Kapitel 4

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In meinem Team sind zwei Jungen, die anscheinend sehr gut miteinander befreundet sind und drei Mädchen. Zwei davon tuscheln die ganze Zeit und freuen sich anschienend bei diesem Typen gelandet zu sein, die dritte jedoch erscheint mir ganz sympathisch, sie hat blonde kurze Haare und ist nicht so wie die anderen Mädchen komplett aufgestyled, sondern nur leicht geschminkt.

"Also, Mr. Anderson will, dass ich euch was zeige, also komm mal her", sagt er und zeigt genau auf mich. Meine Finger krampfen sich zusammen, ich habe keine Lust mit diesem Typen irgendwas zu machen und noch weniger vielleicht von ihm verprügelt zu werden. Trotzdem bewege ich mich langsam auf ihn zu, während er genervt mit dem Fuß auftippt.

"Brauchen wir keine Matte?", fragt das blonde Mädchen, doch der Junge schüttelt den Kopf.

"Nö, dass geht auch so."

Als ich bei ihm angekommen bin, nimmt er ohne Vorwarnung mein Handgelenk und schleudert mich einmal über sich. Der Aufprall auf den Boden ist hart und alle Luft wird aus meiner Lunge gepresst. Es ist nicht sonderlich schlimm, ich habe schon schlimmere Schmerzen erlitten, wogegen das hier nichts ist. Aber der Schock bringt mich dazu erstmal liegenzubleiben und nach Luft zu ringen.

"Ryan! Du hast gesagt, wir brauchen keine Matte!", ruft das Mädchen, dass ihn eben schon danach gefragt hat, und rennt zu mir rüber.

"Alles in Ordnung bei dir? Ich bin Schulsanitäter. Tut dir irgendwas weh?", sagt sie und beugt sich über mich. Ich schüttle den Kopf und stehe schnell auf. Dann gehe ich zu den anderen zurück und versuche mit nicht anmerken zu lassen, dass mir schwarz vor Augen wird. Währenddessen streitet sich die Sanitäterin mit Ryan, sie ist wohl die einzige, die sich das traut, und sie werfen sich ein paar nicht ganz so nette Kommentare zu, es scheint als wäre ich nicht mal mehr der Hauptgrund ihres Streites.

"Was ist denn hier los?", fragt Mr. Anderson plötzlich, der hinter mir aufgetaucht ist.

"Ryan hat Nico einfach so über seine Schulter geworfen, ohne eine Matte unterzulegen", zetert die Blondine sofort los und Ryan verschränkt die Arme.

"Ach was Kat,diesen Hebelgriff macht man halt ohne Matte ich wollte nur ein paar Techniken zeigen", verteidigt sich Ryan sofort.

"Du hättest ihm irgendwas brechen können", ruft Kat und ihre braunen Augen sehen wütend aus.

"Stimmt, so dünn wie der ist, besteht der doch nur aus Haut und Knochen", meint Ryan verächtlich und zeigt auf mich, ich ziehe schnell den Kopf ein.

"Jetzt hört aber auf ihr beiden!", schreitet Mr. Anderson plötzlich ein.

"Ryan, Kat hat Recht, dass war sehr unverantwortlich von dir. Ich möchte, dass du sofort diese Halle verlässt, wir sehen uns dann nachher in meinem Büro.", er zeigt mit seinem Finger auf den Ausgang der Halle und Ryan trottet missmutig davon, nicht ohne mir noch einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Wahrscheinlich wollte er mich damit einschüchtern, und zu meinem Verdruss klappt das sogar. Ich sollte mich echt mal zusammenreißen, immerhin war ich schon allein im Tartarus und dann habe ich Angst vor einem Highschool-Schlägertypen? Ja, so siehts aus. Vielleicht hauptsächlich, da ich mich bei ihm nicht wirklich wehren kann, außer mit meinen Jiu Jitsu Künsten, da ich ja schlecht mit meiner Geisterarmee an seiner Zimmertür klopfen kann. Außerdem will ich mich nicht wie das typische Hades Kind verhalten. Ich möchte nicht mehr, dass die Leute Angst vor mir haben, nur wegen meinem Dad und ohne mich wirklich zu kennen.

"Nico?", reißt mich da plötzlich Mr. Andersons Stimme aus meinen Gedanken.

"Ja?", antworte ich, aber meine Stimme klingt aus irgendeinem Grund gar nicht nach mir.

"Wir haben dich schon zweimal gefragt, ob es dir gut geht", sagt Kat und schaut mich fragend an.

"Ja klar, super", antworte ich und lächle die zur Bestätigung nochmal an, obwohl ich glaube das dieses Lächeln noch gequälter aussieht, wie mein Gesichtsausdruck sowieso schon tut.

"Wirklich, willst du nicht lieber gehen? Du siehst ziemlich blass aus", fragt mich Mr. Anderson. Ich weiß zwar nicht wie ich noch blasser sein kann, wie ich sowieso schon bin, aber da mir die Idee den Unterricht abzubrechen eigentlich ganz gut gefällt, nicke ich mit dem Kopf.

"Gut, soll Kat dich zur Krankenschwester führen?", fragt Mr. Anderson wieder und ich schüttle den Kopf.

"Das finde ich schon alleine", antworte ich und gehe zur Bank um mir das Armband, aka. hässlichstes Schmuckstück der Welt, wieder anzuziehen und zu verschwinden, zum Glück ist nichts passiert, obwohl die ganze Sporthalle wohl nach Halbblut gerochen hat. Ausnahmsweise danke ich mal den Göttern, als ich die Umkleide betrete.

Kurze Zeit später, verlasse ich die Turnhalle und werde gegen die Wand geschleudert. Kurz bin ich geschockt und will angreifen, aber dann sehe ich, wer es ist.

"Leo?! Was machst du hier?", frage ich meinen Freund aus dem Camp.

"Was ich hier mache? Du warst seit Wochen nicht im Camp und heute morgen erfahre ich, dass du auf diese komische Schule gehst?", Leo sieht anders als sonst nicht wirklich begeistert aus.

"Warte, Chiron hat dir das gesagt?", eigentlich hatte er mir versprochen nichts zu verraten.

"Naja, es hat etwas Überredung gekostet, aber ja. Und jetzt will ich wissen, was du hier machst", fordert mich Leo auf und ich zucke mit den Schultern.

"Wie geht's den anderen?", frage ich und Leo grinst.

"Lenk bloß nicht ab. Und Will geht's super, keine Sorge, er macht sich nur Sorgen um dich", antwortet er nur und ich nehme ihm ausnahmsweise mal nicht übel, dass er meine Frage genau richtig gedeutet hat.

"Du hast ihm nicht gesagt wo ich bin, oder"

"Wenn du mir erzählst, was du hier machst, werde ich das auch nicht", Leo zieht eine Augenbraue nach oben.

"Das ist nicht fair. Ich kann dir das nicht sagen", beschwere ich mich und Leo's Augenbraue sinkt nach unten, als er den Ernst in meiner Stimme hört.

"Gut, wenn du meinst. Soll ich Will vielleicht was ausrichten?", fragt er mich dann nach einer kurzen Pause.

"Sag das es mir gut geht", meine ich. "Und...."

"Und was?"

"Wenn er fragt, ich bin in der Unterwelt"

"Nico...."

"Bitte Leo, es ist echt besser so"

"Du weißt, dass er es herausfinden wird, spätestens wenn er Hazel fragt.", Leo sieht alles andere als begeistert aus. "Aber naja, euch Verliebte versteht ja eh keiner", fügt er dann leise hinzu und ich verrolle die Augen.

"Wie lange bist du eigentlich schon hier?", fragt Leo mich dann plötzlich und wirft einen Blick auf meine Sporttasche.

"Seid heute", sage ich und er schaut mich verwirrt an.

"Und wo warst du dann die letzten Wochen?"

"Woanders", ich zucke mit den Schultern. "Leo, du solltest vielleicht wieder gehen", füge ich dann noch hinzu.

"Wieso das denn? Ich würde doch super an so ein Internat passen", Leo lehnt sich lässig gegen die Wand. Ich betrachte ihn ungläubig. Mit seinen rußverschmierten Wangen, dem Werkzeuggürtel, den wild abstehenden Haaren und den ganzen Ölflecken sieht er ziemlich fehl am Platz aus.

Nachdem wir kurz schweigend dastanden und Leo wohl eine Antwort von mir erwartete, die aber nicht kam, zuckt er mit den Schultern.

"Na dann, wir sehen uns noch, so lange kannst du es hier ja nicht aushalten", er schlägt mit mir ein und wendet sich zum gehen. "Obwohl, ich hätte auch nicht gedacht, dass irgendjemand 70 Jahre in einem Casino verbringt.", sagt er noch und ich boxe ihm gegen den Arm.

"Ist doch war", meint Leo und horcht kurz auf, als ein metallenes Geräusch erklingt. Ich will gar nicht wissen, was er schon wieder gebaut hat. "Also bis dann"

"Tschüss", sagte ich und Leo bewegt sich in Zeitlupe von mir weg. Als er hinter einer Ecke verschwindet höre ich nur noch ein "Leo McShizzle out!", bevor ich wieder alleine bin.

Ich lehne mich an die Wand und wäre fast auf der Stelle eingeschlafen, wenn mich das Knurren in meinem Bauch nicht wieder geweckt hätte. Ich muss mir jetzt erstmal Essen beschaffen und dann kann ich etwas tun, was ich seit drei Tagen nicht mehr gemacht habe - schlafen.

Umbrakinesis - Nico di AngeloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt