13. Kapitel

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Nach dem Gespräch mit Pablo verließ Angie das Lehrerzimmer und traf am Eingang auch schon auf ihre Nichte. Zusammen machten sich die beiden Frauen in bester Laune auf den Weg zum Castillo Haus. Violetta erzählte von ihrem Tag, wie unausstehlich Gregorio mal wieder war und dass Diego und León wie so oft aneinander geraten waren. Angie hörte ihr nur zu gerne zu und lachte herzhaft mit ihrer Nichte, als diese von Betos heutigen Unfällen berichtete.

Die blonde Frau hatte das Gefühl, wieder gänzlich mit Violetta verbunden zu sein. Anders als die ganzen Monate zuvor. Irgendetwas hatte immer gefehlt, ihre Beziehung war nicht vollkommen gewesen. Seit Esmeralda nun fort war, hatte sich das glücklicherweise geändert. Auch wenn es selbstsüchtig klang, wollte Angie Vilus Liebe und Zuneigung nicht mit einer anderen Frau teilen. Sie wollte sie alleine für sich, wie es im ersten Jahr immer war und jetzt hoffentlich auch bleiben würde. Angie konnte Violetta wieder vollkommen nahe sein.

Violetta schloss lachend die Tür auf und trat ein, ihre Tante direkt hinter sich. "Das hattest du nicht wirklich zu Jackie gesagt?" Gerade als Angie die Worte ihres letztens Aufeinandertreffens mit Antonios Nichte bestätigen wollte, hielt sie inne. Eine wunderschön klingende Melodie erfüllte den Raum. Als sie den Kopf wandte, erkannte Angie auch den Grund. Ihr Schwager saß gerade am Klavier und spielte vertieft ein ihr unbekanntes Lied.

Die zwei Frauen liefen zu ihm, während Germán den letzten Takt spielte. "Das klingt wirklich schön, Papá!", lobte Violetta sogleich. "Komponierst du etwa?" Germán griff nach einem Zettel und hielt ihn seiner Tochter hin. "Das ist ein Gedicht von deiner Mamá. Mir ist es vorhin in die Hände gefallen und seitdem sitze ich hier." Angie schaute ihrer Nichte über die Schulter und las die Verse ebenfalls. "Soy mi mejor momento.", lächelte die blonde Frau traurig. "Du kennst es?", hakte Violetta überrascht nach. "Ja. María hat es geschrieben, als sie mit dir schwanger war. Es handelt vom Erwachsenwerden und war für dich gedacht. Sie wollte, dass du es, wenn du in einer schweren Zeit bist, liest.", erklärte Angie und Germán stimmte zu. "Eigentlich wollte sie es dir, wenn du dein jetziges Alter erreicht hattest, geben, aber das ist ja nicht mehr möglich."

Angie lächelte und starrte ins Leere, während die Erinnerungen langsam zurückkamen. "Ich war in dieser Zeit viel bei deiner Mamá. Sie meinte immer, dass sie es mir in diesem Alter auch zu lesen geben würde, bevor sie es schließlich dir schenkt. Aber als ich in dieser Phase des Erwachsenwerdens war, ist María gestorben und ich konnte beim besten Willen keine Werke von ihr lesen oder singen, ohne in Tränen auszubrechen. Zumal 'Soy mi mejor momento' in dieser schrecklichen Zeit ein wenig unpassend war. Ich hab es versucht, aber ich konnte einfach nicht. Deshalb hab ich es zu ihren Sachen gelegt, die dein Vater dann an sich genommen hat."

Als Angie ihre Umgebung wieder wahrnahm, sah sie die sorgenvollen Blicke von Germán und Violetta. "Geht's dir gut?" Schnell wischte sie sich mit einer Hand über die feuchten Augen und verschloss die Erinnerung in den hinteren Ecken ihres Gedächtnisses. "Ja, entschuldigt. Das sollte nicht so emotional werden. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, welche Bedeutung dieses Gedicht hat und dass ich es toll finde, dass dein Papá ein Lied daraus machen möchte. Ihr solltet es zusammen komponieren."

Violettas Augen wurden groß und als Germán bestätigend nickte, strahlte sie über das ganze Gesicht. "Das ist eine super Idee. Durch diesen Song sind wir alle vereint. Die ganze Familie." Angie musste bei ihrer Euphorie lächeln. Sie konnte sich vorstellen, wie wichtig es ihrer Nichte war, durch solche Möglichkeiten eine Verbindung zu ihrer Mutter herzustellen. Momente zu erschaffen, in denen sie zumindest im Herzen vereint waren. Germán, María und Violetta. 

"Gut, dann will ich euch nicht weiter stören.", verabschiedete sich Angie. "Wir sehen uns morgen." "Warte, Angie!" Gerade als sie sich umdrehen wollte, ertönte Violettas Stimme. "Warum willst du gehen?" Die blonde Frau sah ihre Nichte verwirrt an. "Warum sollte ich bleiben?  Das ist ein inniger Moment zwischen euch. Da hab ich doch nichts verloren!" Violetta schüttelte bestimmt den Kopf und griff nach Angies Hand, um sie zu sich zu ziehen. "Du hast ja Recht, aber du hast etwas vergessen." "Was denn?" "Du gehörst auch dazu. Es ist ein Moment zwischen Papá, Mamá, mir und dir!", betonte Violetta und Germán ergänzte: "Wenn sich durch dieses Lied unsere kleine Familie mal wieder ganz nahe kommen soll, brauchen wir dich! Du bist schließlich ein Teil der Familie. Ein Teil von uns."

Angie umfasste Violettas Taille und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, während sie ihre andere Hand auf Germáns Schulter legte. "Das habt ihr schön gesagt!" Die Worte der beiden hatten die blonde Frau wirklich berührt. Es stimmte, sie alle waren eine Familie. Und zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich dieser wieder gänzlich zugehörig und wusste, dass die anderen zwei es auch wieder von Herzen so meinten!

Ihr Schwager fing an, die Melodie erneut zu spielen und Violetta und Angie sangen Marías Worte dazu. Die Musik erfüllte das ganze Haus bis in den Abend hinein, als Olga sie zum Abendessen rief. Sie verbrachten seit gefühlten Ewigkeiten endlich wieder unbeschwert Zeit miteinander und Angie war dafür sehr dankbar. Es war schließlich ihre Familie! Die blonde Frau konnte Marías Präsenz an diesem Nachmittag deutlich spüren. Sie waren zusammen. Alle vier.


"Deswegen weiß ich einfach nicht, was ich tun soll.", stöhnte Violetta frustriert. "Ich bin zwar mit Diego zusammen, aber ich kann León einfach nicht vergessen." Seit Angie nach dem Abendessen mit auf das Zimmer ihrer Nichte gegangen war, klagte diese über ihr Liebesleben. "Du weißt, was ich dir in solchen Situationen immer rate." "Das hilft mir aktuell aber wirklich nicht weiter.", jammerte Violetta und ließ sich nach hinten in die Matratze sinken, was Angie auflachen ließ.

"Du kannst dich immerhin wieder über solche Themen aufregen.", meinte die blonde Frau, mehr zu sich selbst, und ergänzte bei dem fragenden Blick Violettas: "Die Hochzeit ist erst zwei Tage her, aber du scheinst es trotzdem schon gut überwunden zu haben." Die Braunhaarige stützte sich auf die Ellenbogen. "Ja, da hast du Recht. Der erste Schock ist erstmal vorbei. Auch Papá wirkt heute schon deutlich besser gelaunt." "Ich hab dir ja gesagt, es wird alles gut." Angie ließ sich neben ihrer Nichte ins Bett fallen. "Sowas braucht Zeit, aber Germán ist stark. Er schafft das."

"Natürlich schaffe ich das." Germán betrat plötzlich den Raum und blieb vor dem Bett stehen. "Ich weiß zwar nicht, wovon ihr redet, aber ich bin ganz eurer Meinung." Angies Augen funkelten. "Schön, dass du zustimmst. Ich habe Vilu grade erklärt, dass du es immer wieder schaffst, dein großes Ego raushängen zu lassen." Violetta fingen bei diesem Kommentar laut zu lachen an und auch ihr Schwager grinste breit. "Und ich hätte es Angie sogar fast nicht geglaubt.", kommentierte die Jüngere sarkastisch.

"Hey, hey, hey. Ich wollte meiner Tochter nur gute Nacht sagen. Keinen Grund so angriffslustig zu werden.", verteidigte sich Germán und brachte Angie auf einen ganz anderen Gedanken. "Oh ja, ich muss morgen schon früh im Studio sein. Ich sollte jetzt gehen!"

"Nein!" Urplötzlich hatte Violetta sämtliche Arme und Beine um ihre Tante geschlungen, damit diese nicht aufstehen konnte. "Du kannst doch hier schlafen!" Lächelnd strich Angie ihr eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. "Und morgen zwänge ich mich in eines deiner T-Shirts, oder was?" "Papás passen dir bestimmt!", grinste Violetta, ließ sie jedoch los. "Dann sehen wir uns aber morgen wieder." "Natürlich, mein Schatz." Die blonde Frau strich ihr einmal über die Wange und erhob sich dann. Sie freute sich, mehr als sie zugab, dass Violetta so auf ihre Nähe aus war. Ihr selbst ging es ja gar nicht anders. Angie konnte gar nicht genug Zeit mit ihrer Nichte verbringen.

"Ich hätte da einen Vorschlag.", meldete sich Germán auf einmal zu Wort. "Wie wäre es denn, wenn du wieder hier einziehst?"

Germangie - This Ain't GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt