Land verlassen wollte und dass er sie aufhalten würde. Irgendwie. Dass er einen Weg finden musste, wie Angie ihm zuhören und ihm vielleicht sogar verzeihen würde.