Der nächste Morgen verging wie gewohnt. Erst die Gebetswaschung nehmen, dann beten und dann frühstücken, weil wir nicht mehr müde waren. Heute wollte Gönül mal vorbeikommen. Sie hatte vieles verpasst und wir mussten ihr natürlich alles erzählen, wie die Freundschaftsregeln es vorgeschrieben hatten. Am Nachmittag, kurz nach dem Gebet klingelte es auch schon an der Tür. Es war Gönül. Sie kam aufgeregt herein und drückte uns erstmal fest.
,,Jetzt müsst ihr mir alles, ohne etwas wegzulassen erzählen. Aber wirklich ALLES!"
,,Okay, okay. Schon klar.", sagte ich und fing sofort an.
Als sie diese Geschichte hörte, war sie so glücklich, dass sie mich so fest umarmte, dass ich kaum Luft bekam. Dann stand sie auf und ich wusste schon, was sie machte. Natürlich tanzte sie wieder wild herum. Um sie zu beruhigen, fragte ich sie, wie es mit Ömer läuft.
,,Und Gönül, wie läuft es denn mit dir und Ömer in letzter Zeit?"
,,Ach, nichts besonderes. Wir haben Schluss gemacht."
Warte, warte. WAS?! Was hat sie gerade gesagt. Wie?! Und dabei konnte sie auch noch froh sein und es ganz locker erzählen? Ging es ihr gut?! Das war nicht die Gönül, die ich kannte. Wenn sowas wirklich passieren würde, würde sie nicht einmal hierher kommen, sondern den ganzen Tag im Bett unter der Decke bleiben und weinen. Ich glaubte ihr nicht, wobei ich das richtige tat. Denn sie sagte, dass es ein kleiner Scherz war und sie sehr glücklich waren. Bald würden sie auch den Termin für die feierliche Verlobung nehmen. Obwohl es nur eine Verlobung war, wollte sie es wie eine Hochzeit haben und deshalb plante sie eine große Organisation für die Feier. Viele Gäste, einen großen Saal und noch vieles mehr. Bei so etwas, waren wir sehr unterschiedlich. Ich hingegen würde immer eine sehr "schlichte" Verlobung wollen, wo die Gäste nur aus meiner und seiner Familie und die engsten Freunde besteht. Außerdem wäre es mir viel lieber, wenn man Versprechung und Verlobung in einem macht, weil man umsonst Stress vermeiden würde, wenn man an einem Tag beides hat. Aber jeder hat natürlich eine andere Vorstellung von seiner Verlobung oder Hochzeit. Wie zum Beispiel bei mir und Gönül. Unsere Köpfe waren bei solchen Themen immer zwei unterschiedlich Welten. Ich respektierte es aber vollkommen. Nach den ewigen, sinnlosen Quatschereien, wurden wir langsam müde, gingen noch beten und dann anschließend schlafen. Gönül wollte diese Nacht hier übernachten, was uns natürlich umso mehr erfreute. Sobald wir uns in die Decken kuschelten, verging auch die Müdigkeit wieder. War ja klar.
,,Psstt. Schläft ihr noch Mädels?", fargte Azelya leise.
,,Nö", sagten Gönül und ich gleichzeitig und mussten lachen. Plötzlich bekamen wir alle einen Lachanfall, den wir schwer loslassen konnten. Es wollte einfach nicht weggehen. Ohne Grund lachten wir. Und das auch noch laut! Als wir uns dann endlich beruhigen konnten, verging uns komplett die Müdigkeit und wir quatschten jetzt nur noch. Wir lachten, weinten ab und zu, erschreckten uns... über die verschiedensten Theman redeten wir. Es wurde von Thema zu Thema gewechselt. Wir merkten gar nicht, wie schnell die Zeit verging, bis wir den Adhan (Gebetsruf) für das Morgengebet hörten. Es kam von Gönüls Handy. Wir hatten schon viel geredet, merkten wir. Bis zum Morgengebet. Krass! Nacheinander nahmen wir die Gebetswaschung, die ich mithilfe von den Mädels natürlich schaffte und gingen zusammen beten. Wir gingen danach aber wirklich ins Bett, um zu schlafen, was wir auch taten. Wir schliefen sofort ein.
Ein Schrei von Azelya riss mich aus meinen schönen Traum, der von meinen Eltern stammte. Mit glasigen Augen und feuchten Wangen, weil ich wahrscheinlich im Schlaf geweint hatte, stand ich schnell auf. Gönül war eine Tiefschläferin. Dies konnte sie mir wieder einmal beweisen. Azelya hat so laut geschrien, dass es sogar die Nachbarn bestimmt hörten, nur Gönül nicht. Sie lag neben mir, sodass ich ihr immernoch in der gleichen, liegenden Position begegnete. Wenn sie panisch aufwachen würde, wegen dem Schrei, würde es nicht gut enden. Sie würde total tollpatschig sein und unnötigen Stress aufbauen. Ihre Tollpatschigen Bewegungen würden, wie die von mir im Alltag sein. Also deshalb war es mir lieber, dass sie nicht Panik kriegen sollte. Deshalb lies ich sie in Ruhe friedlich weiter schlafen und versuchte irgendwie über sie zu klettern, um endlich aus dem Bett zu kommen. Langsam, mit vorsichtigen Schritten, stieg ich die Treppen hinunter. Als ich an der letzten Stufe ankam, stolperte ich über etwas Großem. Es war Azelya. Sie stöhnte kurz und hörte sich sehr verletzt an.
,,Azelya iyi misin (Azelya, geht es dir gut)?"
,,Sieht nicht so aus. Ich bin von der Treppe gefallen. Ich kann nicht aufstehen, ich glaube, da ist was gebrochen."
,,Ja? Wirklich? Oh nein. Inşallah, ist nichts. Komm ich versuche dir mal zu helfen. Wo bist du, gib mir deine Hand."
Ich streckte meine Hand rüber und spürte in wenigen Sekunden schon ihre Hand auf meine. Langsam versuchte ich sie hochzuziehen, was nicht erfolgreich endete. Diesmal fiel ich selber hin und versuchte trotzdem irgendwie hochzukommen. Ich rief nach Gönül, wobei ich mir sicher war, dass sie es niemals hören würde. Ein Versuch war es trotzdem Wert. Doch sie kam immernoch nicht. Schnell sagte ich Azelya, dass sie Aytaç oder ihre Eltern wenigstens anrufen sollte, damit sie helfen konnten. Alleine schaffte ich das nicht. Wir entschieden uns aber dafür, dass wir den Krankenwagen rufen sollten, weil uns später eingefallen ist, dass Aytaç in der Arbeit war und die Eltern wahrscheinlich noch am Schlafen waren. Nach ein paar Minuten kam es auch schon. In der Zwischenzeit, als der Krankenwagen noch nicht da war, wachte endlich Gönül auf und wir beide trugen sie erstmal ins Wohnzimmer, auf die Couch. Während Azelya im Krankenwagen war, fuhren wir mit Gönüls Auto hinterher. Nach ein paar Untersuchungen und Feststellungen, das es nur eine Prellung war, waren wir erleichtert, dass es ihr gut ging und riefen anschließend ihre Eltern an. Aytaç gaben wir nicht Bescheid, weil er nicht umsonst seine Arbeit abbrechen sollte, meinte Azelya selbst. Amine Teyze, ihre Mutter, war sehr besorgt und wollte, dass wir die nächsten Tage bei ihnen bleiben sollten, weil Azelya sich nicht so oft bewegen sollte, meinte der Arzt. Gönül schlug aber vor, dass ich ein paar Tage zurück in unsere Stadt fahren könnte, weil ich sowieso noch Kleinigkeiten zu Hause vergessen hatte. Außerdem hatte ich Müezza schon so lange nicht mehr gesehen, dass ich sie endich wieder in meine Arme nehmen und mit ihr kuscheln wollte. Wir waren alle einverstanden und hatten vergessen, das alles Aytaç Bescheid zu geben. Was für eine Freundin ich war. Super! Ich und Gönül umarmten und küssten Azelya noch auf die Stirn und machten uns auf dem Weg...Aber davor hielt mich Azelya noch am Arm fest und flüsterte mir ins Ohr: ,,Du hast heute Nacht im Schlaf geweint und über deine Eltern geredet, deshalb ist es auch besser, dass du mit Gönül gehst, denn dann kannst du auch die Gräber von ihnen besuchen." Sie drückte mir ein Kuss auf die Wange und wir gingen...
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Eyes of Love
RomanceEflin. Das war sie. So hieß sie. Eine Muslima, die eine tolle Menschlichkeit besaß. Sie hatte schwere Zeiten erlebt. Vor 6 Jahren starb ihr Vater. Sie war Einzelkind und lebte mit ihrer Mutter alleine. Als sie dann aber auch starb, hatte sie außer i...