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Ai stemmte die Hände an die Hüften und betrachtete den Stapel Bücher auf ihrem Arbeitstisch. Warum zum Teufel musste sie Bücher lesen, wenn es doch eine praktische Prüfung war?
Ihr Blick wanderte zur Uhr. In einer Stunde würde er zurückkehren. Augenblicklich wanderte ihre Hand zur Brust und schloss die Augen. Verrückt. Es war einfach verrückt. Leicht lächelnd musste sie erkennen, dass ihr Herz sich schon jetzt nach ihm sehnte.
Eine Stunde...
„Es kommt mir vor wie ein ganzer Tag..."
Sie rückte den Stuhl etwas zurück und setzte sich hin, während sie sich ein Buch schnappte und die erste Seite aufschlug. Doch nach kurzer Zeit musste sie erkennen, dass sie alles was da drin stand bereits mit William durchgenommen hatte. Stirnrunzelnd schlug sie das Buch zu und betrachtete den Umschlag.  
Lehrbuch für das zweite Semester  

„Das zweite Semester?" murmelte sie. „Warum zum Teufel hat William es so eilig meine Ausbildung im Schnelldurchlauf zu beenden? Herrje, das Jahr ist bald zu Ende" murmelte sie und sah etwas betrübt herab. Inzwischen war es zur Gewohnheit geworden, jeden Morgen früh aufzustehen und einer etwas besonderen Aufgabe nachzugehen, nämlich über die Seelen der Menschen zu wachen.
Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie es im Frühling war. Jeden Morgen den langen Weg zum verlassenen Bahnhof laufen und bis zur nächsten Stadt fahren. Und jeden Abend die gleiche Prozedur. Wenn sie zuhause ankam war sie immer wahnsinnig müde gewesen um noch Hausaufgaben zu machen, aber nichts desto trotz erledigte sie ihre Pflichten, auch wenn Schlussendlich keine Zeit mehr für sie übrig blieb.
„Über die ganzen Schulhefte und Bücher bin ich eingeschlafen, nur um am nächsten Morgen wieder zu hetzen. Und die ersten Tage hier in der Dispatch waren auch nicht gerade sehr angenehm. William musste mich immer aus dem Bett schmeissen. Er war so kalt zu mir, so streng, ohne Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen."
Sie legte das Buch beiseite, als sie erkannte, dass sie das alles, was darin stand nun wirklich wusste.
„Und jetzt...jetzt ist er so liebevoll zu mir, so zärtlich und sanft. Ich hatte nicht gewusst, dass er so sein kann. Ich dachte immer, William wäre ein Gefühlsloser Eisblock, dessen Lebensinhalt nur daraus besteht zu arbeiten. Aber das stimmt gar nicht..."
Sie wollte gerade das nächste Buch ergreifen, als es sachte an der Türe klopfte. Sie wendete ihren Kopf zur Seite. „Nanu?"
Die Klinke ging herab und im nächsten Moment lugte Kaori ins Zimmer. Mit einem Grinsen auf den Lippen betrat sie Zimmer 333.
„Huhuu! Da bist du ja, ich habe dich schon überall gesucht."
Ai blinzelte erst einmal verblüfft. „Ka...Kaori, was machst du denn hier? Wenn Senpai dich hier entdeckt, dann bist du geliefert"
Das Mädchen mit den rosaroten Haaren schloss die Türe und wuselte grinsend zu ihr rüber. „Hihii, darum mache ich mir keine Sorgen, der befindet sich doch auf der Konferenz. Hmm, weisst du denn nicht, warum ich hier bin?" fragte sie geheimnisvoll, nahm ein Stuhl und setzte sich neben sie. Mit abgestütztem Kopf und erwartungsvollem Blick sah sie sie an.
„Na komm erzähl schon, ich bin ganz aufgeregt...wie war es denn? Hat es weh getan? Oder hast du es gar nicht gespürt? War er sanft zu dir?"
Augenblicklich schloss Ai ihre Augen und lächelte sanft. Darum ging es also.
„Es war wunderschön."
Sofort leuchteten Kaoris Augen auf.
„Aber ich habe Bedenken..." murmelte Ai und sah sie wieder an, was Kaori leicht verwirrt blinzeln liess. „Bedenken? Aber warum denn?"
Ai lehnte sich zurück und blickte ins Leere. „William und ich sind jetzt zusammen und..."
Kaori riss ihre Augen auf und öffnete den Mund. „Was?! Ehrlich jetzt?!"
Sie packte Ai an den Schultern und drehte sich ruckartig zu sich. „Warum erzählst du mir das nicht gleich, Ai? Wir haben alle auf diesen Moment gewartet. Warum also Bedenken?"

Angestrengt versuchte William dem Direktor zuzuhören. Es waren genau 8 Shinigami anwesend. Auserwählte Gruppenleiter des nächsten Projekts. Alle schienen darauf fixiert zu sein, den Worten zu folgen, aber seine Gedanken schweiften immer wieder ab.
„Wie konnte mir das nur passieren?" dachte er und senkte den Blick. „Ich wusste nicht, dass dieses Gefühl so intensiv sein kann. Ich habe es vollkommen unterschätzt. Obwohl ich weiss, dass nichts passiert ist...es war so als würde ich ein Versprechen brechen, als ich ihr sagte, ich würde mich rechtzeitig aus ihr..." Er ballte die rechte Hand zur Faust und biss die Zähne kräftig zusammen.
„Mr. Spears hören Sie mir überhaupt zu?"
William erschrak sich innerlich und sah im nächsten Moment den Direktor vor ihm. Er räusperte sich leise und richtete seine Brille.
„Ja...selbstverständlich."
War denn bloss in ihm gefahren?!
Es war doch alles In Ordnung?
Oder etwa nicht?
In seinen Gedanken existierte nur ihr Gesicht, ihr sanftes Lächeln, ihr sanfter Blick, diese Augen, die nun schon manch Böses gesehen hatten und doch regelrecht leuchteten, wenn sie ihn erblickte.
Irgendetwas hatte sich in ihrem Blick verändert. Ai wirkte auf ihn nicht mehr wie ein kleines schüchternes Mädchen. Mit jedem Ereignis schien sie zu wachsen. Bald würde sie über sich hinausgewachsen sein und dennoch ihren liebevollen Charakter behalten.
William setzte sich etwas aufrechter, doch mit jeder Bewegung spannten sich die Narben auf seinem Rücken.
Die Narben die aus dem Liebesspiel entstanden, waren für ihn jedoch wie eine Bestätigung dafür, dass jeder Schritt, den er gemacht hatte, richtig war.
Doch hatte er Ai glücklich gemacht?
Warum beschäftigte es ihn so sehr? Warum konnte er sich damit nicht zufrieden geben, dass es wunderschön war?
„Ich muss sie unbedingt darauf ansprechen."

Ronald stand angelehnt neben der Konferenztüre und sah auf die Uhr. Stark schnaubend richtete er sich die Brille. „Ich wäre ja nicht gerne Abteilungsleiter, wenn eine Konferenz so lange geht. Und Direktor erst recht nicht, wenn er vorne stehen muss und irgendetwas labert."
Er erschrak sich auf einmal, als die Türe sich endlich öffnete und einige, ihm unbekannte, Shinigami den Saal verliessen.
„Na also, geht doch..."
Gerade als William aus dem Zimmer trat stellte er sich genau vor ihm.
„Seeeeeenpaiiiii...." grinste er und zwinkerte, ganz zu Williams Übel. Genervt erschien eine Ader auf seiner Schläfe. „Was machen Sie hier Knox?! Sollten Sie nicht in London sein um die Seelen einzusammeln?"
Ronald vergrub seine Hände in die Hosentaschen und lächelte. „Grell-Senpai erledigt das schon mit Eric, ich habe etwas Wichtigeres zu tun."
William ging an ihm vorbei Richtung Personalabteilung. „Und was ist Wichtiger als die Ehre der Shinigami aufrecht zu erhalten?"
Ronalds Mundwinkeln senkten sich wieder. „Sie meinen wohl eher, Arbeiten bis zum Umfallen, nein nein, nicht mit mir."
Ronald folgte ihm auf Schritt und Tritt.
„Und...wie war die letzte Nacht?"
William holte tief Luft und atmete aus. „Das geht Sie nichts an!"
„Ich habe ein Recht darauf es zu wissen."
„Seit wann bitteschön?!" rief William wütend und funkelte ihn an. Diese kleine Kakerlake ging ihm extrem auf die Nerven. Was behauptete er denn da für ein Mist?
„Nun ja, ich habe Ihnen einige Tipps gegeben, was Frauen anbelangt und als kleiner Verdienst dafür..." er grinste vor sich hin und blickte wieder zu ihm hinauf. „...nun ja."
William runzelte die Stirne. „Sie haben es vor Anfang an geplant, habe ich Recht?"
Der schwarz-blonde Shinigami hob die Augenbrauen. „Sie haben einen guten Durchblick, Senpai" sagte er leise und zwinkerte.
William schnaubte. „Ihre Anwesenheit widert mich gerade an, Knox."
„Sie haben Ai sehr glücklich gemacht, Senpai, das ist Tatsache. Aber haben Sie Ai nun besser kennengelernt?"
Der Shinigami schwieg. Sein Gesicht war völlig emotionslos und kühl.
„Seine Beherrschung ist einfach fabelhaft" dachte Ronald und lächelte mit stechendem Blick. „Sagen Sie, Senpai, wann wollen Sie Ai besser kennenlernen? Sie wissen doch nichts über sie?"
William umklammerte seine Akten fester. „Ich weiss sehr wohl viel über sie" zischte er. „Ausserdem habe ich vor..."
Er verstummte.
„Ja? Was haben Sie vor?" hackte Ronald nach und betrachtete seine Fingernägel. „Na kommen Sie, sagen Sie schon..."
„Warum erzähle ich Ihnen denn so etwas..." murmelte der Aufsichtsbeamte und legte an Tempo zu, aber Ronald folgte ihm mühelos.
Sein Blick liess ihn vor Wut erschaudern.
„Senpai..." begann sein ehemaliger Schützling nach einer Weile wieder.
„Sie haben doch nicht etwa vor..." Ronalds Augen weiteten sich. „Warum so eilig?"


„Ich habe Angst, dass die anderen Shinigami dahinter kommen, verstehst du das? Was, wenn der Direktor von dieser geheimen Beziehung erfährt? Oder noch schlimmer...Alice Stuart. Ich habe das Gefühl, sie hat es vollkommen auf ihn abgesehen."
Kaori schüttelte heftig den Kopf. „Diese Frau wird niemals siegen, Ai. Sie ist nur eifersüchtig und du weisst, dass Eifersucht jemanden sehr verändern kann, aber wir werden das nicht zulassen, du kannst dich ganz auf uns verlassen..." Kaori nahm ihre Hände und schloss sie fest in seine. „Wir haben dich doch alle sehr gern."
Jetzt sah Ai auf, in ihren Augen glitzerten Tränen und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Dafür bin ich euch sehr Dankbar, aber begebt euch nicht in Gefahr. Riskiert bitte nichts für diese Liebe, ich glaube es ist eher ein Kampf, den William und ich selber fechten müssen."
Wieder schüttelte Kaori heftig ihren Kopf. „Lass den Unsinn! Wir werden euch nicht im Stich lassen."
Sie drückte das weisshaarige Mädchen an sich, was Ai überrascht die Augen weiten liess. „Für uns bist du wie eine kleine Schwester und für William ein wahr gewordener Traum, ein Engel der Licht in sein Leben bringt. Er liebt dich so sehr, Ai..."
Das Mädchen schloss die Augen. „Ja, das habe ich letzte Nacht gespürt" murmelte sie, was Kaori wieder lächeln liess. „Willst du mir immer noch nicht erzählen, wie es war?"
Jetzt musste Ai leise lachen. Sie hatte noch nie eine beste Freundin gehabt, aber sie hörte immer wieder von anderen, dass man der besten Freundin alles anvertrauen kann. Und Kaori, das wusste sie, konnte Geheimnisse hüten.
„Kaori..." begann sie und ihre Wangen färbten sich rot. „Hast du es schon mal getan?"
Das Mädchen mit den rosaroten Haaren blinzelte verwundert. „Wie kommst du denn darauf? Ähm...nein, natürlich nicht..."
Ai sah sie an. „A...Achso, weisst du, ich habe sehr wenig Erfahrung in dem, dennoch ich hätte da eine etwas peinliche Frage?"

„Sie müssen den Grund nicht wissen" blockte William ab und bog nach links. Ronald folgte ihm. „Also jetzt ganz...oder halb?"
„Fürs erste reicht es, wenn ich das Band zwischen Ai und mir halte."
„Aber was, wenn das Band reisst? Wenn ich Sie wäre, würde ich gleich ganz, damit euch auch wirklich niemand trennen kann."
William stieg die Treppen herab. „Ich werde nicht zulassen, dass es soweit kommt. Ausserdem habe ich gerade grossen Respekt vor meinen eigenen Gefühlen" sprach er und seine Gedanken schweiften ungewollt wieder zur letzen Nacht.
Ein Gefühl, dass er nicht unter Kontrolle hatte...vor dem er sich, seit letzte Nacht, niederkniete...
„Wenn Sie es so wollen, dann sollten sie schnell machen" meldete sich Ronald wieder zu Wort.
„Das ist das Problem. Ich möchte, dass es schnell geschlossen wird, aber ich will nicht, dass es zu schnell passiert, verstehen Sie? Es wäre auch ihr Gegenüber unfair, aber ich denke sie wird nichts dagegen haben, wenn ich mich fürs erste auf das Provisorische einlassen werde."
Ronald musste lachen. „Senpai, Sie achten sehr auf ihre Wortwahl. Die anderen hier..." Er sah sich um. „...haben keine Ahnung von was Sie da eigentlich reden...aber, ich weiss was Sie meinen. Ein Vorschlag, wie wäre es, wenn Undertaker..."
„Er hat nicht die Befugnis dazu" unterbrach ihn William schnell und wusste, dass er recht behielt.
„Stimmt, schon blöd" murmelte Ronald vor sich hin und überlegte. Aber ihm kam kein anderer Shinigami in den Sinn.
„Sie haben es nicht leicht, Senpai" sagte er plötzlich, was dazu führte, dass William stocksteif stehen blieb und geradeaus blickte.
Hatte er da etwa...Mitleid gehört?
Mitleid aus seiner Stimme?
Er presste die Lippen zusammen. „Das ist das letzte was ich hören möchte" dachte er. „Mitleid ist was für Schwache."
Er schloss die Augen. „Vielleicht kann Undertaker das nicht tun, aber er kann mir das nötigste besorgen, damit ich das Band aufrecht halten kann" sprach er. Ronald lächelte. „Nächste Woche ist Weihnachten, Senpai. Eine gute Gelegenheit, finde ich."
Ja. Er hatte Recht. Das sah auch William.
„Ich werde mich gleich auf dem Weg zu ihm machen."  

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt