-0- Was bisher geschah

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"Und wie sieht es in der Liebe aus, mein Schatz?", fragt mich meine Oma und ich stöhne auf. Bitte nicht schon wieder diese Frage.

Meine Oma ist so vorhersehbar. Alles was sie will, sind viele kleine Urenkel und zwar möglichst schnell. Nachdem mein Cousin Elias sie schon maßlos durch seine Homosexualität gepaart mit einer fehlenden Adoptionsbereitschaft enttäuscht hat, und meine Cousine Nina unfruchtbar ist, bin ich ihre letzte Hoffnung. Naja, die Vorletzte, um genau zu sein. Meine andere Cousine Melissa ist sieben, Aber sie findet zur Zeit Lina aus ihrer Parallelklasse ganz süß und meinte sie würde 13 Hunde adoptieren und kein einziges Kind. Mal sehen, wie das sich noch entwickelt.

"Nein, ich habe gerade keinen Freund, Oma. Genauso wie die letzten 32 Male, die du gefragt hast." "Ach Joëlle, du bist so ein hübsches Mädchen, es kann doch gar nicht sein, dass sich niemand für dich interessiert! Und so schöne blonde Haare und so schöne grau-blaue Äuglein, das kann doch gar nicht sein, dass man sich nicht sofort in dich verliebt." Stimmt, weil Aussehen auch alles ist. Ich würde ja nie wollen, dass sich jemand aufgrund meines charmanten Charakters oder meiner wortgewandten Witze in mich verliebt.

"Ach, Regina. Wenn du wüsstest, wieviele Leute bei unserer lieben Joëlle Schlange stehen...", wirft Sarah, meine verräterische beste Freundin seit der zweiten Klasse, lachend ein. "Ich wusste es! Joëlle, warum stellst du uns keinen dieser netten Burschen vor?" "Weil sie nicht existieren, Oma. Und Sarah, von dir habe ich echt mehr erwartet.", ich schüttle enttäuscht den Kopf und schenke mir mehr Tee ein.

Nagut, eigentlich habe ich nicht mehr von Sarah erwartet. Meine Oma und sie sind nämlich ein Herz und eine Seele. Sie lachen mich gemeinsam aus, schauen gemeinsam Rosamunde Pilcher unflästern gemein(sam) über andere Omas. Und das seit der zweiten Klasse.

Gerade sitzen wir gemütlich mit meiner Oma in ihrem Café. Meine Oma hat ein Café, in dem Sarah und ich nicht nur unsere Kindheit, sondern auch gerade unsere Semesterferien verbracht haben. In den letzten Wochen haben wir jeden Tag ein paar Stunden im Café am Dom verbracht, uns ein wenig Taschengeld verdient (Mindestlohn) und jeden Tag ein paar (Stücke) Kuchen genascht. Mein persönlicher Rekord liegt übrigens bei 4 Brownies, 2 Stücke Apfelkuchen, einem halben Stück Käsekuchen und 2 Muffins. Ich weiß, ziemlich beeindruckend, deswegen freue ich mich umso mehr, wenn ich wieder zurück an der Universität Sport machen kann. Normale Sportkurse sind viel zu teuer für arme Studenten.

"Nagut, dann unterhalte ich mich wohl besser mit Sarah. Schade, dass es nun schon so weit kommt, dass mir sogar die Freundin meiner eigenen Enkeltochter mehr anvertraut...", versucht sie mir ein schlechtes Gewissen zu machen. "Ach, Oma. Du musst nicht so tun als würdest du Sarah nicht lieber mögen als mich. Wir wissen doch alle, dass sie dein Lieblingsenkel ist, obwohl ihr nicht mal verwandt seid." Meine Oma lacht fröhlich und tätschelt Sarahs Wange. "Joëlle ist wirklich reizend, wenn sie eifersüchtig ist!" Dann lachen sie mich wieder aus.

"Also, Sarah. Klär mich auf.", fordert sie sie auf, während wir Käsekuchen essen und Pfefferminztee trinken. "Also letzten Monat gab es anscheinend einen Marcel, der sie im Bus angequatscht hat-", sie lächelt süffisant und ich schnaube.Das ist eine der negativen Seiten von Sarah. Sie erzählt wirklich alles weiter. "Dann gab es mal Cem, der sie im Supermarkt angemacht hat. Keine Ahnung, wie man das anstellt, was hat er nochmal gesagt, Jo?" „Kannst du mir mal den Hummus und deine Nummer geben.", murmle ich peinlich berührt in mich rein. Meine Oma prustet los. „Ach ja, genau. Dann noch Alex in der einen Bar, Jakob vom Badminton und... Tobi aus dem Studium? Hab ich jemanden vergessen?" "Das mit Tobi ist jetzt wirklich Jahre her.", murmle ich und betrachte eingehend die mit grässlichen Blumen bestickte rosa Tischdecke. "Joëlle, mein Schatz, an Verehrern mangelt es ja nicht, warum hast du denn trotzdem keinen Freund?""Ich will einfach nicht.", seufze ich. Bitte, lass das Thema gut sein, Oma...

"Liegt es an David?" Ohnein, bitte nicht schon wiederdas Thema! "Nein.", sage ich knapp. "David mochte ich wirklich gern! Aber Schatz, ihr seid doch schon seit mehr als zwei Jahren getrennt. Es wird Zeit loszulassen." "Ich hab doch losgelassen!", verteidige ich mich. "Loslassen bedeutet auch offen für neue Männer zu sein." "Was ist wenn ich lesbisch bin?", versuche ich das Thema zu wechseln. "Solange du glücklich bist und ich Urenkel bekomme, kannst du machen, was du willst, mein Schatz! Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab!", sagt sie streng.
Mist, der Versuch ist fehlgeschlagen. "Oma, mir geht wirklich gut.", beteuere ich verzweifelt. "Wirklich, Jo?", fragt Sarah hinterhältig und ich trete sie unter dem Tisch.

"Meine Kleine, ich weiß du kannst es nicht mehr hören, aber das ist wirklich wichtig. Beantworte mir nur diese zwei Fragen: wirstdu je nach Amerika ziehen?" "Nein.", sage ich. "Wird David je nach Deutschland ziehen?" "Nein...", seufzeich. "Na dann ist es doch klar. Lass ihn verdammt noch mal los, Kind. Ich weiß, die erste große Liebe ist etwas ganz Tolles und Großartiges und ich mochte David auch, aber du hast mehr verdient als jemandem hinterher zu trauern, der nie wieder auf diese Weise in deinem Leben sein wird. Ich weiß, dass du noch an ihn denkst, ich bin deine Oma." Ich versuche die Mundwinkel nach oben zu ziehen, aber es will nicht so recht gelingen. "Ich habs verstanden. Aber ehrlich gesagt, gibt es einfach niemanden, der annähernd so interessant ist.", sage ich leise. Meine Oma legt den Kopf schief: „Hm... Glaubst du, du gibst den Jungs die Chance, zeigen zu können, wie interessant sie sind? Natürlich solltest du nicht irgendjemanden nehmen, der nur deine Zweitwahl wäre, nur um deine liebe Oma glücklich zu machen, aber gibst du den Jungs überhaupt die Chance deine erste Wahl zu sein?"

Ich überlege drei Happen Käsekuchen lang. Derweil freut sich Sarah, dass der Käsekuchen so lecker und vegan ist. Sowas passiert ihr nicht oft, aber sie hat meine Oma so lange bearbeitet, bis sie in ihrem Café 5 verschiedene vegane Kuchensorten angeboten hat, von denen sie profitieren konnte. „Vielleicht hast du ein bisschen recht.", gebe ich schließlich zu. Sie lächelt wissend. Ich hasse dieses Lächeln. "Wer war denn deine erste Liebe...", lenkt Sarah sie ab und ich hänge meinen Gedanken nach.

Es wird Zeit loszulassen, da hat sie Recht, aber es ist so verdammt schwer jemanden loszulassen, den man am liebsten nie losgelassen hätte. Ich denke, das war die ganze Zeit mein Problem. Ich wollte nicht den letzten Rest unsere Beziehung gehen lassen, den letzten Rest der Gefühle.

Und wohin hat es mich geführt? Ich bin 20, Single, zwar noch keine Katzenlady, aber ich habe weniger Spaß als ich in den schönsten Jahren meines Lebens eigentlich haben sollte. Ist die Uni nicht zum Saufen und Vögeln da? Vielleicht wird es endlich Zeit diesen neuen Lebensabschnitt richtig zu beginnen. Ohne Ihn.

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Hi, da das hier schon mehr Leute das lesen als gedacht, gibts ab jetzt in den Footnotes Funfacts:

Jedes Jahr holzen wir eine Fläche ab, die so groß ist wie Griechenland.

Was man dagegen tun kann?

- auf Palmöl und Fleisch verzichten
- Ökopapier kaufen
- Leute informieren


Love Songs For MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt