In the light of the red moon

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 Nur schwach konnte Ai ihre Augen öffnen. Blut rann ihr über die Schläfe, übers Gesicht, drang in ihre Weiten und liess sie nur verschwommen sehen.
Tiefe Wunden zeichneten sich an Armen und Beinen.
Sie blickte in den schwach beleuchteten Raum und nahm eine recht kleine Gestalt wahr.
„Endlich aufgewacht?" fragte die Person und kicherte. „Wie wunderschön du aussiehst...Heute ist eine ganz besondere Nacht, deshalb habe ich dich etwas hübsch hergerichtet. Sieh nur, wie dein Blut sich an dich schmiegt, wie ein langes, seidenes, rotes Kleid. Ja, eine besondere Nacht..." rief sie und lachte. „...denn heute wirst du sterben, Ai. Heute begleite ich dich zu deinem Grabe und werde eigenhändig die Erde über dich schütten."
Ai blinzelte. Sie war viel zu schwach um auch nur irgendetwas zu erwidern.
„Deine Freunde sind auf dem Weg hierher um dich zu befreien, aber sie werden zu spät kommen. Dein Leben und deine Liebe liegen in meinen Händen" lächelte sie hinterhältig und die Death Scythe in Form eines Wurfmessers blitze auf.
„Diese Nacht wird deine letzte sein!" rief sie und warf das Messer, das im nächsten Moment ihre Brust durchbohrte. Ai riss ihre Augen auf, doch sie schrie nicht, weinte nicht, blickte nur starr nach oben, als die Cinematographischen Aufzeichnungen sich den Weg aus den tiefen ihres Körpers nach draussen bannten.
„Eine dramatische Vergangenheit. Ein trostloses Leben. Ich wundere mich, warum du nicht schon früher deinem Dasein ein Ende bereitet hast..." sagte sie.
„Warum wehrst du dich nicht?" kicherte sie auf einmal und ihr Blick wanderte zu ihren Händen und Füssen.
„Ach ja... du kannst ja nicht. Sie sind schliesslich wortwörtlich festgenagelt."
„Was ist mit Ihnen? Sind Sie eifersüchtig?" spukten ihr Williams Worte durch den Kopf.
„Die Frau mit der ich die Ewigkeit verbringen möchte...ich habe sie bereits gefunden."
Ai nahm den Schmerz, den ihr die kleine Dämonin bereitet hatte, nicht richtig wahr. Überhaupt kein körperlicher Schmerz reichte an den heran, den sie schon seit Monaten innerlich spürte.
„Ich verstehe Williams Worte nicht" dachte sie. „Er kann nicht mich gemeint haben, Völlig unmöglich." Doch es war nicht das einzige was sie irritierte. Viel mehr war es sein Versuch sie zu küssen.
„Empfindet er wohlmöglich doch etwas für mich?"
„Hmmm...." machte die kleine Dämonin und kicherte, als sie William und Ai in den Aufzeichnungen sehen konnte. „Liebe ist Schmerzhaft. Besonders dann, wenn das süsse Gift, der Dornen das einsame Herz benetzt." Ihr lautes Lachen verirrte sich im Echo, als sie den Raum verliess und die massive Türe abschloss. Ai keuchte auf, als die Wunden an Füssen und Händen zu brennen begannen.
„Was ist das?" dachte sie und sog die Luft stark ein. „Dieser Geruch...er kommt mir so bekannt vor."

Geschockt und völlig unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, rutschte Kaori die Wand herab und vergrub ihr Gesicht in die Hände. Sie hörte die anderen Shinigami leise tuscheln und flüstern.
„Das ging aber schnell."
„Diese Dämonen, wollten gar nichts von uns."
„Nein, sie hatten es auf diese Ai Nakamura abgesehen."
„Ich wusste doch, dass dieses Mädchen mit denen unter einer Decke steckt."
„Sie besitzen nun eine Death Scythe...weiss Gott, was sie mit dem alles anrichten können."
„Wir hätten sie niemals aufnehmen dürfen."
„Sie ist eine Schande für uns Shinigami."
„AUFHÖREN!" schrie Kaori wütend und hatte sich aufgebaut. Ihre Zähne knirschten und ihr Blick wanderte zornig zu jeden einzelnen, der ein Wort über Ai sprach.
„Warum nimmst du sie in Schutz?" fragte ein blonder Shinigami. „Bevor sie hier war, hatten wir alle noch ein einigermassen angenehmes Leben gehabt, aber jetzt? Du siehst doch selber wie viele Überstunden wir gemacht haben. Sobald diese ganze Sache beendet ist sollten wir Miss Nakamura zur Rechenschaft ziehen."
Als einige ihm zustimmten, brodelte es innerlich bei Kaori. „Ihr verdächtigt sie also immer noch? Seit Monaten versuchen Mr. Spears und Ai den Fall aufzuklären...Es mag sein, dass sie zur Hälfte Dämon ist...aber das gibt euch kein Recht sie vollkommen auszuschliessen."
„Das entscheidest nicht du" sagte der Blonde. „Wir werden sehen, was der Direktor dazu meint."

„Hier ist es" sagte Sebastian und nickte zum Eingang des Bunkers, der sich inmitten eines grossen Feldes befand, fernab von aller Zivilisation. „Und unsere Gegner befinden sich auch dort."
Der Butler ging auf den Eingang zu und donnerte seine Faust rein, sodass die schwere Falle nach unten krachte. Unendlich viele Treppen führten herab, der Weg wurde von einigen schwachen Fackeln beleuchtet.
„Momentmal..." begann Ciel und runzelte die Stirne. „Dieses Versteck hast doch du gefunden Sebastian. Wenn die Dämonen wissen, dass wir ihnen auf den Fersen sind, warum kehren sie dann hierher zurück?"
„Das werden wir gleich herausfinden" meinte er und stieg als erster die Treppen herab. Ihm folgte Ciel, dann William, der innerlich keine Ruhe finden konnte. „Ich hoffe ihr ist nichts geschehen...Nein, ihr darf nichts geschehen sein!"
Man konnte nur die Schritte der dreien hallen hören, sonst war alles ruhig. „Ich spüre Ais Anwesenheit" sagte Sebastian plötzlich und blieb stehen. Sofort war William zur Stelle. „Wie stark?"
„Sie ist schwach" antwortete der Teufel ihm und schloss seine Augen. „Sehr schwach." William formte seine Hände zu Fäusten, was dem Butler nicht entging. „Aber sie lebt" fügte er noch hinzu, als sie schliesslich die massive Türe entdeckten. Der Butler zögerte kein bisschen und tritt sie mühelos auf. Kaum war sie offen, wurden sie von einem hellen Licht geblendet. Alle drei standen mit entsetztem Gesichtsausdruck da.
„Was zum..." rief Ciel, als er die Cinematographischen Aufzeichnungen überall seelenruhig herumschweben sah. Als er Ai erblickte, drehte sich ihm der Magen.
„Nein...!" stiess William hervor. Am anderen Ende des Raumes stand ein grosses Kreuz aus dickem, schwerem Holz. Angenagelt an Hände und Füssen, hing Ais Körper schlaff herab. Ihr Kopf war zur Seite gerichtet und das lange Haar verdeckte ihr halbes Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen.
William war der erste, der reagierte. Seine Death Scythe fuhr aus um sie von den Nägeln zu befreien. Er war sofort zur Stelle, als der leblose Körper in seine Arme fiel.
„Ai...", rief er und seine Stimme zitterte leicht. Sein Blick fiel auf ihren geschändeten, von Blut überzogenen, Körper. Das Messer steckte noch in ihrer Brust. Aus der Wunde entwichen die Aufzeichnungen.
„Ich habe schon viele schreckliche Dinge gesehen" sagte Sebastian. „Aber das ist mir noch nie unter die Augen getreten. Ein Dämon der an Gottes Kreuz hing."
Der Shinigami zog vorsichtig das Messer aus ihrer Brust, sofort zogen sich die weissen Streifen wieder in ihren Körper zurück. Sein Herz schlug wild. Das konnte nicht wahr sein!
Das war ein Alptraum!
„Ai....Ai....wach auf" rief er energisch und drückte das Mädchen fest an sich. „Wach auf!"
Er küsste verzweifelt ihre kalten Wangen und hoffte nur, dass sie endlich ihre Augen öffnete.
Er konnte und wollte nicht wahrhaben, dass er wieder...
Der Shinigami biss sich die Zähne zusammen. Ein sengender Schmerz hatte sich in ihm ausgebreitet. Nicht schon wieder...er wollte nicht wieder eine Liebe verlieren...
Ciel sah sich um. „Ein Folterkeller. Deshalb also ist er hierher zurückgekehrt."
„Demzufolge ist alles klar. Ai wurde gefoltert...aber warum?" Sebastian überlegte. Irgendetwas passte nicht ins Puzzle...und dieser kleine Teil, war Ai selber.
Mehrmals strich William seiner Schülerin über die Wange. „Ai..." hauchte er ihr entgegen. Einen solchen Gefühlsausbruch hatte er noch nie erlebt. Er war auf einmal nicht mehr er selber. Nicht der William! Alles in ihm brach ein und er konnte seine Fassade nicht mehr aufrecht halten.
Er legte seinen Kopf auf ihr Dekolleté und schloss seine Augen.
Es konnte nicht sein, dass das hier alles endete...
„Senpai..."
William hob seinen Kopf ruckartig, in seinen Augen flackerte Feuer, als er ihre zarte Stimme hörte. Aufgeregt keuchte er auf und presste sie abermals an sich. „Ich bin hier" sagte er. „Ich bin bei dir." Er legte seine Wange an ihre und schloss die Augen. Ein grosser Stein fiel ihm vom Herzen.
Ai lebte...
„Wie rührend!" erklang auf einmal eine kindliche Stimme. Alle blickten zum Eingang und entdeckten ein Mädchen mit kurzen, hellbraunen Haaren und rotglühenden Augen.
„Sebastian!" rief Ciel, doch sein Butler verstand bereits und setzte sofort zum Angriff. „Ich spüre eine unglaubliche Kraft in diesem Mädchen" dachte er, während seine Hände das Beil ergriffen, das an der Wand hing.
„Die gleiche Macht, die auch Ai besitzt."
Als er das Beil schwang und schliesslich gegen sie warf, lächelte sie bloss und wich blitzschnell aus. Überrascht weiteten sich Sebastians Augen. Das Beil traf eine andere Gestalt, die sich direkt hinter dem Mädchen befand. Doch er fing die Waffe ab und schmiss sie zu Boden. Ciel wollte abermals Sebastians Namen rufen, als das kleine Dämonenmädchen plötzlich hinter ihm auftauchte und ihn packte. Ciel biss sich die Zähne zusammen. Ihr Griff war übernatürlich stark.
„Junger Herr!" rief Sebastian und wollte ihm zur Hilfe eilen, doch der andere Dämon packte ihn am Hals und begann ihn zu würgen.
Williams schnelle Reaktion, liess ihn seine Todessense abermals ausfahren. Die Spitze traf ihre Seite. Sie schrie laut auf, doch das liess William kalt. Er stiess sie mit seiner Death Scythe heftig gegen die Wand.
Ciel rannte sofort zu dem Shinigami und zog sein Revolver hervor.
„Bringen Sie Ihre Schülerin hier raus. Sebastian wird die beiden erledigen."
Ohne ein Wort zu sagen, hob er das Mädchen in seine Arme und rannte mit ihr die Treppen wieder hinauf.
Sebastians Faust landete in die Magengrube des anderen Dämons, doch ihn machte das nicht viel aus. „Herrje" seufzte der Butler und landete vor Ciel. „Dieser Dämon ist zwar sehr schwach, aber er hat einen Körper wie Stahl!" Er schüttelte den Kopf. „Das wird wohl etwas schwieriger werden!" Er packte Ciel und nahm ihn zu sich, als sich plötzlich die Dämonin auf sie stürzte.

Sachte legte William seine Schülerin in das weiche Gras. Besorgt strich er ihr über die Stirne, legte zwei Finger an ihrer Halsschlagader und fühlte einen sehr schwachen Puls. „Ai, wach auf...du musst wach bleiben" sagte er mit Nachdruck in der Stimme und rüttelte sie.
„Ich..." stammelte sie. Sofort ging sein Atem schneller. Vorsichtig klatschte er ihr gegen die Wange. „Ich...kann Sie sehen..." säuselte das Mädchen und versuchte ihre Augen offen zu halten. „Will...William-Senpai..." ein schwaches Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus und sie hob ihre Hand, die sich im nächsten Moment sachte auf seine Wange legte. William erschauderte kurz, da ihre Finger eiskalt waren. Doch ihre Berührung war mehr als zärtlich.
„William..."
Seine schreckerfüllten Augen blickten Sie starr an. „Ich bringe dich von hier weg. Mr. Michaelis kümmert sich um die zwei anderen Dämonen. Das ist nun nicht mehr unser Part" sagte er und versuchte mit einer ganz normalen Stimme zu reden, doch es gelang ihm kaum. Besorgnis und Erleichterung lagen darin. Als William sie wieder auf seinen Armen trug, legte sich Ais Kopf auf seine Brust. Seine Kleidung war blutverschmiert, aber das war ihm egal. Ai hob den Blick und sah ihn an. Rote Augen blickten in seine.
„Senpai, sehen Sie nur" sagte sie leise und sah hinauf zum Mond. William sah sie leicht verwirrt an, doch als er ebenfalls hinaufschaute weiteten sich seine Augen.
Blutrot schien der Vollmond auf sie herab.
„Ai..." flüsterte er, als sich das Mädchen von ihm löste. Sein Blick glitt von ihrem hübschen Gesicht auf ihr Dekolleté. Ungläubig blinzelte er und schluckte im nächsten Moment hart. Da wo sich die Einstichstelle befinden sollte, klaffte bloss eine lange Narbe. Ai hielt die Luft an, als seine Hand dazwischen landete und begann sie abzutasten. In ihm drehte sich alles. Zwar wusste er, dass Dämonen ihre Wunden nicht lange behielten, aber einen solch schnellen Heilungsprozess hatte er noch nie mitangesehen. Es war etwas anderes, was ihn irritierte.
Und endlich begriff er!

Mindestens drei Schüsse ertönten und im nächsten Moment ging die kleine Dämonin zu Boden. Völlig verblüfft starrte Sebastian seinen jungen Herrn, der, mit dem auf seinen Gegner gerichteten Revolver, dastand.
Der kleine Körper lag auf dem Boden und eine Blutlache breitete sich darunter aus. Für einen Moment war es still.
Doch als sie wieder das leise kichern wahrnahmen, stellten sie fest, dass es noch lange nicht zu Ende war.
„Glaubt ihr wirklich" begann sie, als sie sich wieder aufrichtete. „Dass ihr mich so einfach umlegen könnt." Sie streckte ihre Zunge aus und leckte sich das Blut von ihrem Mundwinkel.
„Hmm...lecker!"
Ciel wich zurück, als er sah, wie sich die Schusswunden an ihrer Stirne verschlossen.
„Da müsst ihr schon mehr tun...viel, viel mehr."

„Es ist so wie damals, als ich dich..." er brachte die Worte beinahe nicht über die Lippen und sah sie durchdringend an. „...weisst du noch, damals auf dem Dach der Schulhauses?"
Sofort zog sich Ais Herz zusammen. „Wie könnte ich das vergessen, Senpai" sagte sie leise. William richtete sich seine Brille.
„In dieser Nacht schien der Vollmond im roten Licht."
Ai sah ihn nun fragend an. Natürlich hatte sie es gesehen und in dem Moment gespürt, dass ihre dämonischen Kräfte wuchsen, aber sie hatte es, in der Zeit, in der sie sich in der Dispatch befand, vollkommen vergessen. Zu vieles war passiert...
„Verstehst du, Ai...der blutrote Mond verhilft dir zu neuen Kräften, deshalb heilen deine Wunden extrem schnell. Jetzt wird mir klar, warum ich damals deine Seele nicht einsammeln konnte."
„Ich verstehe Sie nicht, Senpai."
„Der Prozess deiner Verwandlung wurde beschleunigt...Ai, was hast du?" rief er plötzlich, als das Mädchen anfing sich vor Schmerz zu krümmen. Sofort stütze er seine Schülerin, dabei fiel sein Blick auf ihre Fingernägel. Sie waren pechschwarz. Als sie dies bemerkte zog sie ihre Hand sofort zurück. Gleichzeitig schlug sie die andere Hand auf ihren Mund und wandte sich von ihm ab. Tränen standen ihr ihr in den Augen. „Ich will nicht, dass er mich so sieht" dachte sie verzweifelt und fühlte mit ihrer Zunge die spitzen Eckzähne.
„Ich will nicht, dass er mich als Dämon sieht." Sie schüttelte heftig ihren Kopf und versuchte innerlich die Verwandlung zu stoppen. Sie hatte schon früher damit angefangen ihre dämonischen Kräfte zu unterdrücken, was eigentlich ein Fehler war. Sie zuckte zusammen, als sie Williams Arme um sich spürte und versuchte sich zu befreien.
„Nicht, Senpai...es ist eine Demütigung für einen Shinigami..."
William packte sie an den Schultern und drehte sie wieder zu sich. Dabei sah er ihr fest in die Augen.
„Ob Shinigami, Dämon oder Mensch...Ich liebe dich so wie du bist, Ai!"  

Lucifers daughter (A Black Butler Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt