Lokis Sicht
Irritiert blinzelte ich ins Licht. Meine Stirn schmerzte wie die Hölle und ich brauchte kurz, bis ich wieder klar sehen konnte. Das erste was ich richtig wahrnahm war Rosies Gesicht, wie sie sich besorgt über mich beugte. Sie hatte wohl geweint, denn ihre Augen waren rot. Sie sah müde und ausgelaugt aus aber als sie merkte, dass ich die Augen geöffnet hatte, lächelte sie. Verwundert bemerkte ich, dass sie kein T-shirt trug. ,,Wieso hast du nichts an?" fragte ich irritiert. Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf und gab mir einen Kuss. Ich konnte ihre Erleichterung spüren, aber als sie mich berührte, zuckte ich zusammen. Sie war eiskalt. Ich drückte sie sanft von mir weg. Erst jetzt fiel mir auf, dass ihre Lippen schon blau waren und sie am ganzen Körper zitterte. ,,Du bist ja eiskalt! Du holst dir noch den Tod!" bemerkte ich entsetzt und versuchte mich aufzurichten, worauf mein Kopf mit einem schmerzhaften Pochen antwortete und ich mich sofort wieder zu Boden sinken lies. Rosie lächelte bitter. ,,Du bist fast verblutet und machst dir Sorgen um mich?!" wollte sie entgeistert wissen und ihre Stimme zitterte. Ich lächelte zuversichtlich. ,,Keine Sorge, ich bin kein Mensch. Schon vergessen? So schnell sterbe ich nicht." Verwirrung machte sich in ihrem Gesicht breit. ,,Wie? hättest du mir das nicht irgendwie früher mitteilen können? Ich bin hier fast verzweifelt. Ich wusste nicht mal ob..." sie stockte kurz. ,,ob du deine Augen je wieder aufmachen würdest." Gegen Ende wurde sie immer leiser, bis sie nur noch flüsterte, ihre Augen glasig wurden und sie verbissen auf den Boden neben mir starrte. Ein unbekanntes, unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit und ich vermutete, dass es so etwas wie Mitleid sein musste. Es tat mir leid, dass sie wegen mir so aufgelöst war. ,,Entschuldigung." murmelte ich und biss mir auf die Lippe. ,,Entschuldige dich nicht! Du hast mich gerettet!" erwiderte sie und sah mir wieder in die Augen. Dann konnte sie sich nicht mehr zurück halten und brach erneut in Tränen aus. ,,Hey!" flüsterte ich beruhigend. ,,Es ist alles gut. Nichts passiert." dann zog ich ihr Gesicht zu mir herunter und gab ihr einen sanften Kuss. ,,Ich... Ich bin so froh, dass du... dass du bei mir bist." hauchte sie als wir uns wieder voneinander gelöst hatten und blinzelte eine Träne aus dem Augenwinkel. ,,Also wo wir das geklärt hätten, könntest du mir endlich verraten was du mit deinem T-Shirt gemacht hast!?" Das brachte sie kurz zum lachen und ein warmes Gefühl verbreitete sich in meinem Bauch beim Anblick ihres Lächelns. Sie deutete neben sich auf den Boden und ich folgte ihrem Finger bis zu einem vor Blut roten Stofffetzen. ,,Oh man war ich das?" fragte ich stirnrunzelnd und sie nickte nur. Ich versuchte erneut mich aufzurichten und diesmal gelang es mir, wenn auch unter Schmerzen. Schnell zog ich meine Jacke aus, die wärmer war als Rosies und half ihr hinein. Sofort kuschelte sie sich in meine Jacke und allmählich wurde ihr Zähneklappern leiser, bis es schließlich verstummte. ,,Lass uns von hier verschwinden" schlug ich mit einem Blick auf den Eisblock hinter Rosie vor. Sie nickte zustimmend. ,,Kannst du laufen?" fragte sie und ich nickte. Sie reichte mir ihre kleine Hand, die ich dankend ergriff und mir von ihr hochhelfen lies. Etwas wacklig stand ich auf und stützte mich schwer atmend an einen dicken Baumstamm. Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich durchzuatmen. Nach einer Weile wurde der Schmerz etwas erträglicher und ich folgte Rosie in den Wald hinein, zurück zur Straße. Ich atmete erleichtert auf, als ich das Auto durch die Bäume erkennen konnte.
,,Wir sind da." meinte Rosie, als sie den Wagen vor einem weiß gestrichenen Gebäude zum Stehen gebracht hatte. Wir hatten kurzerhand beschlossen, uns irgendwo ein Hotelzimmer zu suchen, wo wir erstmal unsere Ruhe haben würden. Auf der Herfahrt hatten wir selbstverständlich der Polizei einen anonymen Hinweis gegeben, wo sich der entflohene Patient derzeit ,,aufhielt". Wir wollten lieber nicht unsere Namen nennen, denn wenn die Polizei den eingefrorenen Mann entdeckte, müssten wir wohl einige Fragen beantworten. Rosie atmete noch einmal tief durch, dann öffnete sie die Autotür und stieg aus. Ich tat es ihr gleich und Hand in Hand erklommen wir die steinernen Treppen zum Eingang. Ich lies meinen Blick über die verzierten Säulen links und rechts von uns schweifen, die die Treppe säumten. Über der gläsernen Drehtür direkt vor uns leuchtete der Schriftzug ,,da Luana" in kitschigem Gold und unzählige Fenster blickten von dem mehrstöckigen Gebäude auf uns herab. Unmittelbar vor dem Eingang blieb ich stehen. ,,Bist du sicher, das wir so da rein gehen sollten?" fragte ich und musterte Rosie mit einem zweifelnden Blick. Ihre Hose war übersäht mit Blutflecken, ihre Augen waren verheult und ihre Haare brauchte ich gar nicht erst zu erwähnen. Obwohl sie mit diesen verwuschelten Locken extrem süß aussah, aber ich wollte mich lieber nicht darauf verlassen, dass die Leute an der Rezeption das genauso sahen. Von mir brauchte ich wohl gar nicht erst anfangen. Ich sah aus als ob ich gerade von den Toten auferstanden wäre oder noch schlimmer... ,,Hast recht..."murmelte sie und versuchte verzweifelt ihre Haare zu bändigen, wodurch sie aber nur noch mehr abstanden. Verträumt musste ich lächeln. Sie war einfach bezaubernd. Sogar jetzt, nach einer Nacht ohne Schlaf und mit mehr Aufregung in einer Nacht, als sie wahrscheinlich bis jetzt in ihrem ganzen Leben gehabt hatte. ,,Kein Problem." grinste ich und mit einer Handbewegung hüllte ich uns beide in eine Illusion. Ich sah nun aus wie ein ganz normaler Mann auf einer Geschäftsreise, im Anzug und mir Aktentasche. Als ich Rosies neues Aussehen betrachtete, grinste ich schelmisch. ,,Uhhh heiß!" kicherte Rosie als sie mich betrachtete und pfiff anerkennend durch die Zähne. ,,Du solltest dich mal sehen." meinte ich nur und grinste herausfordernd. Irritiert schaute sie an sich runter. Sie begutachtete ihre pinken high heels, ihre hautenge Leggins und ihre unnatürlich langen, perfekt lackierten Fingernägel. Verzweifelt griff sie sich auf den Kopf und erschrak, als sich eine hellblonde Haarsträhne um ihren Finger wickelte. ,,Nein. Nein bitte nicht! Ich bin Emily oder?" vermutete sie verzweifelt und versuchte die künstlichen Fingernägel abzuschütteln. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und musste laut loslachen bei diesem absurden Anblick. ,,Mach mich wieder normal! Bitte!" flehte sie und sah mich bittend an. ,,So oder gar nicht." grinste ich und zuckte siegessicher mit den Schultern. Sie stöhnte genervt aber schließlich fand sie sich damit ab. ,,Dann lass es uns hinter uns bringen." meinte sie und trat durch die Drehtür. Zumindest wollte sie das. Leider knickte sie nach dem ersten Schritt auf diesen Schuhen um und landete unsanft auf den Steinplatten vor dem Eingang. Perplex blieb sie einen Moment liegen, dann drehte sie sich auf den Rücken. ,,Scheiße!" fluchte sie und hielt sich lachend den Bauch. ,,Wie kann die darin bitte laufen?!" Ich bekam mich vor Lachen überhaupt nicht mehr ein und musste mich zusammenreisen nicht auch auf den Boden zu sinken. Immer noch lachend half ich ihr wieder auf die Beine. Sie hakte sich bei mir unter und stolperte wackelig neben mir her, bis wir die geräumige Eingangshalle durchquert hatten und vor der Rezeption zum Stehen kamen. Eine ältere Dame mit grauen, streng nach hinten gebundenen Haaren empfing uns und fragte auf italienisch, wie sie uns helfen könne. Nicht ohne Rosie beziehungsweise Emily mit einem abwertenden Blick zu begutachten. Sie fühlte sich sichtlich unwohl und zupfte ihr kurzes, glitzerndes Oberteil etwas nach unten, was mich breit grinsen lies. Zu meiner Verwunderung antwortete Rosie in fließendem Italienisch. Sie bat um ein Doppelzimmer und die Dame händigte uns die Schlüssel aus, ohne weitere Fragen zu stellen. Sie beschrieb uns noch kurz den Weg zu unserem Zimmer, dann wünschte sie uns einen angenehmen Aufenthalt und widmete sich wieder irgendwelchen Unterlagen.
Im Aufzug betrachtete sich Rosie angewidert im Spiegel und versuchte ihr Oberteil so hin zu ziehen, dass man nicht ihren kompletten Bauch sah. ,,Man meine Wimpern sind so schwer, dass ich kaum blinzeln kann." meckerte sie und klimperte demonstrativ mit den Augen. ,,Ja, ich muss zugeben du siehst echt bescheuert aus." bemerkte ich und grinste. ,,Danke." meinte sie mit einem Blick, der vor Ironie nur so strotzte und warf überheblich ihre langen Haare nach hinten. ,,Sag mal woher kannst du eigentlich italienisch?" fragte ich interessiert während ich nachdenklich mein Spiegelbild betrachtete. ,,War in ner AG an unserer Schule." antwortete sie knapp und in diesem Moment hielt der Aufzug mit einem kurzen Ruckeln an. Die Tür öffnete sich und wir traten in einen langen Gang, der mit rotem Teppichboden ausgelegt war. In den Wänden befanden sich auf jeder Seite unzählige Türen aus dunklem Holz, an denen die goldenen Zimmernummern befestigt waren. In Gedanken zählte ich die Türen mit, als wir durch den hohen Gang liefen. 'Hunderteins, hundertzwei, hundertdrei,...' Bei hundertvierundzwanzig blieb ich stehen. Das war unser Zimmer. Rosie kramte den Schlüssel aus ihrem kleinen Handtäschchen und schloss auf. ,,Man die Dinger sind echt geschickt, ich sollte mir auch so eine zulegen." meinte sie grinsend mit einem Blick auf das rosane Täschchen. ,,Bitte nicht!" scherzte ich und betrat hinter ihr das geräumige Zimmer. Alles war ziemlich altmodisch aber es wirkte sehr gemütlich und einladend. Im offenen Kamin brannte ein Feuer und auf dem Nachttisch stand eine Stehlampe, die ihr warmes Licht verbreitete. Das riesige Bett stand an der Wand rechts von uns und davor waren einige Tierfelle ausgebreitet worden. Mit einer schnellen Handbewegung hob ich die Illusion auf und Rosie kuschelte sich erleichtert in meine Jacke, die sie immer noch trug. Als ob es das Normalste auf der Welt wäre zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, dann lief sie zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Ich folgte jeder ihrer Bewegungen und wenn sie mich neulich nicht gebeten hätte zu warten, wäre mir wirklich etwas besseres eingefallen als schlafen... Erschöpft ließ sie sich ins Bett fallen und kuschelte sich in die weiche Decke, sodass nur noch ihre Augen oben herausschauten. Ich lächelte, dann zog ich mich ebenfalls aus und kroch unter die Decke. Ich legte meinen Arm um sie und streichelte sanft ihre Schulter. ,,Gute Nacht." nuschelte sie in die Decke. Nach nicht einmal 5 Minuten waren wir eingeschlafen und es war uns völlig egal, dass es 10 Uhr am Morgen war.
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BEHIND BLUE EYES (loki ff)
FanfictionRosie führt ein ganz normales Leben. Zumindest war es das, bis in einer regnerischen Nacht ein Mann in ihrem Pool landet.