37| peace of mind.

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[seelenfrieden.]

»Maya?«

Logan hielt im Türrahmen seines Zimmers inne, das sich schräg gegenüber von meinem befand und musterte meine Erscheinung.

»Logan.«, erwiderte ich entschlossen und schloss die Tür meines Zimmers.

»Du sollst in deinem Zimmer bleiben. Anweisung vom MI9!« Auch seine Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss.

»000 und 001 erwarten mich.«, antwortete ich schlicht und machte einen gewagten Schritt Richtung Fahrstuhl.

»Woher willst du das wissen? Warte, Maya!«, er packte bestimmend meinen Unterarm und drehte mich zu ihm um. »Was hast du getan?«

»Hoffentlich meinen Seelenfrieden zurückverlangt.«

Ich entriss ihm meinem Arm und steuerte zügig die Fahrstühle, an begleitet von den dumpfen Geräuschen, die meine hochhackigen Ankel-Boots auf dem dicken Teppichboden erzeugten.

»Dein Seelenfrieden bedeutet, was?«, wollte er wissen, als wir im Gleichschritt das Hotel verließen.

Mein Herz schmerzte, wenn ich daran dachte, was mein Seelenfrieden neuerdings war und was es vor Jahren war. Es war, als hätte ich die Seiten getauscht. Vom Familienmensch zu einem ... hirnlosen, verliebten Menschen, der ganz vergaß, was ihrer Familie ihr einst bedeutet hatte. Andererseits hatte ich das überhaupt nicht vergessen. Ich hatte lediglich meine Prinzipien geändert und in eine neue Reihenfolge gebracht. Mit der Aussicht, Schmerzen in meinem Herzen zu ertragen, um meinen Seelenfrieden zurückzugewinnen, den ich, seit Jasons Tod verloren hatten.

Du bedeutest meinen Frieden. Lia bedeutet meinen Frieden. Lara bedeutet meinen Frieden. Das Wissen, das Mum und Dad an einem besseren Ort waren, bedeutete meinen Frieden. Das Wissen, das Jason seinen Frieden gefunden, hatte bedeutet meinen Frieden. Jayden bedeutete meinen Frieden. Alles an ihm bedeutete meinen Frieden, dachte ich den Tränen nah, lautlos in meinem Gedanken.

Logan hielt stumm neben mir mit meinen schnellen Schritten mit und ließ mich zu seinem und meinen Wohl in Frieden. Wahrscheinlich konnte er sich die Entwicklung selbst zusammenreimen oder er war bei mir einfach nur auf der Hut. Oder beides. Mein und sein Verstand arbeiteten ständig ununterbrochen auf Hochtouren und gingen ohne Ausnahme täglich verschiedene Ausgänge unserer Handlungen im kleinsten Detail durch. Berufsrisiko, könnte man sagen.

André, der uns stumm gefolgt war, öffnete die hohe weiße Tür und ließ Logan und mich eintreten. »Mr und Miss Swan.«, begrüßte uns die Dame, die mich auch gestern empfangen hatte. »Sie werden bereits erwartet! Folgen Sie mir bitte. André warte hier unten. Ich gebe dir gleich Aufgaben.«

Logan ließ mir gentlemanlike den Vortritt der Dame, die breite hölzerne Wendeltreppe hinauf zu folgen. Im zweiten Stock nach unendlich vielen Stufen, die zwischendurch heftig knarrten, stoppten wir vor einer dunklen Doppeltür.

Sachte klopfte die ergraute Frau an die Tür. Kurz darauf wurden beide Türen geöffnet. Ein sanfter Windstoß streichelte mein Gesicht durch die Heftigkeit, mit welcher die Türen aufgerissen wurden.

Ein mittelgroßer gotischer Gerichtssaal mit hohen Decken offenbarte sich vor uns. 000 und 001 hatten ihre Plätze gegenüber von den Zuschauern am Richterplatz bereits eingenommen. Der Saal war überfüllt mit Agenten vom Innen- und Außendienst, das einige von ihnen an der Wand gelehnt verharrten.

»Maya und Logan Swan treten Sie ein! Setzt euch! Die anderen machen euch selbstverständlich zwei Plätze frei.« Ein genervtes Stöhnen ging durch die Reihen, ehe sich in der ersten Reihe zwei unseres gleichen erhoben.

Begleitet von unzähligen Augenpaaren steuerten Logan und ich die Sitze an, während die Türen mit einem dumpfen Geräusch zuknallten.

»Na Logan, was hat deine kleine Schwester getan, um euch beiden eine Sonderbehandlung zu ermöglichen?«, fragte eine männliche Stimme belustig, als wir an ihm vorbei liefen. Er musste nicht weiter sprechen, der Nachklang seiner Worte deutete an, dass ich extra Leistungen absolviert hätte, um meinem Bruder und mir diese Sonderbehandlung zu ermöglichen.

Abrupt blieb ich stehen und traf auf Anhieb die belustigten Augen von dem Mann in dem Alter meines Bruders. Mein Handballen traf unverzüglich von unten seine Nase, ehe meine Faust auf seinen Kehlkopf sauste und mein Knie heftig in seinen Weichteile schlug.

»Hmm, ich weiß auch nicht.«, überlegte ich flüsternd an seinem Ohr, als er nach meinem Angriff in gebeugter Haltung nach vorne lehnte. »Ich bin höchstwahrscheinlich einfach um Welten besser als du und halte mich nicht mit unnötigen Aussagen über Themen auf, von denen ich keine Ahnung. Kleiner Tipp: Pass das nächste Mal, auf wem du eine falsche Aussage an den Kopf schmeißt.« Ich trat ihm mit einem gezielten Tritt in seine auf sein Knie und ließ gleichzeitig los, damit er stöhnend zu Boden sinken konnte.

Dort wo er hingehört, bestätigte mein Dämon schulterzuckend. Es war ihm genauso egal wie mir.

Die Tür hinter mir fiel erneut mit einem dumpfen Knall ins Schloss und ließ mich meinen Kopf drehen. Jayden stand keine zehn Meter entfernt zwischen zwei Bodybuildern und beobachtete das Geschehen, ehe ein süffisantes Grinsen auf seinen Lippen zupfte. Obwohl ich seine Reaktion genaustens aufgesaugt hatte, ließ ich meinen Blick weiter über die Masse gleiten, wie als hätte ich seine Anwesenheit überhaupt nicht vernommen und hätte auch nicht kurz zuvor einen Mann zwei Jahre älter als ich zu Boden gebracht.

Der Saal war still, als Logan und ich erneut unseren eigentlichen Weg aufnahmen, und wurde nur durch das Klackern meiner Schuhe unterbrochen. Keiner wagte, seine Stimme zu erheben oder überhaupt noch in die Richtung von Logan und mir zu schauen.

Es war eine ironische Situation, da jeder, der hier saß, ein Agent vom MI9 war und dementsprechend schon mindestens eine Person zu Boden gebracht oder sogar getötet hatten. Trotzdem waren nun alle eingeschüchtert und saßen auf Eierschalen. Vielleicht verunsicherte sie die Tatsache, dass ich mich nicht gekümmert hatte, dass unweit der Boss aller Bosse 000 saß und das Geschehene genaustens beobachtet hatte. Sollte mir egal sein, hätte ich nicht reagiert, hätte Logan reagiert und im Gegensatz zu meiner Reaktion würde der Typ nach Logans Reaktion blutend auf dem Boden liegen.

Die Verhandlung dauerte eine Stunde. Fühlt sich aber wie zwei Stunden an. Mein Teufel war zwischenzeitlich mehrmals eingenickt, während mein Engel alles aufmerksam verfolgt hatte. Logan saß mit sturen Blick nach vorne und verschränkten Armen neben mir.

Der Saal leerte sich rasch um uns herum. Das laute Stimmengewirr, das uns umgab, schwappte schwach an meinen Ohren. In meinem Blickfeld gab es nur meinen Bruder und seine wütenden Blicke, die die Wände ihm gegenüber angriffen. Dass er überhaupt nicht wütend war, sondern einfach nur bodenlos Enttäuschung gegen über mir empfand, machte die ganze Sache nicht besser.

Ich wusste ja von Anfang an, ich müsste ihn verletzten mit meiner Entscheidung, aber ... diese Enttäuschung war noch schlimmer als Wut. Warum könnte er nicht wütend auf mich sein? Warum könnte er mich nicht anschreien? Verfluchen? Zu einem Kampf heraus fordern?

»Wenn du bereit bist, mit mir über heute zu reden.«, fing ich sanft an und blickt auf meine ineinander verschränkten Hände. »Dann ... dann such mich. Du wirst für immer der Einzige sein, der mich finden kann.« Zögernd erhob ich mich von dem ungemütlichen Holzstuhl und schaute auf seine nun auch verschränkten Hände.

Holz knarzte nicht unweit von uns entfernt und kündigte an, das sich eine fremde Person näherte. Ein plötzlicher Impuls aus meinem tiefen Inneren ließ mich zügig und sanft zugleich seine verschränkten Hände drücken, ehe ich mich ganz aufrichtete und langsam rückwärts den Gang entlang lief.

Tom verharrte zwei Gänge hinter Logan und fing meinen Blick auf. Er nickte mir knapp zu. »Kümmer dich um ihn.«, sagte ich mit meinen Augen.

»Du kannst dich auf mich verlassen, Honey.«, erwiderte er und salutierte im Scherz. »Ich passe auf ihn auf! Du kannst gehen.«

Auch ich nickte ihm zu, drehte mich auf meinem Absatz um und steuerte die Doppeltür an.

Sie und ErWo Geschichten leben. Entdecke jetzt