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Ich saß in der Küche und aß meine Cornflakes. Ich sah aus dem Fenster und schaute dabei zu wie sich das Oktoberwetter über London erstreckte. Die Blätter an den Bäumen hatten sich bunt gefärbt und fielen nun langsam auf den Boden hinunter. Etwas, was ich immer sehr genoss.

Ja, es war inzwischen wirklich schon Oktober und alles war beim alten. Eigentlich war es nicht wirklich etwas passiert, was erzählenswert gewesen war. Calum fehlte mir immer noch total, doch es hat sich nichts zwischen uns geändert. Naja...außer...vielleicht eine Sache.

In den letzten Wochen ist mir klar geworden, wie einsam ich doch bin, obwohl ich Calum hatte. Ich sehe tagtäglich so viele glückliche Pärchen und mir wird klar, was ich nicht habe. Jemand, der mich hält. Jemand, neben dem man nachts einschlafen konnte.
Doch das Einzige, was mich wieder lächeln ließ, waren Calum's Worte, die ich immer im Kopf hatte: Wir schaffen das, weil wir wir sind.

Jay kam in die Küche. Er hatte die Zeitung von heute in der Hand und las diese. "Hey du. Alles gut?", fragte er mich. Ich nickte und sagte nichts. Dann schlug er die Zeitung neben mir auf den Tisch. "Okay, Bella raus mit der Sprache! Was ist los?". Ich sah ihn mit großen Augen an. "Was soll sein?", fragte ich. "Du bist anders. Und das schon seit Tagen.", fragte mein großer Bruder, der mit einem besorgten aber auch mitfühlenden Gesicht ansah. "Jay, mir gehts gut. Wirklich.", ich stand auf und stelle meine leere Schüssel in die Spüle. Ich wollte nicht, dass er sah, dass wirklich etwas war. Ich wollte nicht, dass er mitbekam wie schlecht es mir ging. Er würde sich nur Sorgen um mich machen.

"Du weißt ich bin da. Du kannst immer zu mir kommen.", sagte er. Ich nickte und sagte: "Ich weiß Bruderherz.". Dabei setzte ich ein filmreifes Lächeln auf. "Ich muss zur Schule. Bis später.", sagte ich und ging an ihm vorbei. Ich holte meine Tasche, zog mir meine Jacke und meine Schuhe an und verließ dann das Haus. Vor dem Haus wartete schon Lou, die mich mit zur Schule nahm.

"Geht's dir besser?", fragte sie während der Fahrt. "Geht so.", sagte ich mit monotonem Ton. Lou war die Einzige, der ich von meinen Gefühlen erzählt hatte.

Als erstes hatte Lou Geschichte. Ich hingegen hatte Mathe. Ich würde sie erst in der Mittagspause wiedersehen. Ich ging zum Klassenzimmer und setzte mich auf meinen Platz in der letzten Reihe. Ich hätte am liebsten einschlafen können. Ich hatte letzte Nacht bis 2 Uhr mit Calum geschrieben.

Somit meisterte ich auch die Fahrt durch 'das spannende Land von Zahlen und Gleichungen' (wie es mein Lehrer gern nannte) und ging in der Pause zu meinem Spind, um meine Bücher für Biologie zu holen. Ich merkte, wie mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Mein erster Gedanke war, dass es Calum war, doch ich wusste, dass er heute den ganzen Tag mit seiner Band proben würde. Es wunderte mich als ich sah, dass Jay mich anrief. Das war eigentlich ziemlich ungewöhnlich. Er rief mich sonst nie um diese Uhrzeit an.

"Jay, ich hab dir gesagt, mir geht's gut. Du musst mich nicht jetzt nicht alle paar Stunden anrufen.", sagte ich.
Ich hörte nichts. Dann hörte ich ein leises Schniefen am anderen Ende. Sofort verdrehte sich mein Magen. Ich wusste etwas stimmte nicht. "Jay?"
Immer noch nichts.
"Jay? Was ist los?", fragte ich.

"Es geht um Grandpa."

In diesem Moment hatte ich das Gefühl meine Welt würde in tausende kleine Stücke ineinander zusammenfallen. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich hätte weinen können, doch auf der anderen Seite wollte ich schreien. Jay erklärte mir, was los war. Als ich auflegte dachte ich keine Sekunde länger nach. Ich schmiss die Tür meines Spindes zu und machte mich auf dem Weg zum nächsten Ausgang. Ich rempelte gegen einige Leute. Solche Sätze wie "Pass doch auf!" oder "Hey, was soll das?" ignorierte ich einfach.

"Bella?", jemand packte mich am Arm. Es war Lou. "Was ist los?", fragte sie. Ich begann zu weinen. "Mein...G-Grandpa. Er ist im Krankenhaus...i-ich muss zu ihm!", sagte ich und versuchte den fragenden Blicken der anderen auszuweichen. "Okay. Ich lass mir eine Ausrede einfallen.", sagte Lou und umarmte mich. Ohne ein weiteres Wort zu sagen ging ich aus dem Schulgebäude. Der Fakt, dass ich dabei war zu schwänzen war mir scheißegal! Es ging hier um eine der wichtigsten Personen in meinem Leben und die hatte jetzt Vorrang!

Ich stieg in das erste Taxi, was mir in den Weg kam und fuhr zum Krankenhaus. Dort angekommen sprintete ich in den 3. Stock, wo mein Opa lag. Ich hetzte durch die Flure ohne zu wissen, wohin ich gehen sollte. Dann irgendwann erkannte ich ein bekanntes Gesicht. "Bella.", sagte Jay, als er mich sah und mir entgegen kam. Er nahm mich in den Arm. "Wo ist er? Was ist passiert? Wie geht es ihm?", fragte ich hektisch. "Ich weiß nicht...der Arzt ist noch bei ihm.", sagte Jay und sah zu Boden. Er sah richtig fertig aus. Seine Augen waren leicht errötet und seine Lippe zitterte.

"Wo sind Mom und Dad?", fragte ich. "Sie...sie kommen so schnell sie können.", gab er zurück. Ich nickte. Wir setzten uns auf die Stühle vor dem Untersuchungsraum und warteten. Und warteten. Und warteten. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Es war furchtbar nicht zu wissen, was da drin vor sich ging oder wie es Grandpa ging.

Dann kam der Arzt raus auf den Gang. "Mr. Hartley?", fragte er mit tiefer Stimme. Sofort sprangen Jay und ich auf. "Wie geht es ihm?", fragte ich den Arzt und hatte irgendwie Angst vor seiner Antwort. "Also die gute Nachricht ist, er lebt. Die schlechte ist: er hatte einen Herzinfarkt.". Ich hatte das Gefühl mir würde schlecht werden. "Er hatte einen Herzstillstand. Wir konnten ihn wiederbeleben, doch das er noch lebt grenzt an einem Wunder.".

Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Jay legte seinen Arm um mich und versuchte mich zu trösten. "Sein Zustand ist stabil.", wenigstens eine gute Nachricht, "Jedoch...können wir nicht sagen ob das so bleiben wird...", sagte der Mann.

"Können wir zu ihm?", fragte Jay. Der Arzt sah erst zu Jay, dann zu mir. "Es tut mir leid, solange er noch nicht wach ist darf er keinen Besuch empfangen. Aber wir werden ihnen mitteilen, wann es soweit ist.", sagte er und lächelte uns aufmunternd an. Dann verabschiedete er sich und ging.

Ich fing erneut an zu weinen. Jay umarmte mich und ich weinte in sein T-Shirt hinein. "Es wird alles gut.", sagte er. "Er wird wieder.".

Das hoffe ich Jay. Das hoffe ich.

» English Love Affair « {C.H.} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt