Kapitel 24

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Der Zaun, der die Halbinsel auf der das Dorf lag, vom restlichen Tal abgrenzte, war geöffnet worden. Das Licht der untergehenden Sonne färbte die Felsen der Klippen hinter ihnen Blutrot, während die Felsen vor ihnen bereits in tiefe Schatten getaucht waren. Und zwischen goldenen, im Wind wogenden Grashalmen, tauchten soeben die ersten Menschen auf. Erik sah der Gruppe mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits war er tatsächlich froh über die Ablenkung. Das Leben im Dorf war in den letzten Tagen schnell eintönig geworden und die Ankunft der Adeligen aus den freien Reichen würde daraus nun schnell Vergangenheit machen. Aber... das musste nicht unbedingt etwas Gutes bedeuten, nicht?

Die kleine Karawane wurde von einem einzelnen Gejarn geführt, den Mhari wohl als Späher voraus geschickt hatte, ihre Gäste zu Empfangen. Der Mann trug auch nicht die simple aus groben Stoffen und Leder gefertigte Kleidung der übrigen Dorfbewohner sondern Hemd und Hosen im Stil der Menschen der Herzlande und sogar ein paar Stiefel, die wohl unvorstellbar unbequem für den Armen sein mussten. Aber was tat man nicht alles für einen guten ersten Eindruck, dachte Erik. Was das anging unterschieden sich Gejarn und Menschen wenig. Auch wenn es andere Maßstäbe annahm. Erik beobachtete die langsam näher kommende Gruppe aus Gesandten mit einem wachsenden, mulmigen Gefühl. Banner wehten über den Köpfen der etwa fünfzig Mann starken Truppe, ein jedes versehen mit dem Wappen einer anderen Familie und ganz zu Forderst der schwarze Widder Erindals. Der Stadtkönig war also tatsächlich gekommen. Stahl glänzte im Licht der untergehenden Sonne und leuchtete weithin sichtbar. Die meisten Adeligen hatten mehr als einen Leibwächter dabei, schwer gepanzerte Gestalten, die Fahnen und Schwerter gleichermaßen mit sich führten und deren Umhänge und Mäntel mit Wappen und Farben ihrer Herrn bestickt waren. Von diesen Wiederum gingen nur wenige zu Fuß. Sänften und Kutschen begleiteten den Zug aus Rittern und Schwertträgern in einer langen Kolonne, eine mehr verziert als die Nächste. Eine Zuschaustellung von Prunk und Reichtum. Ihre Gruppe hingegen wirkte im vergleich geradezu schäbig. Hier am Zaun gab es keine Banner und Fanfaren, nur ihn, Mhari, Cyrus und einige andere wichtige Vertreter des Dorfes, darunter zwei der Heiler, die Erik unterrichtet hatte. Für die Gejarn hier mindestens so wichtige Leute, wie jeder Fürst in seiner Stadt... aber im Vergleich zum Hochadel verblassend unbedeutend. Und diese Männer dort draußen, auf denen Mharis ganze Hoffnungen ruhten, waren schnell beleidigt, das wusste Erik nur zu gut. Aber auch die Löwin war sich dessen wohl bewusst.

Ihre farblosen, grauen Gewänder hatte sie gegen eine weite Robe aus blauem Stoff getauscht, die sich im Wind aufbauschte. In ihren Haaren schimmerten Blüten von der gleichen Farbe. Es waren keine Juwelen, kein Metall, aber sie trug es wie eine Krone und wo die andere zurückwichen, als die ersten Reiter ihrer Pferde nur wenige Schritte vor ihnen zum Stehen brachten, blieb Mhari fest und sicher stehen wo sie war. Eine Staubwolke schlug ihr entgegen, nahm Erik einen Moment die Sicht, als auch die Kutschen und Sänften eintrafen und der folgende Tross aus Dienern sich daran machte, ihren Herrn ins freie zu Helfen. Mit Zierrat überkrustete Türen und Vorhänge wurden aufgezogen und Männer und Frauen in schweren Mänteln in Purpur und Gold stolperten unbeholfen auf die Ebenen hinaus. Sie wirkten fehl am Platz hier, dachte Erik bei sich. Hier in der Wildnis, ohne die Annehmlichkeiten einer Stadt und verloren inmitten der Weite des Tals... Nein sie gehörten nicht hierher. Aber sie waren gekommen. Mhari ignorierte die grimmigen Blicke der Ritter und Wächter, die mittlerweile abgestiegen waren, als sie den Fürsten der freien Königreiche entgegen trat. Und mit einigem Abstand folgte Erik ihr schließlich und dann die restlichen Gejarn. Suchend sah sie sich einen Moment um, als würde sie etwas suchen und Erik brauchte einen Moment, bis er Verstand, was. Er konnte die Farben von einem halben Dutzend Adelsfamilien erkennen aber wo war der Stadtkönig? Der Herr Erindal war hier, Erik hatte sein Banner zuvor gesehen, doch scheinbar befand er sich nicht unter den übrigen Adeligen, die Mhari nun geschlossen entgegen kamen um ihre Aufwartung zu machen. Die Gejarn tauschte Verbeugungen und kurze Worte der Begrüßung aus, doch ihre Augen suchten immer wieder das Feld ab. Erindal wäre wichtig. Es war der nächstgelegene Stadtstaat der freien Reiche und Grenzte direkt an das Kaiserreich und die übrigen Staaten. Ohne die Unterstützung oder zumindest das Wohlwollen Erindals wäre ein Krieg fast aussichtslos....

Erik - Die UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt