Kapitel 26

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,,Noch ein Glas?" Cyrus hielt den erst halbleeren Krug mit Apfelwein hoch, den er von irgendwo hatte mitgehen lassen. Die Gejarn stellten ihn aus den Früchten der wenigen Apfelbäume her, die sich hier im Tal hielten. In der sengenden Hitze vertrockneten die Früchte noch am Baum und begannen zu gären und entsprechend stark war auch das Endergebnis, eine trübe, fast zähe, bernsteinfarbene Flüssigkeit, die jedoch bestens dazu geeignet war einen alles vergessen zu lassen, was man wollte. Im Augenblick war ihm das mehr als willkommen. Und so hielt er dem Wolf lediglich seinen leeren Tonbecher hin, den dieser auch prompt nachfüllte.

Sie saßen im Eingang der kleinen Hütte, die man ihnen gegeben hatte und sahen auf das Spektakel hinaus, das im restlichen Dorf stattfand. Bunte Lichter erhellten die Nacht und tauchten die Fassaden der Gebäude in alle Farben. Ab und an erreichte das Licht auch ihre Gesichter, zeichnete scharfe Konturen darauf, die ihren Farbton wiedergaben.

,, Das ist schon eine ziemlich verrückte Geschichte in die wir da geraten sind, was ?" Cyrus machte sich gar nicht erst die Mühe, für sich einen Becher zu suchen, sondern nahm direkt einen Schluck aus dem Krug.

,, Und ich muss nachher die Haare rauspicken wenn ich Nachschank will." , seufzte Erik, starrte jedoch nur auf den Wein in seinem eigenen Becher ohne etwas zu trinken. ,, Aber weißt du was wirklich verrückt ist, alter Freund ? Ich glaube sie hat Recht. Mhari meine ich. Der Kaiser muss aufgehalten werden. Zumindest so viel ist mir in Vara klar geworden."

,, Mhm, sicher. Und von wem bitte? Uns ?" Erik zuckte als Antwort nur mit den Schultern, worauf der Wolf ihn einen Augenblick mit großen Augen musterte. ,, Ich glaube der Apfelwein steigt dir jetzt schon zu Kopf mein Freund. Ich glaube du trinkst besser, das treibt dir das ganz schnell wieder aus. Ich für meinen Teil hatte fürs erste genug Abenteuer."

,, Das glaube ich gerne."

Cyrus kniff kurz die Augen zusammen, bis ihm offenbar klar wurde, worauf Erik hinauswollte. ,, Nein, vergiss das gleich, du spielst nicht schon wieder auf die Geschichte in Vara an, das..."

Der Arzt brach in schallendes Gelächter aus, während der Wolf sich verteidigte und stürzte den halben Inhalt seines Bechers hinab. Der Apfelwein sickerte ihm in den Bart, den er sich über die letzten Wochen hatte stehen lassen und tropfte auf sein Hemd, das auch nicht weniger wild wirkte. Generell sollte er sich wohl dringend um ein paar neue Kleider bemühen, dachte er. Er hatte nur das was er am Leibe trug aus Vara gerettet.

,, Außerdem überlässt du das alles ohnehin besser Mhari."

,, Was ?" Erik hatte Cyrus nur mit einem halben Ohr zugehört.

,, Den Kaiser ?" , fragte der Wolf irritiert. ,, Sie scheint hier doch alles im Griff zu haben. Also lehnen wir uns zurück... und warten einfach erst einmal ab, was passiert."

,, Vielleicht ist das wirklich das Beste." Erik stellte seinen halb leeren Krug beiseite und zog seine Pfeife aus der Jackentasche. Bald darauf stiegen dünne, blaue Dunstwolken zum Himmel auf, während die beiden Freunde zusahen, wie der Mond am Himmel langsam höher stieg. Noch immer waberte der Klang der Musik durch die Gassen. Für Eriks Ohren waren die Gesänge und Lieder der Gejarn ungewohnt und dennoch nicht unangenehm. Sie war viel ursprünglicher, als die raffinierte und oft zur reinen Unterhaltung erschaffen Musik der Menschen, grober... doch nicht misstönend dadurch. Die Melodien der Clans waren noch fest in ihren Ritualen und im Spirituellen verwurzelt und jede von ihnen hatte ihre Geschichte, stellte vielleicht sogar eine Art gebet an die Ahnen da. Und sie schickte den Geist nur all zu leicht auf Reisen, wenn man sich ihr einmal hingab.

Erik beobachtete die vor den Feuern tanzenden Schatten von Menschen und Gejarn gleichermaßen. Sogar einige der Wächter der Herrn der freien Reiche hatten sich mittlerweile unter ihnen eingefunden, wenn auch wohl kaum mit Erlaubnis ihrer Fürsten. Ein schöner Anblick, dachte er. Menschen und Gejarn die zusammen feierten und tranken. Ein paar der Wächter hatten, trugen, ob nun freiwillig oder unfreiwillig, sogar Clanzeichnungen und Symbole auf Armen oder Kopf und eine Gruppe von ihnen amüsierte sich offenbar königlich darüber, wie man ihren Hauptmann zugerichtet hatte. Wenn sie nur alle Konflikte mit ein wenig Alkohol und Musik lösen ließen, wäre die Welt sicher ein besserer Ort. Einige der Tänzer und Feiernden lösten sich jedoch bald aus der Gruppe, als sie Erik und Cyrus entdeckten und kamen, zuerst zögerlich so schien es, näher. Die Gejarn unter ihnen hielten Schalen und Pinsel und auch feine Metallspitzen in den verschiedensten Größen in den Händen und wo die sichtlich betrunkenen Wachen die armen vor sich her scheuchten, schienen sie tatsächlich fast verschüchtert oder ängstlich. Cyrus rief ihnen etwas in ihrer Sprache zu . Ein paar lachten nervös, andere erwiderte etwas, was den Wolf selbst zum Grinsen brachte. Erik verstand bestenfalls ein paar Brocken und nichts davon erklärte, worüber der Wolf sich grade so amüsierte. Und als er sich wieder Erik zuwendete, war seine Stimme vollkommen ernst.

Erik - Die UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt