Kapitel 21

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"Wie geht es Will?", frage ich gleich, als ich mich vor seinem Krankenbett aus den Schatten zusammensetze und das Mädchen, das gerade eine Hand auf seine Stirn gelegt hat, zuckt vor Schreck leicht zusammen, bevor sie sich zu mir umdreht. Sie hat blonde Haare, fast wie Will, die sie zu einem kurzen Bob geschoren hatte und so hellblaue Augen, dass sie fast leuchteten.

"Oh, Nico... ähm Will... ihm, also...", stottert sie schüchtern und ich verdrehe die Augen.

"Nun spucks schon aus, ich werde dich ja wohl nicht gleich in den Tartaros verbannen", eigentlich hatte ich versucht einen Witz zu machen, doch an dem erschrockenen Gesicht des Mädchens kann ich sehen, dass sie wohl genau das gedacht hat.

Ihr Ernst? Warum denken manche Leute hier immer noch, dass ich so etwas machen würde?

Ich war im Tartaros und ich könnte es nicht übers Herz bringen, irgendjemanden dort hin zu schicken.

"Das war nicht ernst gemeint, du brauchst keine Angst vor mir haben und jetzt sag mir bitte, wie es Will geht", versuche ich das Mädchen, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann zu beruhigen.

"Ja, tut mir leid... also Will geht es nicht... ganz so gut", sie scheint ihre Worte immer noch vorsichtig abzuwiegen.

"Und 'nicht ganz so gut' bedeutet?", frage ich sie.

"Er ist noch nicht aufgewacht und in einem ziemlich kritischen Zustand, da er viel Blut verloren hat. Wir verabreichen ihm zwar seit gestern Abend Nektar und Ambrosia, aber bis jetzt hat sich nichts getan... außerdem...", die Blondine deckt die dünne weiße Decke auf. Will trägt kein T-Shirt und ein blutiger Verband ist im seine Taille gewickelt. Von dort aus ziehen sich kleine schwarze Adern über seinen ganzen Oberkörper.

"Was?", frage ich verwirrt. Mir war diese Wunde gar nicht aufgefallen.

"Er wurde vergiftet. Aber wir wissen leider nicht womit, das hier", sie deutet auf die schwarzen Adern. "Ist uns vollkommen unbekannt. Und bevor wir nicht wissen, was das ist, können wir nichts tun"

"Kann ich euch irgendwie helfen?", frage ich das Mädchen verzweifelt und sie schüttelt den Kopf.

"So lange du kein Spezialist für Monstergifte bist, leider nicht. Chiron arbeitet schon daran, herauszufinden, was mit Will passiert ist, aber bis dahin können wir nur versuchen Will durchzubringen", antwortet sie. Ich fahre mit meinen Händen durch meine Haare.

"Das ist alles meine Schuld, hätte ich einfach nur dieses verdammte Armband angezogen", murmle ich. Das Mädchen deckt Will wieder zu.

"Nico!", höre ich eine Stimme hinter mir rufen und drehe mich um, Piper kommt auf mich zugelaufen. Sie sieht etwas verschwitzt aus und hält ihren Dolch in der Hand.

"Ich war gerade trainieren und wollte mal sehen, wie es Will geht, was ein Zufall, dass ich dich hier treffe", meint sie und steckt ihren Dolch in die Scheide an ihrem Gürtel.

"Ja", sage ich und versuche zu lächeln, ich hätte das Gespräch mit Piper echt gerne noch etwas herausgezögert.

"Lyn, kannst du uns mal kurz alleine lassen?", fragt Piper das Mädchen, das offensichtlich Lyn heißt. Sie nickt und verlässt die Hütte.

"Also Nico", Piper setzt sich auf eines der freien Krankenbetten. "Erzählst du mir jetzt endlich was los ist?"

Ich beiße mir auf die Unterlippe: "Warum wollt ihr das alle denn so unbedingt wissen?"

"Weil wir deine Freunde sind und uns Sorgen um dich machen, deshalb", antwortet Piper.

"Ich brauchte nur ein bisschen Zeit um nachzudenken", sage ich und zucke mit den Schultern.

"Ein bisschen Zeit? Du warst wochenlang nicht aufzufinden", meint Piper und legt dann ihren Kopf schief. "Nico, nun erzähl mir doch...", fängt sie an, doch ich bin bei ihr und habe ihr schon meine Hand auf den Mund gelegt, bevor sie weitersprechen kann.

"Versuche es gar nicht erst mit Charmesprech", sage ich, bevor ich meine Hand wieder wegnehme.

"Aber, sonst kann man ja nichts aus dir herausbekommen.", antwortet Piper und verschränkt die Arme vor der Brust. "Du hast mir versprochen, dass du mir erzählst, was los ist."

"Habe ich doch schon, ich war nur ein bisschen unterwegs, hier und da", sage ich und Piper zieht die Augenbrauen nach oben.

"Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir das abkaufe, oder?", meint sie. "Warum verstehst du denn nicht, dass wir dir nur helfen wollen?", fügt sie noch hinzu.

"Vielleicht, weil mir nie jemand helfen will und ich auch gar nicht eure Hilfe brauche?!", fahre ich sie an. "Ich schaffe das schon alleine", murmle ich noch.

"Aber du musst das doch nicht alleine schaffen, dafür sind wir doch alle hier", versucht Piper mich zu beruhigen.

"Du siehst doch, was dabei rauskommt", sage ich und zeige auf Will. "Meine Freunde werden verletzt und ich bin Schuld daran"

Piper kommt auf mich zu und legt einen Arm um mich.

"Du bist nicht Schuld daran, die einzigen, die Schuld sind, sind diese dummen Empusen", meint sie.

"Piper, du verstehst das nicht, es war meine Schuld, allein meine. Hätte ich mein Armband getragen und nicht vergessen, dann hätten mich diese Teile nie gefunden, und Will nie verletzt", sage ich und sehe mich zu Will um.

"Gut, du hast vergessen das Armband anzuziehen, aber es hätte genauso gut an Wills Geruch liegen können", antwortet Piper.

"Das glaube ich eher weniger", murmle ich und Piper verdreht die Augen.

"Wann merkst du endlich, dass nicht alles schlimme deine Schuld ist? Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort oder hat Pech gehabt"

"Aber bei mir kommt immer sowas dabei raus", ich deute auf Will. "Und ich habe da keine Lust mehr drauf", sage ich und eine Träne rollt über meine Wange.

Noch bevor Piper etwas weiteres sagen kann, bin ich schon verschwunden.

Umbrakinesis - Nico di AngeloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt