-39- Beauty and the Beast

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Seit meinem vierten Lebensjahr war ich an jedem Fasching als Belle von Beauty and the Beast verkleidet. Ja, selbst dieses Jahr mit meinen jungen 20 Jahren war ich das. Ich habe Belle geliebt! Sie war immer freundlich, lieb und hat genauso viel gelesen wie ich. Jetzt liebe ich sie nicht mehr so sehr wie früher, aber ich habe mich so sehr daran gewöhnt jedes Jahr als Belle zu gehen, dass es schwer ist diese Angewohnheit abzulegen.

Meine Liebe zu Disneyfilmen kam daher, dass meine Mutter mit mir ungefähr jeden Disneyfilm geschaut hat, den es gibt. Die meisten haben wir viel zu oft geschaut, weswegen ich so ziemlich alle Songs auswendig kann, wenn auch nur die deutsche Version. Klar, ich habe nicht jeden Disneyfilm geliebt, Tarzan zum Beispiel fand ich schon immer sehr gruselig, wegen des Leoparden, und seltsamerweise haben wir noch nie Alice im Wunderland geschaut, doch das ist ein anderes Thema.

Da Belle mein heißgeliebtes Vorbild war, wollte ich schon immer schöne braune Haare und ja, im Kindergarten war das das Hauptgrund für eine Freundschaft mit Sarah. Ich oberflächlicher Mensch! Doch wie ihr sehen könnt, hat das super ja super geklappt. Disney verbindet Menschen. Kleine Anekdote am Rande: als mein Vater einmal wegen einer Geschäftsreise nach London musste und mich gefragt hat, was er mir mitbringen soll, habe ich gesagt: eine Rose. Als er nach einer Woche wieder zurückkam, habe ich geweint, weil ich die Weingummis, die er meiner Cousine mitgebracht hat, viel cooler fand. So viel zum Thema Anspruchslosigkeit.

Ziemlich ironisch eigentlich, dass ich so eine große Vorliebe für die Schöne und das Biest hatte. Vielleicht war es Schicksal, dass ich immer so sein wollte wie sie, denn sie konnte schön singen, war super nett und super hübsch. Vielleicht habe ich mich deshalb in einen Beast verliebt. Warum ich sie so cool fand? Sie war so gut. Gefangen, von ihrer Familie abgeschnitten und trotzdem so bescheiden. Wie würdevoll sie ihre Schicksal hingenommen hat! Wie freundlich und fröhlich sie trotzdem war! Sie konnte trotzdem ihre Situation zu Glück verwandeln.

Und ich? Mir geht es nicht mal schlecht, niemand hält mich gefangen! David ist der perfekte Freund, die Band ist so unheimlich nett zu mir, wir bereisen Amerika, sammeln unglaubliche Erfahrungen, Georgina ist so nett geworden, alles läuft so gut. Keine Geldsorgen, kein gebrochenes Herz, geiles Essen, schönes Wetter. Ich sollte so glücklich sein.

David ist das netteste (vor allem auch der netteste von) Beast, das auf dieser weiten Welt existiert und alles was ich tue, ist undankbar zu meckern.

Gott, warum bin ich nicht wie Belle? Warum bin ich nicht glücklich?

Vielleicht bin ich doch gefangen. Ich bin gefangen in einem goldenen Käfig. In einer Welt, die nicht meine ist, in die David mich entführt hat. Ich bin ein Gefangener seiner Liebe, denn wenn ich gehen würde, bräche mein Herz. Ich bin gefangen an einem Ort, an dem niemand meine Sprache spricht. Ein Ort, an dem ich unsichtbar bin. Ein Ort, der nie mein Zuhause werden könnte.

Oh, verdammt, habe ich das wirklich gerade gedacht? Es ist nicht so als würde ich es nicht probieren, bitte glaubt mir! Seit fünf Wochen stehe ich jeden Tag mit positiven Gedanken auf, denn ich habe gelesen, wenn man selbst positiv denkt, kann man so sein Gehirn austricksen und wird selbst optimistisch und glücklich. Doch mittlerweile nehme ich es mir nicht mal selbst ab.

Aber trotz allem, jeden Morgen, wenn ich David anschaue, der friedlich neben mir schläft und im Schlaf lächelt, denke ich mir, das macht es wett.

Leider hält dieses Glück nie lange vor. Fragen über Fragen plagen, suchen mein Gehirn und meine Gedanken heim. Wie lange kann das noch weitergehen? Wann werde ich anfangen unglücklich zu sein? Wann werde ich anfangen immer mehr zu meckern? Wann wird das Negative mich für alles Positive blind machen? Wann werde ich anfangen auf David wütend zu sein? Wann werde ich anfangen ihm Schuldgefühle zu machen? Wann wird er anfangen mich nur noch zu lieben, weil er muss und nicht, weil er es will? Wann wird alles auseinanderbrechen?

Ich frage mich nicht mehr, ob es passieren wird, denn ich weiß es wird passieren. In diesen fünf Wochen habe ich gesehen, dass hier kein Platz für mich ist. Anders als Sarah, die vollkommen aufblüht und mehr Spaß hat, als je zuvor in ihrem Leben. Doch ich bin nicht Sarah, ich ertrage so viel Aufmerksamkeit nicht. Ich war nie für Bühnen bestimmt. Schon als ich klein war, habe ich sie gehasst, bei jedem Konzert in der Schule, an dem wir als Schulchor auftreten mussten, bei jedem beschissenen Referat, bei jeder Situation, in der mehr als drei Menschen mich schweigend anschauen, möchte ich im Boden verschwinden.

Ich bin nicht wie Sarah, und das ist auch gut so. Sarah ist mutig und macht, was sie will. Sie weiß zwar nie so ganz, was sie nun wirklich will, aber sie lässt alles auf sich zukommen. Manchmal denken ich mir, dass ich mit ihrer Lebenseinstellung mehr Spaß im Leben hätte.

Das Einzige, bzw. den Einzigen, den ich je einfach so auf mich zukommen lassen habe war David. Und schaut wohin es mich gebracht hat. Zu einer Beziehung, die mich glücklicher gemacht hat, als alles andere in der Welt. Aber auch zu einer Beziehung, die mich unglücklicher gemacht hat, als alles andere in der Welt.

„Jo? Bist du bereit?", fragt Sarah grinsend. „Klar.", sage ich und stehe wacklig auf, ich konnte mich noch nie an High Heels gewöhnen. „Pass auf, Süße!", lacht sie. Ich gebe ein müdes Lächeln von mir. „Was ist los?", fragt Sarah und ihr Blick bohrt sich tief in meine Seele, jedenfalls fühlt es sich so an. Ich versuche: „nichts" zu sagen, doch ich bringe es nicht über meine Lippen. Und in diesem Moment bricht all die Frustration aus mir hervor und ich zittere. All mein positiv-Denken schmilzt unter ihrem prüfenden Blick zusammen. Ich konnte Sarah noch nie anlügen.

„K-können wir heute Abend nicht zum Konzert gehen?"

Tränen laufen über meine Wangen. Sofort sind zwei lange Arme um mich geschlungen: „Klar, mein Schatz, klar... Ich bin immer, immer, immer für dich da."

Und das ist der Moment, in dem mir klar wird, dass ich nicht so bin wie Belle und nie so sein werde. Dass es für mein Beast und mich womöglich kein Happy End geben wird.

Denn das ist nicht die Schöne und das Biest. Das ist kein Märchen.

Es ist das Leben. Und im Leben klappt es manchmal nicht, auch wenn man es noch so sehr möchte.


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ach, du magst zwar nicht belle sein, aber du bist trotzdem jolie. #franzosenwitze

x alterade

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