12. Kapitel

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Angie war völlig in Jeremías braunen Augen gefangen, die genau den gleichen Farbton besaßen wie die ihres Schwagers, wie sie schon mehr als einmal festgestellt hatte. Im Moment strahlten sie Angie mit so einer Intensität an, dass sich die blonde Frau, trotz Jeremías' unsicherem Verhalten, sicher war, dass er auch etwas für sie empfand.

Angie verbrachte mehr als nur gerne Zeit mit dem Pianisten. Nie kamen von ihm Vorwürfe, Anschuldigungen, Vorhaltungen. Nie stritten sie sich, noch gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen. Jeremías war einfach für sie da und hörte Angie zu. Sie konnte mit ihm über all ihre Sorgen und Probleme sprechen und fühlte sich bei ihm wohl und verstanden. Außerdem hatte er sie noch nie verletzt und war auch nicht mit der jungen Frau verschwägert...

Aus all diesen Gedanken und Emotionen heraus, konnte Angie nicht verhindern, dass sie sich immer weiter zu ihm vorbeugte, bis sich ihre Lippen beinahe berührten. Sie wollte seine Lippen einmal auf ihren spüren und testen, ob Jeremías das gleiche Prickeln in ihr auslösen konnte, was bisher ausschließlich Germán gelungen war.

Angie strich mit ihren Fingern von seinen Schultern hinunter und legte ihre Hände behutsam auf seine Brust. Die blonde Frau spürte den schnellen Herzschlag des Pianisten, der noch immer wie angewurzelt dastand und sie einfach nur ansah. Er kam ihr nicht entgegen, machte aber auch keinen Schritt zurück. Angie würde nun alles auf eine Karte setzten und ihr Glück einfach probieren...

Kaum, dass sich ihre Lippen kaum merklich berührten, ertönten schnelle Schritte und Pablo betrat nichtsahnend den Raum: "Jeremías, da bist du ja! Beto hat mir erzählt, du such... Oh, äh, hallo Angie." Der Direktor kratzte sich verlegen am Kopf. "Ich hab dich gar nicht gesehen. Tut mir leid, wenn ich euch gestört habe." Jeremías hatte so zwischen Angie und der Tür gestanden, dass Pablo, wie er selbst sagte, keine Chance gehabt hatte, seine beste Freundin ebenfalls zu erkennen. Erst, als sich die beiden erschrocken voneinander gelöst hatten, war Angie hinter dem Pianisten zum Vorschein gekommen und zeigte Pablo so die wirkliche Szene.

"Nein, nein, nein! Ich... er... wir... ähm. Du störst wirklich nicht.", stotterte Angie daraufhin sofort verlegen, während sich ihr Gesicht derweilen in die Farbe einer Tomate verwandelt hatte. "Ja, ich hab dich gesucht. Ich wollte etwas mit dir besprechen.", mischte sich nun auch Jeremías ein und warf Angie einen letzten Blick zu, bevor er gemeinsam mit Pablo den Raum verließ, um über seine geplante Kündigung zu reden.

Angie sah dem Schwarzhaarigen unsicher hinterher. In seinen Augen hatte sie die Enttäuschung über die Störung deutlich erkennen können, doch noch etwas anderes, ein vollkommen gegensätzlicher Ausdruck, war in dem Schokoladenbraun erschienen. Wenn sie nicht alles täuschte, meinte die blonde Frau, Erleichterung aufgeblitzt haben zu sehen...

Angie saß auf einem der Stühle im Lehrerzimmer und starrte gedankenverloren vor sich hin. Ihre letzte Stunde war vorbei und nun wartete die junge Frau lediglich darauf, dass auch Violetta aus hatte und sie mit ihrer Nichte zu dieser nach Hause laufen würde.

Angie ließ den Kopf auf ihre Hände sinken, welche auf dem Tisch vor ihr abgestützt waren. So oft hatte sie Violetta schon geraten, einfach auf ihr Herz zu hören und somit eine wichtige Entscheidung zu treffen. Wie schwer umsetzbar dieser Rat allerdings teilweise war, wusste die blonde Frau erst seit dem heutigen Tag. Wenn sie an Germán dachte, klopfte ihr Herz schneller und Jeremías brachte sie mit nur einem Blick zum Lächeln. Es war zum Verrücktwerden, zumal sie bei keinem der beiden Männern wirklich wusste, woran sie war!

Bei ihrem Schwager hatte sie in den vergangenen Monaten eingesehen, dass er sie nicht mehr liebte und in ihr nur die Tante seiner Tochter sah. Seit Esmeralda ihn nun aber verlassen hat, suchte Germán wieder verstärkt ihre Nähe, was Angie zögern ließ. Empfand er vielleicht doch noch etwas für sie? Jeremías und sie mussten sich einfach erst noch näher kommen, besser kennenlernen. Es war schwer, seine Sicht der Dinge zu erraten... Wenn sie ihn vor ein paar Stunden doch nur hätte küssen können!

Germangie - This Ain't GoodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt