Kapitel 39

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Niemand bemerkte den kurzen, blauen Lichtblitz zwischen den Bäumen, die sich an der Palastmauer entlang zogen. Erik stolperte einen Schritt Vorwärts ins Freie, bevor ihn eine Hand an der Schulter packte und zurück in Sicherheit zog. Ein Dutzend Gestalten kauerten vor ihm in den Schatten, sicher Versteckt hinter Büschen und Sträuchern , deren Blätter bereits begonnen hatten, sich bunt zu verfärben.

,, Wir haben nicht viel Zeit. Corvus wird schnell merken, das jemand die Schutzzauber der Stadt passiert hat. Und er wird auch wissen, das ich es bin... ich... oder einer der anderen."

,, Das heißt wir haben ihn vorgewarnt." , stellte Jared fest. Der Seher lehnte scheinbar entspannt an einem Baum in der Nähe, nur ein Schatten unter Schatten.

,, Wo sind wir hier ?" , flüsterte Erik derweil an Macon gewandt, der vor seinen Männern im Schatten hockte. Nur ein Dutzend der goldenen Garde hatten sie begleitet. Mehr hatte der Prinz in der kurzen Zeit nicht zusammenrufen können. Und Mhari hatte nicht mehr erlauben wollen. Erik wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, sie einfach so hierher zu teleportierten aber selbst für sie schien das keine leichte Aufgabe gewesen zu sein. Schweiß stand ihr auf der Stirn und das nicht bloß vor Anspannung...

Macon hatte sich derweil aufgerichtet und spähte zwischen einigen Zweigen hindurch. Die Hand hielt er dabei beständig am Schwertgriff, als rechen er jeden Moment, das man sie entdecken würde.

Vor den mit weißem Marmor verkleideten Türmen und Hallen des kaiserlichen Palastes erstreckte sich eine gewaltige Parkanlage mit Bäumen und Blumenbeeten. Mauern umschlossen das gesamte Areal, doch so weit Erik erkennen konnte waren sie unbewacht. Und auch die mit Sand ausgestreuten Wege, die zwischen den grasbewachsenen Hügeln des Parks hindurch führten, waren verlassen

,, Das ist einer der Palastgärten, wenn ich mich nicht irre. Ich habe sie nie alle Besucht aber seht ihr die große Kuppel dort drüben ?" Er deutete auf einen Teil der Palastanlage, die sich weit über die anderen erhob , nur überragt von den Türmen und Wehranlagen. ,, Dort befindet sich der Thronsaal. Und der Kaiser..."

,, Wir tun das also wirklich ?" Cyrus tauchte neben Erik auf, ebenfalls ein Schwert in der Hand.

,, Ja..." Ein finsteres Grinsen huschte über Macons Züge. ,, Es endet heute. Beeilen wir uns, los."

Mit diesen Worten trat der junge Prinz hinaus ins Freie, gefolgt von seinen Männern. Erik, Cyrus , Mhari und schließlich Jared bildeten die Nachhut, die Unsterbliche erneut den Speer in der Hand. Kurz überlegte Erik ob er sie bereits um die Waffe bitten sollte. Seine Rolle hier war klar... und dennoch war es vielleicht besser, wenn er zumindest nicht ständig daran erinnert wurde. Das mulmige Gefühl blieb, trotz aller Beteuerungen Mharis und trotz aller Zuneigung die er für sie empfinden mochte.

Immer die Augen offen haltend, huschte die kleine Gruppe an der Parkmauer entlang. Waffen und Rüstungen klirrten bei jeder Bewegung, eigentlich kaum wahrnehmbar, aber die Anspannung ließ jeden Laut schrill und misstönend erklingen. Erik versuchte zumindest seine Tasche festzuhalten um das Geklapper von Instrumenten und der kleinen Statue zu dämpfen, die sich nach wie vor darin befand. Einen Glücksbringer konnten sie bei dem, was sie vorhatten wirklich gebrauchen.

Vor ihnen wurde Macon plötzlich langsamer und gab seinen Leuten ein Zeichen anzuhalten und sich zu ducken, während sie den Gipfel einer kleinen Anhöhe erreichten. Sie hatten eine der Ecken der Mauer erreicht, stellte Erik fest , verlief der Wall nun doch nicht mehr direkt hinter ihnen sondern neben ihm zu seiner linken. Einer der Sandwege schlängelte sich am Fuß des Hügels entlang und mündete an einer kleinen Tür, dort , wo die Gartenmauer auf die äußersten Palastgebäude traf. Selbst im Herbst noch blühende und von Insekten umschwirrte Büsche säumten den Weg dorthin und erfüllten die Luft mit süßem Duft und dem Summen von Bienen. Beinahe wäre es friedlich zu nennen gewesen, dachte Erik. Und wären sie aus einem anderen Grund hier, er hätte die Szenerie vielleicht sogar genießen können. Sah man von den zwei Gestalten , in ihren markanten, schwarzen Rüstungen ab, die direkt vor der Tür standen. Silberne Drachen prangten auf ihrer Kleidung und wanden sich um die Spitzen der Speere, die sie trugen.

Erik - Die UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt