,, Angeblich gibt es oben in Hasparen jetzt einen Irren, der sich gegen den Kaiser stellt. Die Männer die ihm folgen gehören angeblich zur Garde, nennen ihn aber nur ihren Hetman. Freischärler im besten Fall, Räuber und Rebellen im schlimmsten. Aber immer noch weniger schlimm als der eigentliche Kaiser. Angeblich hat der erneut eine Siedlung niederbrennen lassen. Ohne Vorwarnung, ohne jeden Grund. Karians Fort ist nicht mehr. Und das ist kaum zwei Tagesreisen von hier. Die ersten Überlebenden sind gestern angekommen um den Patrizier um Schutz zu bitten..."
Erik sah von dem Spielbrett auf, dem bis eben noch seine ganze Aufmerksamkeit gegolten hatte und musterte sein gegenüber. Der Mann war schon Älter und zählte wohl nicht mehr zu den Anwärtern der Universität, die sich die Zeit im Schatten der Bäume vertrieben. Graue Haare, in denen nur einige schwarze Strähnen verblieben waren, rahmten ein Gesicht ein, auf dem fast immer ein breites Lächeln zu stehen schien. Freundlich, aber irgendwie nicht ganz natürlich. Sein Gesicht blieb dabei zu glatt, fand Erik. Etwas, das seinem Alter Hohn sprach. Aber er war ein guter Spieler, dachte Erik bei sich, als er den Blick wieder senkte und die verbliebenen Steine zählte. Ein Narr und zwei Ritter. Erik zögerte, während er erneut aufsah, direkt in die braunen Augen seines Gegenübers. Manchmal meinte er tatsächlich so etwas wie rot dahinter schimmern zu sehen. Sein Gegner hatte einen Kaiser gesetzt, also blieb ihm nur der Narr... Und danach wäre der Ausgang ihrer Partie vollkommen vom Glück abhängig. Er setzte und wartete.
,, Es ist nicht so, dass das etwas zu bedeuten hätte." , meinte er. ,, Dahinter steht nichts als Wahnsinn, mein Freund. Morgen können sie schon wieder ganz wo anders sein. Und Vara hat Mauern. Der Kaiser ist irre. Seine Männer sind es nicht." Langweilig. Wie oft hörte man Berichte über die Männer des Kaisers, die durch das Land hetzten und mindestens genauso oft die Erzählungen von verbrannten Siedlungen. Caius Ordeal war verrückt, so einfach war das. Und die Adeligen waren nicht gewillt, sich diesem Irrsinn zu beugen, allen voran der Patrizier Varas. Sicher, der Kaiser mochte Dörfer und unbefestigte Städte überfallen, aber an den Sitzen seiner mächtigsten Fürsten würde er sich sicher nicht vergreifen. Und Caius war alt. Mit ein wenig Glück wäre das Ganze in ein paar Jahren vorbei. Alles in allem musste Caius darum kämpfen, die Kontrolle über das Land zu behalten, seit die erste Siedlung gebrannt hatte. Und zusammen mit den anderen Gerüchten die umgingen... Angeblich waren seine Erben alle in einer einzigen Nacht vor fünf Jahren verschwunden oder später tot aufgefunden worden.
,, Aber wer weiß schon, welcher Ort als nächstes brennen wird. Der Adel sollte ihn endlich absetzen und einen Schlussstrich unter das ganze ziehen."
Als ob das so einfach wäre, dachte Erik. Gedankenverloren tastete er nach dem schweren Buch, das neben ihm auf der Bank ruhte. Sonnenstrahlen durchbrachen das Blätterdach über ihnen. Die Terrassen vor der Universität standen in voller Blüte. Große Beete mit Blumen und Kräutern reihten sich im Schatten der Baumalleen aneinander, welche die Treppe hinauf zum Eingang säumten. Unten am Fuß des Hügels, den die Kuppeldächer der Universität krönten, erstreckte sich ein großer Platz mit Brunnen und künstlichen Wasserläufen die auf die Entfernung wie Silber glitzerten. Ein Dutzend weitere Bürger der Stadt hatten sich ebenfalls im Schatten der Gärten versammelt, speilten an den aus Granit geschlagenen Tischen oder sonnten sich. Oder sie zitterten vor dem Beginn ihrer Prüfung.
Erik nicht. Erneut strich er über den abgegriffenen Ledereinband des Buches neben ihm und lächelte versonnen, obwohl sein Gegner seinen Narren soeben mit einem Bauern vertrieb. Er setzte einen Ritter und hoffte das Beste. Sowohl er als auch sein Gegner hatten nur noch einen Stein. Der ältere Mann jedoch lächelte und setzte. Ein Lord.
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Erik - Die Unsterblichen
FantastikKlapptext Das Kaiserreich Cantons im Jahr 735 der Herrschaft des Hauses Ordeal : Vara steht als eine der letzten Bastionen inmitten der Zerstörung, ein Ort des Lernens und Denkens, der mit seinen Universitäten noch an die besseren Zeiten des Imp...