Ich bin noch nie so schnell gerannt. Okay, das ist übertrieben. Jedes Jahr bei den Bundesjugendspielen bin ich schneller gerannt als jetzt in diesem Moment auf meinen idiotischen Stilettos, die in jeder verdammten Ritze stecken bleiben. Es ist eine dumme Idee gewesen, diese mörderischen Schuhe anzuziehen. Nächstes Mal wird es mir total egal sein, ob meine blöden Schuhe zu meinem blöden, aber wirklich wunderschönen, Kleid passen. Denn in diesem Moment verfluche ich mich dafür: Meine Füße tun höllisch vom langen Stehen und Tanzen weh und mein Kleid hat aus Versehen einen Cocktail von einem betrunken Mädchen abbekommen.
Hier stehe ich also. Um zwei Uhr nachts in den Straßen New Yorks, in denen es trotz Hochsommer irgendwie kalt ist, meine Füße schmerzen, ich bin voller Mojito und ich fühle mich verschwitzt und ekelhaft. Das zeigen sie nie in Filmen.
„Warte!", keucht Sarah und bleibt nach Luft schnappend vor mir stehen. „Ich komme mit.", ihre Kondition ist noch nie besonders gut gewesen. „Oh, cool!", freue ich mich darüber, nicht allein zum Hotel fahren muss. „Warum bist du so schnell weggerannt?" „Ich weiß nicht, ich hab das nicht wirklich durchdacht, ich glaube ich hab mich einfach zu sehr auf das Eis gefreut.", antworte ich ein bisschen verwirrt. Sarah lacht mich aus.
Als wir endlich ein Taxi angehalten haben und drin sitzen, seufze ich erleichtert auf und ziehe meine Schuhe aus. So fühlt sich wahre Freiheit an. Himmlisch. „Ey, Sarah." „Hm?" „Was ist mit Jake passiert?" „Nichts Besonderes, wir haben nur ein bisschen rumgemacht, aber er küsst so feucht, ich glaube er hat sogar ein bisschen meine Nase abgeleckt..." Ich lache: „Hört sich toll an." „Ja, ne? Sieht aus wie ein Model, aber küsst ein bisschen wie ein Hund. Wobei, sogar Jays Hund hat besser geküsst." Dann sind wir beide eine Weile traurig und halten eine Schweigeminute, weil Jays Hund vor zwei Jahren gestorben ist. Zu seinen Lebzeiten jedoch hat Friedrich Maximilian der Zweite (Anna-Lena, Jays Schwester, durfte den Namen aussuchen) Sarah und mich sehr fleißig abgeschleckt.
„Zurück zu Jake...", versuche ich mehr aus Sarah herauszukriegen. „Es ist nicht wirklich sehr interessant. Er war sehr betrunken und das hat sich auf seine Kusskünste ausgewirkt, ich muss aber fantastisch gewesen sein, weil er mir einen Schlüssel zu seinem Hotelzimmer gegeben hat. Er ist kurz nach David mit einem Bodyguard gegangen." „Oh, dann müssen wir ja in die gleiche Richtung.", zwinkere ich. Die Band wohnt zusammen in der Suite, aber sie haben , Kapitalismus sei Dank, getrennte Zimmer. „Ach, ich weiß nicht, ob ich wirklich hinmöchte...", überlegt Sarah, „Was ist, wenn er so scheiße im Bett ist, wie er küsst?" Ich pruste: „Das ist wirklich das Traurigste, was ich je gehört habe. Ein Rockstar, der scheiße küsst." „Oh mein Gott. Ich habs. Ich komm mit dir in die Suite. Dann lege ich mich zu Jake und erzähle ihm am nächsten Tag, dass wir Sex hatten und kein Kondom benutzt haben!", jubelt sie erfreut über ihren Geistesblitz, „Das wird so lustig!" Sarah liebt es Leute zu verarschen. Ob die Leute es auch mögen verarscht zu werden, ist eine ganz andere Frage, aber ich lasse ihr ihren Spaß.
„Ach, Sarah..." „Hm? Machst du dir wieder Sorgen?" „Was? Nein. Ich wollte dir nur gerade sagen, dass ich dich liebe." „Ich weiß doch.", grinst sie und schlingt ihre langen Arme um mich. Sarahs Arme sind nämlich überproportional lang, aber wenn man nicht extra darauf achtet, fällt es nicht auf. Die restliche Taxifahrt verbringen wir in angenehmer Ruhe während Sarah einschläft, weil ich ihren Kopf zu großartig kraule.
„Wir sind da.", stupse ich sie vorsichtig an und wir klettern nach dem Bezahlen aus dem Taxi. Sie gähnt und streckt sich ausgiebig. Dann lacht sie fröhlich: „Los geht's!" und zieht mich hinter sich ins immer noch hell erleuchtete Hotel. Die Stadt schläft anscheinend nie.
Im obersten Stock angekommen werde ich dann doch ein wenig nervös, aber der Alkohol macht mich mutiger als sonst. Und es ist David. Wenn ich jemandem vertraue, dann ihm. Irgendwie ist das eine dieser Sachen, die sich nicht geändert hat.
Sarah versucht leise die Tür aufzuschließen, aber muss dauernd kichern, weil sie sich wahrscheinlich Jakes Reaktion am Morgen vorstellt. „Oh mein Gott, Sarah, ich machs. Gib her.", ich verdrehe die Augen und strecke die Hand aus. „Hi.", sagt David, der plötzlich in der Tür steht. „Wie lange braucht ihr eigentlich, um eine Tür aufzumachen?", lacht er uns aus.
Nach einer dringend notwendigen Dusche sitzen wir mit Eis vor dem Fernseher und ich liege eng an David gekuschelt auf der Couch. Er spielt abwesend mit meinen Haaren und ich lehne entspannt in eins seiner Tshirts gekleidet an seiner Brust. Ohne schmerzende Füße oder nervende Paparazzi. Vollkommen glücklich.
„Das habe ich vermisst.", seufzt Sarah und kuschelt sich in den Sessel. „Hm?", frage ich. „Naja, ich habe es echt vermisst, das fünfte Rad an eurem Wagen zu sein." Wir schauen sie ungläubig an. „Habt ihr euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie eure Trennung für mich war?", sagt sie wie ein vorwurfsvolles Scheidungskind. „Ehrlich gesagt... nein.", sage ich und David lacht.„Zwei Jahre lang, hatten wir coole Dreierdates bei Jolie, wir haben zusammen Filme geschaut, coole Roadtrips gemacht, waren zusammen feiern und dann. Wie aus dem Nichts-", hält sie dramatisch ihre Rede. „Sarah, halt die Klappe.", sagt David lachend und wirft sie mit einem Kissen ab. „Ist ja gut! Okay, so schlimm war es nicht, aber ich freue mich wieder mit euch rumzuhängen. Vor allem jetzt, da du reich bist und das Essen ausgibst.", fügt sie grinsend hinzu. „Ich glaube auch früher musste ich immer für euer Eis bezahlen."
„Ja, aber jetzt reicht dein Geld für Ben & Jerrys! Und früher gab es nur den Aldifake. Nicht, dass er nicht lecker war.", erinnert sie sich. „Sei froh, dass du überhaupt was bekommen hast! Einfach nur undankbar!", schnaubt David lachend.
„Ach, ich weiß doch, dass du mir nur Eis ausgegeben hast, um bei Jolie gut dazustehen.", zwinkert sie. „Stimmt das?", frage ich David. „Naja... Ganz unrecht hat sie nicht?", sagt er lächelnd. Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Du bist süß."
„Meinst du nicht männlich, unheimlich sexy und stark?", versucht er seine Männlichkeit zu wahren. „Ist das mein Zeichen zu gehen?", erkundigt sich Sarah. „Ja, verpiss dich.", sagt David. Die beiden hatten schon immer einen unfreundlichen Umgangston miteinander, was nichts an ihrer Liebe zueinander ändert. Also rein platonische Liebe. „Gute Nacht, viel Spaß beim Vögeln.", wünscht sie und verschwindet in Jakes Zimmer, in dem der sehr betrunkene Playboy gerade seinen Rausch ausschläft.„Du hast sie gehört, zieh dich aus.", sagt David vollkommen ernst. „Was?", frage ich und drehe mich irritiert zu ihm um. Er lacht über meinen Gesichtsausdruck und drückt mich fest an sich. „War nur Spaß, Jolie. Und wir müssen nicht, wenn du noch nicht wieder bereit bist. Also, alles gechillt." „Du Verführer.", necke ich ihn. „Das hat man also davon, wenn man ein Gentleman sein will.", schüttelt er resigniert den Kopf. „Naja, immerhin habe ich jetzt wieder eine heiße Freundin.", versucht er es positiv zu sehen.
„Ach wir sind wieder zusammen?" „Jolie, wie viel Ego willst du mir heute eigentlich noch nehmen?", fragt er scherzhaft, „ Erst nennst du mich süß, dann lachst du über meinen Versuch, nicht wie ein notgeiler Arsch dazustehen und dann-" „Sorry, sorry das kam falsch rüber! Ich meinte, ich wusste nur nicht so genau, weil du hast nicht gefragt und ich dachte, also ich weiß eigentlich nicht, was ich dachte.", ziehe ich kleinlaut ein Fazit.
„Ich lade dich doch nicht extra nach New York ein, schreibe dir kitschige Liebeslieder und küsse dich, um nicht mit dir zusammen zu kommen.", lacht er, „Und wo wir gerade beim Thema sind: Willst du endlich wieder mit mir zusammen sein?"
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Tut mir Leid, dass es so lange diesmal gedauert hat und dass das Kapitelende so kitschig ist, aber es war so ein guter letzter Satz und ich hatte eine Menge zu tun! :(
Was haltet ihr von Sarah und Jake? ;)
Liebe Grüße,
-alterade
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