2| predator.

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[raubtier.]

Nachdem ich Emily abgesetzt hatte, wunderte ich mich über ihr Verhalten heute. Sie war komisch, nicht die Emily, die ich kannte, und als ich ihr das mit meinem Job gesagt hatte, habe ich so etwas wie Freude in ihren Augen gesehen, oder?

Kein Sinn, dachte ich, drehte das Radio ein wenig auf und trommelte im Rhythmus auf das Lenkrad.

Ich fuhr weitere zehn Minuten die lang gezogenen Landstraße entlang, als plötzlich ein lauter Knall ertönte. Erschrocken drückte ich die Bremse durch und legte eine ruppige Vollbremsung hin.

»Maya?«, fragte Lia ängstlich von hinten.

»Es wird alles gut, Liamaus. Ich schau kurz nach, was das war. Bin gleich wieder da! Bleib sitzen.«, sagte ich mit einem sanften Lächeln, um sie zu beruhigen und drückte kurz ihr Knie.

Bevor ich jedoch die Möglichkeit hatte, das Auto zu verlassen, hielt ein schwarzes Auto direkt neben meinem. Da die Scheiben von dem Auto total getönt waren, konnte ich nicht ausmachen, wer im Inneren saß. Außerdem hielt der Wagen sehr nah – zu nah neben meinem Golf.

Ein großgewachsener Mann in lässigen schwarzen Klamotten und einer ebenfalls schwarzen Lederjacke stieg aus und umrundete in schnellen Schritten seinen Wagen. Er stoppte vor der Fahrerseite und klopfte an meine Fensterscheibe, um mir zu non-verbal zu sagen, dass ich das Fenster herunter fahren sollte. Ich zögerte einige Sekunden und fuhr das Fenster dann einen Spalt herunter.

»Guten Abend. Eine so hübsche Frau, wie Sie sollte um diese Uhrzeit nicht hier sein.«, sagte er und richtete seine Sonnebrille.

Warum brauchte man abends in der Dunkelheit eine Sonnenbrille? Und woher kam er überhaupt? Ich hatte alle paar Sekunden meine Spiegel überprüft und kurz vor meiner Vollbremsung war kein einziges Auto hinter mir.

Genervt atmete ich geräuschvoll aus, stieß meine Tür ohne Rücksicht auf Verluste auf und stieg aus. »Danke für diesen Tipp, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.«

»Au!«, zischte der Mann.

»Ups! Habe ich Sie getroffen? Das tut mir jetzt wirklich leid.«, entgegnete ich mit einem ironischen Unterton.

»Wissen Sie überhaupt, wie gefährlich dieser Teil von New York ist? Der ist nichts für Sie und Ihre Tochter. Schon gar nicht um diese Uhrzeit!«, erwiderte der Mann und fuhr sich durch seine dichten braunen Haare.

Und ich bin das hilflose Mädchen, dass gerettet werden muss. Blah, blah, blah, brauchte ich nicht zu hören.

»Schwester, sie ist meine Schwester – Mist!« Ich hockte mich hin und schaute mir den Reifen genauer an.

Mist, ich hatte einen Platten. Was für eine Scheiße! Es wird bestimmt Stunden dauern, bis der Reifendienst hier sein wird. Argh, ich hatte das Bedürfnus in die Dunkelheit zu schreien!

»Alles okay, da drüben?«, erkundigte sich der Mann über das Auto hinweg.

Nein, nichts ist in Ordnung, mein Wagen hatte einen Platten.

»Wie man es eben findet, wenn man einen Platten hat.«, erwiderte ich, erhob mich und suchte nach meinem Handy.

Ein breites Lächeln machte sich in dem Gesicht von dem Mann breit.

»Sie erfreuen sich an meinem Leid, wie schön.«, murmelte ich und entdeckte mein blinkendes Handy auf dem Beifahrersitz.

»Ich bin einfach nur froh, dass es geklappt hat.« Er kam mit großen Schritten auf mich zu.

»Was hat geklappt?«, hakte ich skeptisch nach und blieb vor der Beifahrertür stehen.

Mein Handy hörte auf zu blinken und Logans Name erschien auf dem Bildschirm.

»Dich zu bekommen!«, antworte er ruhig und holte ein kleines Fläschchen aus seiner Jackentasche.

Ein Psycho. Ich bin gradewegs einem Psycho in die Arme gelaufen.

Er kam noch näher und drückte mir wenige Sekunde später ein feuchtes Taschentuch auf meinen Mund und meine Nase. Ich versuchte mich gegen den starken Griff von dem Mann zu wehren.

Vergeblich. Er war viel zu stark.

Ich merkte, wie mein Körper immer schwächer wurde und wie sich meine Finger langsam von dem Griff der Beifahrertür lösten. Keine Sekunde später wurde mir schwarz vor Augen. Das Letzte, was ich vernahm, waren Lias gedämpfte Schreie.

***

Von einem Unsanften rütteln wurde ich wach. Stöhnend wegen Kopfschmerzen öffnete ich meine Augen. Helles Licht blendete mich unangenehm.

Oh mein Gott, Lia! Ich hörte ihre Schreie in meinen Gedanken.

Ruckartig setzte ich mich auf und sah in ein grünes Augenpaar, das mich eindringlich musterte.

»Wo bin ich? Wo ist meine Schwester und wer bist du?«, wollte ich wissen und wurde immer mit jedem Wort das meinen Mund verließ lauter.

Mein Körper war im Panikmodus. Wo war Lia? War alles okay mit ihr? Hatte der Psycho auch sie betäubt?

Sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Von ruhig zu wütend.

»Erstens, Schrei mich nicht nochmal an! Zweitens, du bist in einem Flugzeug. Drittens, deine Schwester ist in Sicherheit, sie isst gerade." Seine Stimme war bedrohlich tief und rau.

Er wollte noch etwas ergänzen, aber ich unterbrach ihn. »Du meinst in Sicherheit bei dir? Das ist das Beknackteste, das ich je gehört habe.«

Seine Augen wurden dunkler und er beugte sich wie ein hungriges Raubtier über mich. Sein heißer Atem strich mein Gesicht.

»Viertens, ich bin Jayden Bourne und glaub mir, ich werfe dich, ohne zu zögern, ohne Fallschirm aus diesem Flugzeug.«, raunte er und bohrte seinen Augen in meine.

Jayden Bourne? Der Name war heute schon gefallen. Ich durchforstete mein Gedächtnis und stieß ein paar Sekunden später auf das Gespräch mit Emily heute Morgen.

Jayden Bourne war der Grund, warum ich Emily heute zu Hause abgesetzt hatte und warum ich überhaupt über die Landstraße gefahren war. Und noch viel schlimmer Jayden Bourne war laut Emily der gefährlichste Mafia Boss Amerikas.

Oh mein Gott. Oh mein Gott.

Sie und ErWo Geschichten leben. Entdecke jetzt