Confrontation

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„Wir dürfen keine Zeit verlieren" rief Ai aufgebracht, während sie durch den Korridor rannte. William, ihr dicht auf den Fersen.
Ihr Blick wanderte immer wieder zu ihrer Armbanduhr. „Genau um sechs Uhr morgens wird sein Herz stehen bleiben."
Ihre Uhr zeigte 05:45.
Sie legte an Tempo zu und erreichte schliesslich das kleine Zimmer, das man dem Menschenjungen zugeteilt hatte. Anscheinend hatten ihn die anderen Shinigami entdeckt.
„Nicolas!" rief sie, als sie die Türe aufriss. Der kleine Junge lag auf dem Bett, wendete seinen Kopf und lächelte im nächsten Moment schwach. „Mama...Papa" sagte er leise und streckte die Hand nach ihnen aus. Sofort kam Ai auf ihn zugeeilt und nahm die kleine Hand. „Nicolas, es tut mir so leid, ich habe versprochen dich nie alleine zu lassen und dich zu beschützen, aber ich...ich..."
„Ist schon gut" sagte er und sah sie an. „Du weinst um mich?"
„Ja, selbstverständlich. Ich will nicht dass du..." Sie verstummte plötzlich und hielt sich die Hand vor dem Mund.
„Nicht was?" hackte er nach und in seinen Augen glitzerten Tränen.
„Das ich sterbe?"
Ais und Williams Augen weiteten sich plötzlich. „Du weisst es?" fragte er und richtete sich die Brille.
„Ihr seid Shinigami!"
Ais Herz zog sich zusammen. „Nicolas...wie...woher..." stotterte sie.
„Deine Todessense lag auf deinem Arbeitstisch. Ich habe sie beim Spielen, in deinem Zimmer, entdeckt"
Ai liess ihre Schultern sinken und sah herab. „Ich bin so ein dummes Huhn!" murmelte sie leise. „Nein, etwas Blöderes wie mich kann es nicht geben" Sie richtete sich wieder auf. Innerlich war sie jedoch total am Ende.
„Ja" sagte sie schliesslich. „Ja, ich bin eine Shinigami in der Ausbildung und bekam den Auftrag dich zu beobachten und schlussendlich deine Seele zu nehmen. Ich habe es nicht übers Herz gebracht dich wieder der Strasse zu überlassen, deshalb nahm ich dich mit hierher in die Dispatch. Ich war so froh, dass Senpai mich tun und machen liess" Sie warf William einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder dem kleinen Jungen mit den Sommersprossen im Gesicht zuwandte. „Ich habe schon mal eine Seele vom Tode verschont..." sagte sie leise und schloss ihre Augen. Williams Hand legte sich auf ihre Schulter. „Wir dürfen diesmal keine Ausnahme machen, Ai"
Das Mädchen nickte. Und als sie den kleinen Nicolas wieder betrachtete lächelte er. Sofort beugte sich Ai zu ihm herab und nahm ihn in ihre Arme.
„Nicolas~"
„Ich habe euch beide lieb" sagte er schwach und blickte zu William. „Danke für alles...Danke Ai..."
Ernst blickte William auf die Szene die sich vor seinen grünen Augen abspiegelte. Dieser Junge war für ihn nur ein weiterer Mensch, dessen Zeit gekommen war. Doch es war ihm nicht ganz gleichgültig. Er wusste, wie sehr Ai ihn mochte und sie würde nur niedergeschlagene Stunden damit verbringen an ihn zu denken. Und er wollte Ai nicht traurig sehen.
William wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Ai geschockt den Atem anhielt. Sein Blick glitt gleich darauf zu dem Jungen, dessen Augen sich vor Schreck und vor allem vor Schmerz geweitet hatten. Nicolas gab kein Ton von sich, als er schliesslich seinen Letzen Atemzug machte.
Ai wimmerte, ihr ganzer Körper erbebte und William konnte ein leises Schluchzen wahrnehmen. Ihr Gesicht war getrübt und von den Ereignissen der Nacht gezeichnet. Warum? Warum musste sie eine solch schwere Bürde auf ihren zarten Schultern tragen? Es tat ihm weh, sie so unglücklich zu sehen. Das Schicksal hatte sie auserwählt. Aber er verstand es nicht. Verstand nicht, warum ihre Liebe so auf die Probe gestellt wurde.
„Ai" sprach er und seine Stimme klang gebrochen. Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Blickt streiften sich, als er ihr seine Todessense überreichte.
„Mein Plan war es, Ai in ihrer Persönlichkeit reifer werden zu lassen, bevor sie sich ihrem Schicksal hingibt" dachte er im Stillen, als Ai sich die Cinematographischen Aufzeichnungen ansah.
„Ich darf ihr nicht zu nahe treten, sie ist jetzt schon überfordert mit meinem Geständnis und den verwirrenden Worten Hikos"
Dass er es tatsächlich heute geschafft hatte ihr seine Liebe zu gestehen, erfüllte ihn mit Stolz, auch wenn Ai schlussendlich nicht so reagierte wie er es sich gewünscht hatte. Und daran war nur Hiko schuld.
Sein Herz sollte sich doch nach diesem Geständnis leichter anfühlen, doch dem war so nicht. Es quälte ihn ungemein.
„Und doch...du bist ein wahr gewordener Traum, Ai" dachte er, als die Seele sich ins Nichts auflöste.
Ai drehte sich zu William um. Ihre Lider hingen etwas herab. Sie sah fertig aus. „Auftrag erledigt" sagte sie und gab ihm seine Todessense zurück.
„Würden Sie mir einen Gefallen tun, Senpai?" Sie sah ihm nun in die Augen.
Williams Hand wanderte zur Brille. Ein paar Sicherheitsbeamte betraten den Raum. Williams Gesichtsausdruck wurde finster, doch die Züge erweichten sich schnell, als er Ai wieder ansah. „Jeden!"
„Bringen Sie den Jungen bitte zu Undertaker, damit er sich um seinen toten Leib kümmern kann." Die zwei Beamten hatten Ais Arme gepackt. „Sie müssen nun mit uns kommen, Miss Nakamura" sagte der eine etwas grob. William sah ihn kalt an, doch erwidern konnte er nichts.
Er verbeugte sich kurz. „Ich werde deinen Wunsch erfüllen" sagte er noch, bevor Ai schliesslich abgeführt wurde.

Eric ging hin und her und überlegte angestrengt. Ronald Knox sass auf einem Stuhl und biss sich die ganze Zeit auf die Lippen, während Alan und Kaori dastanden und betrübt herabsahen. Grell Sutcliff blickte aus dem Fenster, sein Gesichtsausdruck, so ernst wie noch nie.
„Was er jetzt wohl macht" murmelte Eric und seufzte tief. „Er befindet sich in seinem Zimmer und denkt nach" antwortete ihm Ronald. „Es geht hier nicht nur um irgendeine kleine Gerichtsverhandlung. Ai zu verlieren bedeutet für William..."
„Das weiss ich selber. Deshalb überlege auch ich angestrengt nach wie wir den beiden helfen können. Es ist verdammt nochmal kompliziert. Da draussen sind mehr als die Hälfte der Shinigami dafür, dass Ai aus der Liste gestrichen und verbannt wird. Was können wir bitteschön dagegen unternehmen?!" Er stemmte die Hände an seinen Hüften und schüttelte den Kopf. „Ich fass es nicht!"
„Hat Ai denn keine Chance sich zu verteidigen?" fragte Alan und sah seinen Partner an. „Natürlich hat sie das...nur wer übernimmt das?" antwortete Eric mürrisch.

Das Licht war überall aus. Nur der Vollmond schien in das grosse Panoramafester rein und hüllte William in sein kaltes Licht ein. Der Shinigami-Mentor stand da und blickte hinaus. Er war keineswegs müde. Wie denn? Ai steckte in einer Zelle fest, Nicolas war tot und irgendwo da draussen brütete Hiko, das Feuerkind, sicherlich an einem neuen Plan, Ais Leben auszulöschen. „Wer ist dieses kleine Mädchen?" fragte er sich und runzelte die Stirne. „Ihr Gesicht kommt mir sehr bekannt vor, ich habe sie sicherlich schon mal irgendwo gesehen."
Er richtete sich die Brille. „Für einen erneuten Angriff sind wir jedoch gewappnet. Meine grösste Sorge gilt nur Ai." Er ging zum Regal und sah sich um, bis er schliesslich das Buch fand. Eines seiner Lieblingsbücher. Er blätterte bis zu einer ganz bestimmten Doppelseite. Sein Blick fiel auf das Foto, das er vor Monaten bekommen hatte, ein Tag bevor er den Auftrag bekommen hatte, sie zu töten. Darauf abgebildet, seine Ai in Schuluniform und einem strahlenden Gesichtsausdruck. Wie alt sie da wohl wahr?

„William, was machen Sie zur so später Stunde noch hier?" fragte Undertaker und überreichte ihm einen Messbecher mit heissem Tee. Dankend nahm er an, lehnte jedoch ab, als Undertaker ihm die Urne mit den Keksen anbot.
„Ich hatte das eigentlich nicht geplant gehabt, aber wenn sich schon die Möglichkeit bietet meinen Auftrag, den ich von Ai erhalten habe, zu erledigen, dann führe ich das auch schnellstmöglich aus" antwortete er und nahm einen Schluck aus dem Messbecher. Der Bestatter grinste. „Ist das er einzige Grund oder...ist da noch etwas anderes?" stichelte er nach und behielt sein Lächeln. William richtete seine Brille und nahm schliesslich das Foto hervor, dass er vorhin im Buch gefunden hatte.
„Das haben Sie doch geschossen oder?" fragte er und zeigte es ihm. Undertaker beugte sich leicht vor um es genauer zu betrachten.
„Ja" antwortete er knapp, stand auf und ging zu einer Schublade. „Ja, damals als ich noch...Sie wissen schon" sagte er und grinste nur verschwörerisch. Zurück kam er mit einem kleinen Kästchen. „Hier sind noch mehr." Er nahm die Fotos raus und übergab sie ihm.
Auf einem Bild war sie mit ihrer schwarzen Katze zu sehen, auf einem anderen sass sie im Unterricht und starrte aus dem Fenster. William hielt bei diesem Bild inne. Zwar konnte man nur ihr Profil sehen, aber er erkannte ihren Sehnsüchtigen Blick in die Ferne. Ab und an hatte er diesen Blick auch hier gesehen, immer dann, wenn sie glaubte allein zu sein.
„Ein verträumtes junges Kind" sagte Undertaker. Kurz sah William auf, bevor er zum nächsten Bild überging. Darauf abgebildet: Ai, wie sie auf dem Hügel stand, mit der Tasche in den Händen, und den Sonnenuntergang betrachtete.
„Dort hatte ich sie öfters gesehen. Da sass sie auf der Klippe mit ihrem Buch und liess sich vom Wind streicheln. Dieses Bild entstand ein Tag bevor Sie sie versucht haben zu töten" Williams Hand zitterte leicht und er versuchte Ruhe zu bewahren. Sofort legte er die Bilder wieder zurück ins Kästchen. „Ich will mich nicht zurückerinnern."
„Sie werden sich ab und an immer wieder zurückerinnern, William. Dagegen können Sie nichts unternehmen." William schluckte und faltete seine Hände ineinander. „Wie haben Sie es denn geschafft die Bilder aufzunehmen?" fragte er auf einmal neugierig und sah ihn an. Undertaker kicherte leise.
„Nun ja, Sie sind nicht der einzige, der sich unerkannt durch die Menschenmengen bewegen kann. Und der Grund dafür...ich wusste, dass Sie sich eines Tages diese Bilder ansehen würden, William."
William hob seine Augenbraue. Unrecht hatte er ja nicht, dennoch...er seufzte und kehrte zum Thema zurück.
„Ich muss eine Lösung finden" murmelte er, doch Undertaker verstand ihn deutlich.
„Die Gerichtsverhandlung findet in zwei Tagen statt. Das ist sehr wenig Zeit für zu viel Aufwand. Nein, die Lösung muss schnell und effektiv sein."
„Es erstaunt mich, wie sehr Sie sich für Ihre Liebe einsetzen, William. Verzeihen Sie mir, aber es ist so neu für mich, Sie mit solchem Gemüt zu sehen."
William stand auf und begann auf und ab zu laufen. „Ich kann die Leute nicht verstehen, die anfangen von der grossen Liebe zu schwärmen und zu Träumen. Liebe ist etwas Schreckliches, Schmerzvolles...etwas worauf ich eigentlich geschworen hatte, nie wieder einzugehen. Doch es hat sich wiederholt und diesmal bin ich machtlos, verehrter Undertaker. Zudem, ist Ai Nakamura zur Hälfte Dämon." Er schüttelte den Kopf. „Manchmal habe ich das Gefühl unser Direktor selbst ist ein Teufel" zischte er wütend.
Als William sich immer noch nicht beruhigte, hob Undertaker den Finger. „Und was wäre, wenn Sie versuchen mit offenen Karten zu spielen?"
William drehte sich leicht verwirrt zum Bestatter um, der angefangen hatte zu kichern.
„Teufel gegen Teufel."



Völlig abwesend stand Ai da und rührte sich kein bisschen, während die anderen Shinigami ihr üble Worte an den Kopf warfen. Sie war blass und dunkle Schatten befanden sich unter ihren Augen. Sie konnte die Letzen zwei Tage gar nicht gut schlafen. Und William hatte sie auch nicht gesehen, obwohl sie immer gehofft hatte, er käme wenigstens einmal zu ihr.
„Ich bin unschuldig" dachte sie. „Und trotzdem stehe ich hier und muss mir die Beleidigungen anhören, und das von den Vorgesetzten. Ich hoffe das, wenn das ganze vorbei ist, ich an einen Ort komme wo ich mich fallen lassen kann." Ihr leerer Blick wanderte zum Direktor, der oben sass und sie ebenfalls nachdenklich betrachtete.
Mit emotionslosem Gesichtsausdruck blickte sie einfach geradeaus, als der Saal sich schliesslich beruhigte. Ethan Tyler stand auf und blickte in die Runde.
„Wir haben uns heute hier versammelt um ein Urteil über die Shinigami-Lernende Ai Nakamura zu fällen" begann er. „Nach mehreren erfolgslosen Befragungen, sehen wir uns gezwungen, das Ganze auf richterliche Art und Weise zu klären. Hierfür habe ich meinen Vize-Direktor, John Mason und Aufsichtsbeamtin Alice Stuart für die persönlichen Befragungen auserwählt, da ich weiss, dass sie mit äusserster Härte vorgehen."
Alice Stuart lächelte kalt und richtete sich die Brille. „Das Urteil wird heute schnell fallen, Direktor" sagte sie und musterte Ai von oben bis unten. Das junge Mädchen, dessen Gesicht so blass war...Alice hasste sie. Sie hasste sie abgrundtief.
John Manson beugte sich leicht vor und sah das Mädchen an. „Das wir überhaupt einen Dämonen in der Dispatch aufgenommen haben..." er schüttelte den Kopf. „Unfassbar!"
„Das sehe ich auch so" rief Alice und verschränkte die Arme. „Wir werden zum Wohle aller vollwertigen Shinigami entscheiden."
Ai schloss ihre Augen. Die Worte ihrer Gegner, liess sie zwar nicht kalt, doch was konnte sie schon dagegen unternehmen?
„Ich möchte das ganze hier hinter mich...nanu, was ist das denn?" sie öffnete ihre Augen und schnupperte. „Dieser Geruch...der gleiche den ich in der Folterkammer auch schon gerochen habe." Sie sah sich um, aber das spezielle Parfum konnte von jedem hier stammen. Sie runzelte ihre Stirne. Hier ging es nicht mit rechten Dingen zu...
„Miss Nakamura, wo bleibt Ihr Verteidiger?" hackte der Direktor nach und seufzte. Ai sah zu ihm hinauf, direkt in seine Augen.
„Ich habe keinen..."
„Entschuldigt die Verspätung" erklang auf einmal eine kalte, arrogante Stimme. Jeder der Anwesenden drehte sich um. Ai blinzelte überrascht und blickte ebenfalls in die Richtung. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund stand leicht offen.
„William...Senpai..." flüsterte sie und starrte ihn an. Williams kalter Blick glitt durch den Raum, als er die Treppen hinauf zum kleinen Podest stieg und sich neben Ai stellte.
„Da dies eine offizielle Verhandlung ist, habe ich mich bereit erklärt meine Schülerin zur Seite zur Stehen. Als Ihr Meister und Verteidiger in diesem Gericht!"

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt