Wir schauen durch die abgedunkelten Fenster des Tourbus' auf die einer Zombiapokalypse anmutenden Szene. Es ist vier Uhr nachmittags und wir sind gerade in Chicago angekommen. Leider nicht unbemerkt. In den Augen der Band steht ein Hauch von Panik. „Lass es uns hinter uns bringen.", sagt Ben unmotiviert. Nach Wochen auf Tour sind auch sie müde.
Kaum sind sie vor dem Hotel ausgestiegen bricht die Hölle los. Sieben Mädchen fallen in Ohnmacht, BHs und Höschen werden geworfen und Gekreische im Ultraschallbereich ertönt aus hunderten Kehlen. Die Fangirls kämpfen sich durch die Masse, das iPhone 7 im Videomodus, Plakaten und einer Uniform aus Beast-Tshirt, Kappe, Tasche und Sticker. Mit ausgestreckten Händen recken sie sich in die Richtung der Band, als wären sie Zombies und sie das nächste Gehirn zum Fressen. Schöne Analogie, nicht?
Sarah und ich spielen unser Lieblingsspiel. Ich sehe was, was du nicht siehst. Crazy-Fan-Edition. Ich beginne:„Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist ein heulender Fan mit Beast-Kappe, Tshirt, Jacke, Tasche und einem Plakat, auf dem-" „ 'I love you more than food' draufsteht?", versucht es Sarah. „Nein, aber guter Versuch." „Hm... Ah! Ich habs, ‚Every beauty needs a beast'?", rät sie. „Richtig! Du hast einen Oreokeks gewonnen!" Oreokekse sind übrigens vegan.
Meine Favoriten dieses Mal sind
'I would sell my family for you <3'
'JAKE BANG ME LIKE YOUR DRUMS'
'MY LOVE FOR YOU IS LIKE DIARRHEA I JUST CAN'T HOLD IT IN'
'Mr. & Mrs. Saltz'
und Pappaufsteller der Band, die 3 Meter hoch sind. ‚On 23.03.2017 you touched my hand, Max! Do you remember?' fanden wir auch nicht schlecht.
Dick, der 52-jährige Busfahrer, bleibt extra ein wenig länger stehen, damit er teuflisch die Fangirls auslachen kann. Er sagt, das seien schöne Momente seiner Karriere, denn so sehe er Leute, die es zu noch weniger bringen werden als er, der laut eigener Aussage einen IQ von 87 hat und Teilzeit bei McDonalds als Klomann arbeitet. Dennoch scheint er sehr zufrieden mit seinem Leben zu sein. Auf der letzten Überfahrt hat er uns erzählt, dass er gerne reise und dabei Amerikas Autobahnen erkunde. Außerdem scheinen die Leute recht ordentlich Klogeld bei McDonalds zu geben, er hat drei hochbegabte Kinder und eine nette Frau namens Tasha (ehemalige Miss Conneticut), mit denen er in irgendeinem Vorort einer amerikanischen Stadt wohnt. Alles in allem ist sein Leben doch wirklich gut.
„Habt ihr genug, Mädels?", ruft Dick nach hinten. „Ja, wir können weiter.", gibt Sarah das Okay. „Ich verstehe das ganze Trara um die nicht. Ich sah viel besser als die aus, als ich jung war.", lacht Dick kopfschüttelnd. Jetzt hat Dick einen Weihnachtsmannbart, Halbglatze und ein Fass statt eines Sixpacks, aber auf den Bildern von früher, die er uns zeigt, sieht man einen typischen Quarterback Typ, der hauptberuflich Cheerleader nagelt und große Ähnlichkeit mit Brad Pitt hat.
Also biegen wir ab und suchen den Hintereingang, wo Dick Sarah und mich rauslässt. „Findest du es nicht auch einfach nur gruselig?", frage ich Sarah beim Aussteigen und erschaudere. „Was? Das 12-jährige Mädchen ohne nachzudenken Geld dafür ausgeben würden ihre Jungfräulichkeit an einen von denen zu geben?" „Ja, das auch." „Es ist total gruselig. Bestimmt ist sowas eigentlich eine Krankheit. Aber ohne die Süßen wäre dein Süßer jetzt nicht so reich.", wirft sie ein. Sarah ist so ein pragmatisch denkender Mensch. „Stimmt. Komm, lass uns reingehen."
„34, 35, 36... Oh, hey ihr beiden.", begrüßt uns Max, während er BHs sortiert. „Sarah, 15 neue BHs in B75, Interesse?", fragt Jake grinsend. „Immer her damit.", lacht sie. „Guten Tag, ich bin Ben von Beast. Spreche ich mit der Wohlfahrt in Chicago?.. ja... enorm viel Unterwäsche... Ach? Wie schade...", höre ich Ben im Nebenraum telefonieren. David twittert fleißig Promotionszeug und Nick malt Mandalas, es hilft ihm sich zu beruhigen, meint er. „Hey Schatz!", sagt er und legt sein Handy zur Seite, „Was war dein Lieblingsplakat heute?" „I would sell my family for you, glaube ich." „Schlechte Nachrichten, Jungs, die Wohlfahrt nimmt die Unterhosen nicht.", seufzt Ben, als er wieder reinkommt. „Das ist auch echt unhygienisch.", wirft Jake ein. „Stimmt. Lass sie uns einfach wegschmeißen.", sagt Max. „Aber da waren welche von Armani dabei.", sagt Sarah erschrocken. „Sarah, du willst keine getragene Unterhose tragen.", sage ich fest. „Okay.", seufzt sie einsichtig. „Aber die BHs nehmen sie.", ergänzt Ben. „Toll, wieder was Gutes getan und die Welt gerettet.", lächelt Nick zufrieden und klatscht in die Hände. „Hast du dich entschieden, Sarah?", hakt Ben nach. Sie schaut erschrocken hoch: „Wieviele darf ich haben?"
Es ist ein entspannter restlicher Tag, wir bestellen uns Pizza, reden über unnötige Sachen und schauen Filme. „Ja, natürlich finde ich Fangirls gruselig!", gesteht Ben. „Dein Ernst? Du findest süße, willige Mädels gruselig?", lacht Jake. „Jake, die sind durchschnittlich 14!", sagt David fassungslos. „Ich meine natürlich die ab 18.", korrigiert er sich. „Jake, hast du schon mal die Fanfictions über Ben und mich gelesen? Das ist nicht süß, das ist gruselig. Inzest, Dominas und Fesseln und Entführungen.", erklärt Nick ernst. „Okay, sorry Jungs. Bei euch ist das ein Sonderfall." „Ein sehr gruseliger Sonderfall.", bringe ich geschockt hervor. „Glaubst du es gibt keine Geschichten über dich?", lacht Ben. „Wie bitte?" „Naja, in Amerika weiß zwar niemand, wie du aussiehst, oder wie genau du heißt, aber es gibt zahlreiche Fangirls, die Geschichten über Davids große Liebe schreiben.", sagt Ben. „Das ist richtig gruselig.", sagt Sarah und die Pizza bleibt mir im Hals stecken. „Manche Leute haben einfach zu viel Zeit. Mach dir doch darüber keine Sorgen.", lacht David und legt mir tröstend den Arm um die Schultern.
Ich mache mir trotzdem Sorgen und als ich mich nachts in die Tiefen des Internets begebe, finde ich allerlei kranke Sachen. Mädels, die schreiben, dass David nur ihnen gehöre und jeden, der sich ihnen in den Weg stellt umbringen und zerhacken werden. Geschichten darüber, dass die ganze Band eigentlich schwul und zusammen ist. Eine Exfreundin Davids, die behauptet, die ganzen Liebeslieder wären nur für sie. All diese Sachen. Und es ist gruselig und komisch. Es macht mich krank solche Geschichten zu lesen und es lässt mich vor Ekel erzittern, dass jemand sich vorstellt, dass mein Freund ihn in einem Keller vergewaltigt und sich schließlich in sie verliebt. Das alles ist eine Nummer zu groß. Wie soll ich bloß mit so etwas umgehen? „Jolie?", jemand tippt mir sanft auf die Schulter und ich zucke zusammen.
„Oh, hi David." Er nimmt mir mein Handy aus der Hand und schaltet es aus. „Komm ins Bett." „Ich-David, das was diese Mädels schreiben-" „Ist gruselig. Ich weiß. Aber es ist nicht wahr. Und solange das alles in ihrer Fantasie bleibt, ist das kein Problem. Jolie, ich weiß, dass du früher in Robbie Williams verliebt warst. Bestimmt hast du dir auch merkwürdige Sachen vorgestellt. Diese Mädels meinen so etwas doch nicht ernst. Kommst du? Es ist spät." „Okay. Es ist nur so schwer, so was zu ignorieren.", sage ich leise. „Ich weiß. Aber du lernst damit umzugehen. Mir fiel es auch schwer, nicht zu lesen, was Leute über mich schreiben, aber du wirst sehen, die Meinung dieser Mädels ändert nichts an dir. Sie sind egal. Also nicht für den Verkauf von Beast CDs, aber für unsere Beziehung. Die einzige Meinung, die etwas zählt, ist meine.", grinst er. „Du Macho." „Ab ins Bett, Frau.", lacht er. Und dann gehen wir ins Bett.
Aber natürlich, ist die einzige Meinung, die etwas zählt, ist meine. Was bildet sich dieser Idiot bloß ein?
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Die meisten Perlen, dieser Fanplakate, habe ich bei Google Bilder unter "one direction signs" oder "crazy concert signs" gefunden und abgewandelt übernommen. :)
Ein richtiger Autor recherchiert.
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Love Songs For Me
HumorLiebeslieder? Hört man doch jeden Tag. Aber was würdest du tun, wenn du im Radio plötzlich ein Lied über dich hören würdest? Dieser Frage muss Joëlle sich stellen, als ihr Exfreund David, ein Austauschschüler aus Amerika, ihr Jahre später ein Li...