Dangerous mission

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„Also wirklich, dass wir so unfähige Arbeiter in der Verwaltung haben ist wirklich ärgerlich, der Personalmangel setzt mir an den Kragen, das ist ja nicht zum Aushalten" ärgerte sich der junge Aufsichtsbeamte und legte die Dokumente auf seinen Schreibtisch. Gleich darauf zog er sich das Jackett ab und lockerte die Krawatte um nach Luft zu schnappen.
Ai, die daneben stand sah ihn besorgt an. Seit Tagen schon war William gestresst und hatte kaum Zeit für sie gehabt. Abends war er der erste der einschlief und morgens der erste, der arbeitete. Seine Überstunden häuften sich immer mehr an, die Liste war praktisch voll, während sie von den Überstunden verschont blieb.
William liess sich auf seinen Bürostuhl sinken und schloss die Augen. Seine Brust hob und senkte sich langsam. Er sah so erschöpft aus, was ihr unglaublich weh tat.
Eine Weile betrachtete sie ihn. Sein Gesichtsausdruck war alles andere als friedlich und sie konnte praktisch seinen schnellen Herzschlag fühlen. Mit leisen Schritten näherte sie sich ihrem Meister und strich ihm über die Wange.
William, der ihre warme Hand spürte, öffnete die Augen einen Spalt breit und konnte geradeswegs in ihr Gesicht blicken.
Besorgnis und Furcht konnte er darin lesen. Schnell nahm er ihre Hand in seine und zog sie auf seinen Schoss.
„Wie lange habe ich diese Hand schon nicht mehr gehalten?" fragte er leise und seufzte. „Wie lange habe ich diese Lippen nicht mehr geküsst..."
Seine Finger strichen sanft über ihren Mund.
„Sag es mir..."
Ai legte einen Arm um seine Schultern und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Zwei Tage" flüsterte sie ihm schliesslich ins Ohr.
„Zwei Tage? So lange?" fragte er reumütig und streichelte sie an der Taille.
„Haben wir uns seit zwei Tagen keine gegenseitige Wärme oder Liebe gegeben?"
Ai schüttelte den Kopf. „Ich habe vorsichtshalber in meinem Zimmer geschlafen, du hattest deine Ruhe gebraucht...die brauchst sie immer noch, William..."
„Was ich brauche, bist du!" unterbrach er sie mit festem Ton und drückte sie an sich. Das Mädchen blickte ihn zuerst verwirrt an, bevor sie lächelte und sich an ihm schmiegte.
„Ich vermisse dich" sprach sie sehnsuchtsvoll und atmete tief ein, nahm seinen wunderbaren Duft in sich auf, was ihr beinahe zu Kopf stieg. William spürte ihre Finger an seiner Brust, die vorsichtig zwei seiner Knöpfe öffneten und gleich darauf ihre Hand unters Hemd verschwinden liess. Zärtlich streichelte sie seine Brust und hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt.
„Meinst du, ich nicht?" fragte er und genoss ihre Berührungen. „Komm bitte heute Nacht wieder zu mir, ich will dich bei mir haben."
Schlagartig färbten sich ihre Wangen rot. „Bist du dir sicher? Kannst du schlafen, wenn ich bei dir bin?"
„Sogar viel besser" meinte er und begann sie zärtlich zu küssen. Was würde er alles geben für ein paar süsse Stunden mit ihr, aber leider stand zu viel auf dem Terminplan und es wurden immer mehr. Der Zeitdruck stand ihm bis zum Hals.
„Ai" begann er, löste sich vom Kuss und nahm ihre Hand, die zuvor einen dritten Knopf geöffnet hatte, in seine. „Nicht jetzt, ich habe noch so viel zu tun" flüsterte er, was sie etwas betrübt herabsehen liess. Sofort schlang er seine Arme um ihren Körper.
„Mach nicht so ein Gesicht, sonst habe ich schlechtes Gewissen. Ausserdem brauche ich dich heute Abend wieder einsatzbereit."
Jetzt sah Ai zu ihm auf. „Was...wie meinst du das?" fragte sie leise und ein ungewöhnlicher Schatten lag auf ihren violetten Augen. Sein Gesichtsausdruck wurde deutlich ernster, wenn nicht bedrohlicher.
„Mit dieser Persönlichkeit ist nicht zu spassen" sprach er auf einmal und köpfte sein Hemd wieder zu. „Ich frage mich allerdings schon, warum er ausgerechnet von Indien nach England kommt, wo er doch ein Rebell der englischen Krone ist."
Er sprach mehr zu sich selber als zu ihr, das bemerkte auch Ai. Ihr Herz hatte angefangen aufgeregt zu pochen. William sah ihr wieder in die Augen und flüsterte: „Mach dich bereit für eine neue Mission."


„Bist du dir sicher, dass wir Sebastian und Ciel nicht brauchen werden?" fragte Ai leise, während sie über die Dächer Londons hinwegsah. Bei der Erwähnung beider Namen, zuckte William zusammen. „Garantiert nicht! Wo wären wir Shinigami, würden wir die Hilfe von Menschen und Dämonen annehmen?"
Abscheu schwang in seiner leicht arroganten Stimme, was Ai leicht lächeln liess. Ihr Meister kniete sich nieder und holte den Feldstecher hervor. Es war eine kalte, bewölkte und vor allem Mondlose Nacht. Ihre Uhr zeigte Punkt 23:00.
Ais Sinne waren hellwach. Sie überhörte kein einziges Geräusch, kein Geruch entkam ihrer Nase, nichts konnte vor ihrem Blick fliehen. Es war so als würde die Zeit stehen bleiben. Diese verschiedenen Gerüche, unendlich viele...diese Geräusche, obwohl es einem still zu sein schien. Sie schloss die Augen und holte ganz tief Luft.
Moment mal...war da nicht etwas?
Sie schnupperte. Tatsächlich...Ingwer, Kardamon, Safran, Garam Masala, Tamarinde...es waren hunderte von indischen Gerüchen.
Gewürze.
„William!" rief sie, kniete sich nieder und packte ihn an der Schulter. Irritiert blickte er sie an. „Hast du ihn?"
„Ich denke schon, ja...komm mit!"
Ehe er auch nur ein Wort sagen konnte, war Ai schon verschwunden. William stand auf und sein Blick verfolgte sie, als sie von Dach zu Dach sprang, mit einer Geschwindigkeit, die das Dreifache betrug als bei den anfänglichen Übungen. Ein kleines, unscheinbares, aber zufriedenes Lächeln legte sich auf seinen Lippen.
„Zweifellos..." dachte er und sprang ihr nach
„...Zweifellos eine Shinigami."

Ai sog den Duft tief ein. Ja, genau hier war der Geruch am stärksten. Sie landete auf den Boden und schlich sich an das Fenster des kleinen, etwas heruntergekommenen Häuschens an. Alt und brüchig, wie alle Häuser im East End.
„Da haben wir ihn ja."
Ai erschrak sich fürchterlich, als sie auf einmal die Stimme ihres Meisters an ihrem Oh hörte.
„Pssssst!" machte er plötzlich und nickte zum Spalt des Fensters.

„Meister, das ist eine Falle! Ihr werdet drauf gehen!"
Der Mann, in der typisch weissen, indischen Tracht, bewaffnet mit einem Säbel, blieb ganz ruhig und hörte seinem Schützling zu, bis er plötzlich die Hand leicht hob.
„Bleibe ruhig, Ivran. Ich schliesse nicht aus, dass dies eine Falle sein könnte, aber wir haben keine andere Wahl. Wenn mir irgendetwas geschehen sollte, dann wirst du mein Nachfolger sein."
Der Jüngling starrte seinen Meister an. Er? Der Nachfolger der indischen Rebellion?
„Meister, ich bin noch nicht soweit..."
„Doch, dass bist du. Ich weiss es ganz genau. Ivran, du besitzt ein gutes Herz. Du musst weiter für die Freiheit Indiens kämpfen, wir können nicht zulassen, dass die englischen Kolonien weiterhin die Hand über uns halten. Diese Schreckensherrschaft muss beendet werden. Also, wir bleiben beim Plan, Änderungen werden nicht mehr vorgenommen. Sobald ich nicht mehr atme, übernimmst du die Führung. Achte darauf, dass deine Kämpfer heil aus der Sache rauskommen werden."

„Also darum geht es" murmelte William. „Dieser Mann ist Karan Prajapati, der Anführer der indischen Rebellen. Diese Kolonien reissen alles und jeden an sich. Geschmacklos!" zischte er und nahm Karans Akte hervor.
„Ein Freiheitskämpfer also. Und es sieht so aus, als wüsste er, dass er sterben würde. Wahrscheinlich wusste er es schon seit der Ankunft hier in England" sprach Ai und warf einen Blick auf das Dokument.
„Gift" hörte sie William auf einmal sagen. „Er stirbt durch ein Tödliches Gift, mehr Informationen haben wir nicht."
Er richtete sich die Brille. „Der Tatort befindet sich im königlichen Palast, und zwar auf einer Abendgesellschaft, bei dem Karan zum ersten Mal als Diplomat eingeladen wird."
Ai schüttelte den Kopf. „Warum nur..."
„Bleib gelassen, Ai. Gefühle sind bei unserer Arbeit hinderlich. Und nun komm, verschwinden wir. Wir haben genug Informationen"

„Was war das?" rief Ivran, worauf auch Karan inne hielt und sich zum aufgeschlagenen Fenster drehte. Kalter Wind blies in den leeren Raum und der Schnee wirbelte in die Stube.
Sofort rannte Karan zur Türe und schlug diese auf. Eisige Kälte umfasste seinen Körper. Er sah sich hecktisch um, aber keiner war zu sehen.
„Der Verstand muss mir einen Streich gespielt haben" dachte er und sah in den Himmel.


In der Dispatch angekommen, lief William so energisch durch den Korridor des fünften Stocks, dass Ai kaum mithalten konnte. Sie war schrecklich müde und ihre Uhr zeigte 23:30.
„Dieser Todeskandidat ist ein ernster Fall, er wurde schon mal vom Jenseits verschont. Doch diesmal dürfen wir ihn nicht am Leben lassen, haben Sie das verstanden, Miss Nakamura?"
William drehte sich abrupt zu ihr um, was dazu führte, dass Ai stehen blieb. Sie nickte heftig und sah ihn mit grossen Augen an. Ihre Hand lag auf dem Bauch und sie verzog kurz das Gesicht.
„Ist was?" fragte er besorgt und runzelte die Stirne.
Ai holte kurz Luft und schloss ihre Augen. „Nein...nein, alles In Ordnung, ich habe nur ein wenig Bauchschmerzen...seit Tagen kommen sie in unregelmässigen Abständen, Ausserdem fühle ich mich schlapp..."
William richtete sich die Brille. Sein Blick war sehr besorgt.
„Vielleicht sollten Sie sich einen Tag frei nehmen um sich richtig auszuruhen. Es täte Ihnen gut."
Wie monoton er auch klang.
Wie einfach seine Worte waren.
In Wirklichkeit war seine Sorge hundert Mal grösser. Ai sah schon seit Tagen etwas blass aus. Der Stress setzt ihr zu und zu allem Übel war sie für die nächsten sechs Tage im Büro eingeschrieben. Sie musste arbeiten.
„Ich werde nachsehen ob ich Ihren freien Tag auf morgen verlegen kann. Mir ist es wichtig, dass Sie ausgeruht auf der Arbeit erscheinen, Miss Nakamura..."
Er sah kurz auf seine Armbanduhr.
„Ich muss noch ganz kurz in mein Büro, wenn Sie wollen, können Sie sich schon schlafen legen. Ich werde in etwa 15 Minuten auch zuhause sein."
Schnell schritt Ai an seine Seite und sah zu ihm. „Wann haben wir morgen Dienst?"
„Nichts da...Sie arbeiten morgen nicht, ich werde mich um alles kümmern."
Rasch nahm er die Schlüsseln hervor, als sie bei Zimmer 333 ankamen.
Ai war ein wenig überrumpelt von seinen Worten. Ihre blassen Wangen nahmen einen leicht rötlichen Farbton an.
„Aber Sie werden morgen arbeiten..."
„Ich werde versuchen meinen freien Tag auch zu verlegen, damit Sie nicht alleine sind. Und nun will ich Sie nicht länger aufhalten. Legen Sie sich schnell hin."
Kurz senkte Ai ihren Blick und lächelte verlegen. Ihr war wirklich schlecht. So als müsse sie sich im nächsten Moment übergeben.
„In Ordnung, dann werde ich gehen."
Ihre sanfte Stimme liess den jungen Shinigami zu ihr Blicken. Wieder sah er dieses Lächeln, das ihn seit der zweiten Begegnung verfolgte und ihm das Herz geöffnet hatte. Wie gerne würde er sie jetzt küssen...
„Ich werde gleich wieder bei dir sein..." flüsterte er. Ihre Wangen färbten sich rot und ihr Lächeln wurde etwas breiter, trotz den Schmerzen.
Was sagte Kaori immer, wenn sie dieses Gesicht sah?
Süss...
Schnell schüttelte er den Gedanken ab und fixierte seinen Blick auf die Türe. „Dann, bis gleich..."
„Bis gleich..."
Es war nur ein Flüstern, dann wandte sie sich ab. Er drehte seinen Kopf zur Seite und sah ihr nach. Kopfschüttelnd schloss er die Türe auf und verwand in sein Büro.

„Was würde morgen bloss anstehen?" dachte Ai auf dem Weg zurück ins Apartment. „Der ganze Zeitplan verschiebt sich, wegen des neuen Falls. Ich hoffe nur, dass William noch genug Zeit findet für sein Seminar."
Ein Stechen und Ziehen breitete sich aus und sie sog die Luft kurz ein. Wie lange hatte sie diese Schmerzen schon.
Stimmte etwas nicht?
Sie seufzte und ihr Herz wurde auf einmal schwer. Wohlmöglich war es wirklich der Stress.
Obwohl Undertaker ihr gesagt hatte, dass William immer Zeit für sie hätte, zweifelte sie auf einmal an seinen Worten. Sie hatte doch nur zu deutliche gesehen wie viel Arbeit noch auf ihren Verlobten wartete.
„Er hat so viel zu tun. Ich möchte ihm so gerne einige Arbeiten abnehmen, aber es ist nicht möglich. Ich stehe immer noch am Anfang meiner Ausbildung..."
Sie wollte gerade um sie Ecke biegen, als sich plötzlich eine kräftige Hand um ihren Arm schloss. Sie erschrak sich so heftig und wollte laut aufschreien, aber eine andere Hand legte sich fest um ihren Mund.
„Wa...was geht hier vor...Was zum..."
Schneller als sie sehen konnte, wurde sie in einen dunklen Raum gezogen. Tränen jagten ihr in die Augen und ein altbekannter Duft stieg ihr in die Nase.
Sie spürte deutlich einen Körper, der sie gegen die Wand presste. Ein weiblicher Körper...
Auf einmal wurden ihre Augen von einem Licht geblendet und sie konnte geradeswegs in Alice Gesicht blicken.
„Habe ich dich also endlich gefunden...Ai Nakamura" zischte sie und grinste hinterhältig...  

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt