Kapitel 40

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Der Thronsaal war eine gewaltige, von Kristallen erhellte Halle mitten im Herzen der fliegenden Stadt. Reihen aus Säulen, groß wie Bäume, stützen die Decken, auf denen ein lange vergessener Künstler ein täuschend echtes Abbild des Abendhimmels erschaffen hatte. Brodelnde Wolken, die vom Licht der untergehenden Sonne in goldenes und rotes Licht getaucht wurden, schienen sich über den Köpfen der Besucher zu türmen. Einzelne Lücken gewährten einen Blick auf den samtblauen Himmel und die ersten, schwach schimmernden Sterne, gefertigt aus glasklaren Diamanten.

Auch wenn es keine Fenster gab, die Darstellung konnte einen fast überzeugen, sich unter freiem Himmel zu befinden. Genug jedenfalls, damit Erik einen Augenblick schwindlig wurde, als r nach oben sah.

Macon jedoch hielt nicht inne, um den Anblick zu bewundern, genau so wenig, wie seine übrigen Begleiter. Das halbe Dutzend Wachen in der Halle wirbelte sofort herum, als sich die Türen öffneten, doch auch die Garde des jungen Kaisers war vorbereitet. Innerhalb von wenigen Herzschlägen hallte das Klirren von Stahl durch den Thronsaal, Schwerter blitzten im Licht der Kristalle, goldene und schwarze Mäntel verhedderten sich und Erik und Cyrus waren bald gezwungen, zurückzuweichen um den Kämpfen aus dem Weg zu gehen.

Die einzigen Gestalten, die ganz ruhig blieben waren Mhari, Macon selbst... und die einsame Gestalt auf dem Sitz im Zentrum der Halle. Der Bernsteinthron Cantons war vollständig aus halbdurchsichtigem, honigfarbenem Stein gefertigt. Das Marmorpodest darum sorgte dafür, dass der Mann darauf den gesamten Saal mühelos überblicken konnte. Eine Aussparung in der Rückenlehne genau in Kopfhöhe erzeugte den Eindruck eines Heiligenscheins. Der schwach glühende Kristall, der an scheinbar nichts darin schwebte, verstärkte diesen Eindruck nur noch. Und doch blieb das Gesicht des Herrschers im Dunkeln.

Macon schien wie in Trance, als er langsam auf den Thron zutrat. Den Kämpfen um ihn herum schenkte er grade genug Beachtung um ihnen auszuweichen, während seine Männer die Leibgarde des Kaisers zurückdrängten. Caius Ordeal hob langsam den Kopf, so als würde er seinen Sohn erst jetzt wahrnehmen.

,,Macon..." Der Kaiser erhob sich schwerfällig, als Macon am Fuß des Throns zum Stehen kam. Die Hand des Prinzen ruhte auf dem Schwertgriff. Erik beobachtete angespannt, wie der alte Mann die Stufen herab kam. War das Corvus ? , fragte er sich. Irgendwie wollte er es nicht glauben. Caius Stimme klang brüchig, alt. Seine Haare waren vollständig ergraut und seine Augen... nur trübe, blassblaue Punkte, die müde umherblickten. Caius Ordeal wirkte nur... alt. Aber nicht wahnsinnig, nicht bösartig, als er mit ausgebreiteten Armen auf seinen Sohn zutrat.

,, Ich wusste du würdest herkommen. Irgendwann. Das war unausweichlich. " Erik wusste nicht sicher was, aber etwas an den Worten des Kaisers jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Und irgendwo in seinem Geist schien plötzlich eine Alarmglocke zu schrillen. Der Ton des Herrschers hatte sich mit einem Mal gewandelt, klang nicht mehr schwach und brüchig, sondern Überlegen, auf eine fast freundliche Art und Weise. ,, Und jetzt bist du heim gekehrt. Mutig Sohn. Sehr mutig."

Ein dünnes Lächeln teilte Caius Lippen, während er die Arme um Macon legte, der nach wie vor still und unbewegt da stand.

,, Ihr seid nicht mein Vater." Macons Worte klangen kalt, vollkommen beherrscht. Erik sah das Aufblitzen von Metall, als der Kaiser einen Dolch aus den Falten seines Ornats schnellen ließ. Aber nicht schnell genug für den jungen Prinzen. Macon fing die Hand seines Vaters ab, bevor ihn die Klinge treffen konnte. ,, Und eure Herrschaft endet hier. Dieser Alptraum endet hier."

Mit einem Ruck hatte Macon seinem Gegner den Arm verdreht, während er mit der anderen Hand das Schwert zog . Das Messer landete klirrend auf dem Boden, im gleichen Moment, wo sich die Runenklinge in den Laib des alten Kaisers bohrte. Caius zuckte zusammen, starrte ungläubig auf das Schwert in seiner Brust. Blut lief an der Schneide entlang, tropfte auf den Boden... oder hätte es getan, währen die Blutstopfen nicht verpufft, ehe sie den Marmor berührten. Mit einem Mal war es totenstill im Saal. Prätorianer und Gardisten gleichermaßen hielten inne, blickten zu den beiden Männern vor den Stufen des Throns.

Erik - Die UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt