Kapitel 9

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Im Vergleich zu den prunkvollen Universitätsgebäuden wirkte die Villa des Patriziers von Vara fast unscheinbar. Es war größer, als die meisten anderen Gebäude in der Stadt, aber nicht dekadent und auch die großen Gärten, die das zweistöckige Haus umgaben, waren zwar gepflegt aber keine offene Zuschaustellung von Macht. Ein schmiedeeiserner Zaun etwa doppelt so hoch wie eine ausgewachsene Person umlief das gesamte Gelände. Erik warf immer wieder eilige Blicke durch das Gatter, während er und Cyrus sich beeilten, das Anwesen zu passieren. Flammen schlugen aus dem einst mit grauem Schiefer bedeckten Dach und tauchten die Welt um sie herum in rötliches, flackerndes Licht. Er konnte die Hitze der Flammen selbst hier spüren und einen Moment fragte er sich, ob Patrizier Gavion dem Feuer entkommen war oder nun irgendwo unter den Trümmern des Daches begraben lag. Wie so viele andere... Zwei tote Stadtwächter lagen am Haupttor des Anwesens in ihrem eigenen Blut.

Erik beeilte sich an den Toten vorbei zu kommen. Bis zu seinem eigenen Haus und damit hoffentlich einem möglichen Fluchtweg, wäre es jetzt nicht mehr weit. Rauch und Asche trieben mit dem vom Feuer angeheizten Wind durch die Luft und machten das Atmen schwer. Schwarzer Dunst quoll aus den Seitengassen hinaus auf die große Straße, die das Patrizieranwesen umlief. Wie viel von Vara mittlerweile vom Feuer verschlungen worden war, konnte er nur abschätzen, doch die fliegende Stadt verdunkelte noch immer den Himmel über ihnen , so dass das wenige Licht, das durch die Aschewolken drang, zusätzlich gedämpft wurde.

Erik hatte das große Eingangstor bereits fast passiert, als plötzlich die Türen der Villa aufflogen. Funken und Ruß stoben daraus hervor und hüllten die vier Gestalten, die ins freie Stürzten einen Moment ein. Eriks Herz schlug bis zum Hals, als er schwarzen Stahl durch die Asche hindurch schimmern sah. Einen Moment stand er wie erstarrt da. Bis zu den Häusern schafften sie es niemals ohne gesehen zu werden und hier standen sie fast völlig offen. Schließlich war es Cyrus, der ihn schlicht mit sich zu Boden riss, so dass sie direkt an dem niedrigen Fundament kauerten, das den Zaun stützte. Erik versuchte seinen Fall noch mit den Händen zu bremsen, was nur dazu führte, das er sich die Haut aufschürfte. Immerhin war er geistesgegenwärtig genug keinen Laut von sich zu geben und drückte sich stattdessen näher an den Stein. Cyrus ihm gegenüber tat das gleiche und legte einen Finger auf die Lippen.

Erik wagte es einen Moment nicht, aufzusehen oder zur Kante des Tores zu robben. Stattdessen lauschte er ob sich etwas rührte, auf das Klirren von Stahl oder Worte oder auch nur lauten Atem, der sich näherte. Erst als alles eine eile ruhig blieb wagte er es vorsichtig über die Kante ihre dürftigen Verstecks hinweg zu spähen.

Vier Männer standen im Aufgang zur Villa, deren westliche Fassade soeben krachend in sich zusammen fiel. Funken stoben auf und rieselten auf die drei stehenden und den einen knienden Mann herab. Am Boden kniete Agrippa Gavion. Erik erkannte den goldenen Ornat und den Umfang des Mannes sofort.

,, Ihr habt uns angelogen. Sie war nicht im Haus.", stellte einer seiner drei Wächter fest. Zwei waren Prätorianer, einer im schlichten schwarz, der andere mit einem weißen Umhang und einem kristallinen Speer in der Hand. Erik erkannte ihn als den Kommandanten von zuvor wieder auch wenn er jetzt den Helm trug und scheinbar ungeduldig Auf und an ging.

,, Macht endlich Schluss." , verlangte er mit einer Stimme, die kaum Wiederrede duldete.

Der dritte Mann, der, der zuvor gesprochen hatte, trug keine Rüstung, sondern war in tiefschwarze Roben gehüllt. Doch auch auf seiner Brust und auf dem Umhang prangte der silberne Drache der Ordeal. Und sein Anblick machte Erik mehr Angst als der, der zwei anderen Männer zusammen. Auch bei dem vermummten Mann handelte es sich um einen Prätorianer. Aber er war kein Krieger wie die anderen... Nein. Die neben den schwer gerüsteten Männern so kümmerlich und eingefallen wirkende Gestalt war ein Zauberer im Dienste des Kaisers. Das Erbe des alten Volkes war nur in wenigen Menschen noch lebendig und weniger wussten wirklich mit dieser Gabe umzugehen. Doch in einem Magier war die Blutlinie der Alten noch lebendig und mit ihr die Macht über die diese verfügte... Erneut duckte Erik sich weg, als der Mann langsam an dem Patrizier vorbei trat.

Erik - Die UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt