White wings

486 27 12
                                    

Von einem goldenen Schlaf konnte Ciel Phantomhive nur noch träumen. Er hörte das Gezwitscher der Vögel und fühlte den warmen Sonnenstrahl, der ihn mit neuer Kraft erfüllte. Mit offenen Augen lag er da, während Sebastian die Vorhänge noch etwas weiter öffnete. „Guten Morgen, junger Herr" erklang seine tiefe Stimme. Eine Stimme, die Ciel schon immer bewundert hatte. Er richtete sich auf. Sein Butler lächelte auf ihn herab. Es war kein aufgesetztes Lächeln, wie immer. Es war...Ciel konnte es sich selber nicht erklären. Der sechzehn-jährige streckte sich ausgeblichen, während Sebastian ihm den Tee in die Tasse schüttete. „Hier...bitte. Heute steht ein Besuch bei Undertaker an, junger Herr, seid Ihr in der Lage dazu?" Ciel sah etwas wütend zu ihm auf. „Warum sollte ich das nicht sein?"
„Ihr seht etwas blass aus."
„Mir geht es gut. Hilf mir in meine Kleider rein. Den Besuch werde ich nicht absagen, er ist sehr wichtig."

„Hey, Meylene, was ist denn los mit dir?" Finnian entging nicht, wie betrübt das Hausmädchen war, die nicht einmal ihr Frühstück beachtete. „Naja, heute vor einer Woche verliess Ai uns. Ich kann nicht glauben, dass der junge Herr sie einfach rausgeschmissen hat. Hat sie denn etwas Falschen getan?" Meylene schob ihren Teller von sich. „Es ist so anders ohne sie."
„Und was willst du dagegen machen?" fragte Bardroy. „Dem Befehl des jungen Herrn Widerstand zu leisten bedeutet den Kopf zu verlieren. Vielleicht hatte Ai ja auch keine andere Wahl gehabt."
„Ja, aber wo befindet sie sich jetzt?" Das Hausmädchen nahm ihre Brille ab. „Wisst ihr, ich glaube hinter Ai verbirgt sich mehr als wir denken. Sie hat uns nichts von sich selber erzählt. Sie half uns nur wo sie konnte. Und aus Sebastian kriegen wir auch nicht viel heraus."
„Vergiss Sebastian" knurrte Bardroy. Sachte berührte Finnian ihre Schulter. „Vielleicht sehen wir sie ja bald wieder. Wer weiss." Aber der Versuch sie aufzumuntern funktionierte nicht.

Nach dem Frühstück begab sich der junge Phantomhive mit seinem Butler auf dem Weg zu Undertaker. In der Kutsche herrschte Schweigen. Ciel sah aus dem Fenster und sein Gesicht verriet keine einzige Emotion, obwohl es in ihm brodelte wie ein Kochtopf. Das entging dem Butler natürlich keineswegs. Seit einer Woche, seit er Ai aus seinem Anwesen verbannt hatte, redete er kaum ein Wort mit ihm. Nur wenn es wirklich nötig war. Seine Reaktion, als Ai von William mitgenommen wurde, hatte den jungen Herrn sehr verletzt. Sebastian konnte es ihm nicht übel nehmen, dennoch er verstand Ciels Gefühle nicht. Im Allgemeinen verstand er die Emotionen der Menschen nicht. „Was auch geschehen mag, ich werde immer an der Seite meines jungen Herrn bleiben" dachte er und lächelte. Das wusste Ciel selber und dennoch konnte er es nicht ertragen wenn Sebastian seine volle Aufmerksamkeit jemand anderem schenkte.
Die Kutsche hielt an und Sebastian half seinem jungen Herrn beim Aussteigen. Wortlos betrat der junge Earl Undertakers Laden.
„Undertaker, bist du da?"
Sie hörten ein leises kichern, ehe sich der Sargdeckel öffnete und der grauhaarige Bestatter herauskroch. „Ich habe Euch bereits erwartet, Earl Phantomhive" sprach er und klopfte sich den Staub von seiner Arbeitskleidung weg. „Ach...was du nicht sagst." Ciel klang genervt und sass sich hin, während Sebastian den Umhang und den Hut seines Herrn zu sich nahm. „Ah...bevor ich es vergesse, wie geht es eigentlich Euren neuen Hausmädchen?" es herrschte Schweigen. Bis schliesslich der Butler räusperte. „Nun, mein junger Herr hat unsere neue Bedienstete bedauerlicherweise entlassen. Sie eignete sich, aus speziellen Gründen, nicht als Hausmädchen."
Undertakers Grinsen verschwand augenblicklich. Steif stand er da uns starrte Ciel an. „Das habt Ihr nicht gemacht!" entgegnete er, worauf Sebastian ihn erst mal verwundert ansah. Ciel hob seine Augenbrauen. „Du brauchst nicht zu lügen, Sebastian. Ich konnte sie nicht gebrauchen, das war alles, ausserdem hat sie extrem genervt. Jeden Abend heulte sie herum wie ein kleines Kind und..." Ciel verstummte plötzlich, als Undertaker sich abwandte.
„Earl Phantomhive, dieses Kind hätte Euch durchaus von Nutzen sein können. Ihr ward bloss blind."
Ciels Zähne begannen zu knirschen. „Was sagst du da?! Wie hätte ich das denn machen sollen. Sie war kompliziert, ich kam nicht an sie heran."
Undertaker drehte sich wieder zu ihm um und tippte mit dem Finger an die Stirne. „Mit Verstand und Strategie, mein lieber Earl. Ai Nakamura ist nicht einfach nur irgendjemand. Ausserdem kommt man mit Härte nicht an sie heran" Wieder grinste der Bestatter geheimnisvoll. Der junge Earl runzelte seine Stirne. „Du weisst mehr über sie als es scheint, habe ich recht?"
„Und wenn? Würdet ihr mich erpressen wollen? Oh nein, mein lieber Earl. So einfach geht das in diesem Fall nicht. Aber es stimmt durchaus was Ihr sagt. Ich kenne Ai Nakamura. All ihre Vorlieben, all ihre positiven und negativen Seiten, ihre Stärken und Schwächen. Ja, in und auswendig."
Ciels Fäuste zitterten. Hatte er wohlmöglich einen Fehler begannen als er sie rausgeschmissen hatte? Hatte er wirklich nur aus purer Eifersucht reagiert? Doch Undertaker gefiel was er sah. „Bereut Ihr es?" sagte er und kicherte. Doch im nächsten Moment wurde sein Gesicht wieder ernst. „Befindet sie sich wenigstens an einem sicheren Ort?"
„Der Shinigami William T. Spears hatte sie mitgenommen" sprach Sebastian und spürte wie sich die ganze Sache langsam zuspitzte. „Ah, so ist das also. Die Shinigami versuchen nun auch ihre Vorteile aus Ais Stärken zu ziehen. Wie vulgär. Alle greifen gierig nach der Macht der Unterwelt" seufzte Undertaker. „Wisst ihr Earl Phantomhive, Tränen sind in den einsamsten Stunden manchmal die besten Freunde eines Menschen."

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt