Dangerous feelings

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„Jetzt beruhigt euch alle wieder" sagte Alan auf einmal und blickte in die Runde. „Was sollte das denn bitteschön heissen?" rief Grell. „William-san, sie hat mir gesagt, dass sie in der kleinen Kirche in West-London ist und..."
„Wieso haben Sie mir das nicht sofort gesagt, Mr. Humphries?" fragte William wütend und sah ihn mit festem Blick an. „Ganz einfach, sie wollte nicht dass ihr jemand folgt, da sie Zeit für sich braucht. Deshalb hat sie sich mir anvertraut. Ausserdem befanden Sie sich doch im Büro ihres Chefs." Unschuldig sah Alan zurück. William knallte kurz seine Hände am Türrahmen und verschwand sogleich.
„Der hat es aber eilig?"
„Natürlich" begann Alan. „Schliesslich trägt er eine Verantwortung für das Mädchen. Sein Chef würde ihn nur wieder anschreien, wenn er seinen Pflichten nicht nachgehen würde."
Ronald sah ihn aus einem Augenwinkel an. „Alan-Senpai, bist du dir wirklich sicher, dass er das alles nur aus Pflichtgründen macht?"

Was brachte sie hierher an diesen verlassenen Ort? War es die Verzweiflung? Oder der Wunsch nach Antworten? Vielleicht auch Flucht. Ai wusste es nicht. Sie hatte sich vor dem grossen Kreuz, an dem der Sohn Gottes hing, niedergekniet und die Hände ineinander gelegt. Eigentlich wollte sie beten. Welch Ironie für einen Dämon wie sie es war. Sie wollte dem Herrn um etwas bitten. Sie wusste aber nicht was, denn es waren so viele Sachen. So viele Dinge die sie in Gedanken beschäftigten. Wie zum Beispiel das merkwürdige Gefühl, immer dann wenn William bei ihr war. Wenn sie ihm in die Augen sah und er ihr mit seiner leicht arroganten Stimme etwas erklärte. Arrogant? Ja, das war er wirklich. Arrogant, Rücksichtslos, Streng, Verantwortungsbewusst. Doch es waren die kleinsten Dinge die William leicht  menschlich machten. Dann wenn er seine Brille richtete, oder seine Death Scythe nie aus den Augen liess. Wenn er ein Buch las und ab und an den Kopf etwas schief legte mit einem fragenden Blick. Ein trauriges Lächeln huschte ihr ins Gesicht. „Die kleinsten Dinge die mich so faszinieren, die mich jedes Mal lächeln lassen, die eben dieses tiefe und innige Gefühl in mir aufrufen"
Sie schloss ihre Augen und erinnerte sich an den Abend zurück an dem sie seine Hand verbunden hatte. William hatte ganz still gehalten und sie beobachtet. Sie erinnerte sich an seine Hand, die sich so sanft angefühlt hatte. „Ich darf das nicht" dachte sie. „Ich darf solche Gefühle nicht besitzen. Das ist falsch...und doch, hätte ich ein Herz, es würde wild schlagen, sähe ich ihm auch nur in die Augen." War es vielleicht bereits schon zu spät? Zu spät um diese Gefühle aufzuhalten?
„Miss Nakamura."
Ai zuckte heftig zusammen als sie seine Stimme wahrnahm. In dem Moment regte sich etwas in ihrer Brust. Als sie sich umdrehte konnte sie einen völlig durchnässten William sehen, denn es hatte angefangen stark zu regnen.
„Senpai." Sie stand auf. Ein Blitz liess die Kirche kurz erleuchten. Sie sahen sich an. In diesem Augenblick wünsche sich Ai nichts Sehnlicheres als das sie ihre Gefühle freien Lauf lassen konnte. Aber sie musste sich zurückhalten. Sie sah weg. „Senpai, was machen Sie hier? Ich hatte Alan gesagt, dass..."
„Mr. Humphries tat gut mir zu sagen wo sie sich aufhalten, Miss Nakamura. Ich hatte überall nach Ihnen gesucht." Ais Wangen begannen zu glühen. „Sie haben nach mir gesucht?" 
„Selbstverständlich! Ich bin für Sie verantwortlich." Und auch wenn William diese Worte über die Lippen gleiten liess. Er wusste selber, dass er, auch wenn er keine Verantwortung ihr gegenüber trüge, sie dennoch gesucht hätte. Aber dass musste sie ja nicht unbedingt wissen.
„Ah, so ist das also" kam es leise von ihr. Das war William, so kalt wie immer. Aber es war okay. Alles war okay, wenn er sie nicht anschrie. Mit seiner Kälte konnte sie leben. Und doch konnte sie nicht ihre kommenden Tränen unterdrücken. „Sie...Sie haben sicher Ärger bekommen?" ihre Stimme zitterte etwas, doch sie versuchte sich zu beherrschen.
„Das habe ich in der Tat. Ich bin enttäuscht von Ihnen, Miss Nakamura. Sie haben den Auftrag nicht den Regeln gemäss durchgeführt und eine Seele weiterleben lassen obwohl diese sich jetzt in der Hölle befinden sollte."
Ai biss sich die Zähne zusammen und ihre Tränen benetzen den steinernen Boden der Kirche. Ein weiterer Blitz und ein Donner liess die Kirche erzittern.
„Ash, der Engel, hat mir ein Angebot gemacht?" hörte er sie sagen. Sofort legte sich seine Stirne in Falten. „Er bot mir an, mich wieder in einen Menschen zu verwandeln. Ich könnte mein ganz normales Leben zurückbekommen..."
„Und sie haben diesem Engel wirklich geglaubt?" fragte William und seine Augenbraue hob sich skeptisch. „Sie sind so naiv, Miss Nakamura. Ein Engel kann genauso hinterhältig sein wie ein Dämon. Wahrscheinlich wollte er Sie nur dazu verführen sich einer Reinigung der Seele zu unterziehen." Er richtete seine Brille. In seinem innersten breitete sich Unbehagen aus. „Und was haben Sie geantwortet?"
Ai schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Zeit gehabt ihm eine Antwort zu geben. Schliesslich hatten Sie ihn angegriffen. Ich weiss nicht ob ich mich freuen soll oder nicht. Ich weiss überhaupt nicht was ich fühlen soll." Sie vergrub ihr Gesicht in die Hände. „Ich bin verwirrt. Ich komme mit der ganzen Situation nicht klar. Ich weiss nicht was hier geschieht. Ciel Phantomhive wollte mich zu seinem Nutzen gefangen halten. Nun bin ich bei den Shinigami, die mich zu einer vollkommenen Todesgöttin machen möchten, dann taucht dieser Ash auf, der behauptet er könne mich wieder zum Menschen machen. Ich habe das Gefühl jeder streckt seine Hände nach mir aus und alle scheinen mich zu kennen."
William schwieg. Hatte er auch nur ein einziges Mal daran nachgedacht wie es Ai ging? Nein. Sein Chef hatte ihm lediglich den Auftrag gegeben das Mädchen zu unterrichten, mehr auch nicht. Und dabei schwor er sich keine Gefühle zu zeigen oder im schlimmsten Fall welche zu entwickeln.
„William-Senpai."
Es war schon lange her, dass sie seinen Namen nannte. Er hatte ihr ja damals verboten ihn beim Vornamen zu nennen, doch diesmal wehrte er sich nicht dagegen. Des Mädchens Stimme hörte sich etwas weinerlich an.
Ai drehte sich wieder zu ihm herum. Dieser Anblick versetzte ihm, ohne es zu wollen, einen Stich. Sie kam auf ihn zu. „Es tut mir Leid Senpai. Für alles was ich heute falsch gemacht habe. Ich weiss, es war ein Fehler, aber ich konnte nicht anders. Ich konnte ihn nicht so sehen, nicht wenn sein Herz für jemand andern schlägt." Sie näherte sich ihm so nah wie noch nie. „Ich besitze keines mehr, denn Sie haben es mir damals genommen."
William zuckte zusammen. Das aus ihrem Mund zu hören traf ihn.
„Deshalb wollte ich, dass wenigstens retten was zu retten war von dem Jungen" Ihre Stimme zitterte und sie fiel vor ihm auf die Knie. „Sie können alles mit mir machen. Sie können wütend auf mich sein, sie können sich wegen mir nerven, weil ich so tollpatschig bin, alles...nur bitte...bitte heben Sie nie wieder ihre Hand gegen mich, schreien sie mich nie wieder an" sie rief diese Worte aus Verzweiflung heraus und Williams Augen weiteten sich vor Schreck. Sie schluchzte. „Ich akzeptiere doch alles. Ich will versuchen ein neues Leben aufzubauen, hier...ich hätte das Angebot des Engels niemals angenommen, Senpai." Sie stand auf und William spürte im nächsten Moment ihren weichen Körper gegen seines. Das Mädchen hatte ihre Hände und ihren Kopf auf seine Brust gelegt und weinte sich an ihm aus. „Mag sein, dass ich nicht die perfekte Shinigami bin, ich werde es nie sein. Aber ich habe immer versucht Sie zufrieden zu stellen. Bitte, Senpai...bitte, versetzen Sie mich bitte nie wieder in solche Angst. Erheben Sie ihre Hand nicht gegen mich." Die letzten Worte bestanden nur aus einem leisen Flüstern. William stand da und starrte nur ins Leere. Da klammerte sich dieses Mädchen an ihn und verlangte von ihm er solle sie...
Er spürte ihren Körper. Spürte wie sie zitterte und verzweifelt versuchte sich zu halten, hörte ihr Schluchzen, ihre Bitte, die ihm beinahe das Herz aus dem Leibe riss. Eine Welle von Gefühlen übermannte ihn und er schloss seine Augen. Er kannte diese Gefühle. Oder bessergesagt...seine Vergangenheit drohte ihn einzuholen. Er biss seine Zähne kräftig zusammen um diese Gefühle zu unterdrücken. Sie durften nicht heraustreten. Nicht jetzt...niemals!
Und genau in diesem Augenblick schlang Ai ihre Arme um seinen Nacken. Er riss seine Augen auf. Sein Herzschlag nahm zu.
„Nein" sagte er plötzlich und Ai sah zu ihm auf. In ihren Augen spiegelte sich ihre Furcht. „Nein!" wiederholte er.
„Der einzige der sich hier Entschuldigen muss, bin ich."
Fassungslos öffnete sich Ais Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, spürte sie seine Hände an ihrer Taille. Er sah ihr fest in die Augen. „Es tut mir aufrichtig Leid..." sprach er leise „Das hätte niemals passieren dürfen, niemals. Ich weiss nicht wieso, ich weiss nicht warum ich so ausrasten konnte." Wieder dieses Welle die sein Herz höher schlagen liess. Doch diesmal konnte er sie nicht unterdrücken. Er schlang seine Arme fest um das Mädchen und drückte sie an sich. Völlig überrascht von dieser plötzlich festen Umarmung, war ihr Körper wie betäubt.
„Senpai..."
„Ich werde es nie wieder tun, Miss Nakamura. Das ist ein Versprechen." Als er ihr dies sanft zuflüsterte, schloss sie ihre Augen und liess sich innerlich einfach fallen. In diesem Augenblick wurde das Pochen in ihrer Brust immer und immer stärker. Williams Griff lockerte sich keineswegs. Sie spürte seinen Kopf, der auf ihrer Schulter lag. „Warum?" dachte sie. „Der Mann der mich doch hassen sollte...Der Mann, der mich getötet hat ohne mit der Wimper zu zucken. Mein Herz, es schlägt wieder. Kann es sein? Liebe ich diesen Mann? Liebe ich meinen Mörder?"
Und wie ihr Herz schlug! War es das nachdem sie sich still und heimlich gesehnt hatte? War er es? Und etwas was sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte, übernahm sie in dem Moment...Sie war glücklich.
„Nie wieder" dachte William. Er hatte seine Augen geschlossen. Diesen zierlichen Körper ganz nah bei sich zu spüren, war ein Erlebnis, dass er nicht missen wollte. Es war ganz anders als bei Miyuku. Nur warum? Das wusste er nicht. Aber er würde sich selber belügen, würde er sagen, dass er sie hasse, dass er kein Fünkchen Zuneigung fühlte. Es stimmte nicht. Es war das eine...
Das Verbotene...

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt