die beste Ablenkung

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Rosies Sicht
Seit jener Nacht brauchte er das Gästezimmer und ich mein Kuscheltier nicht mehr. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander, auch jetzt, als die Schule wieder angefangen hatte. Manchmal holte er mich am Schulhof ab, was die Blicke einiger neugierigen Mädchen auf uns zog, aber davon liesen wir uns nicht stören. Ich hatte noch niemandem erzählt, dass wir jetzt ein Paar waren, aber die meisten konnten es sich wohl denken. Besonders Danny warf mir immer vielsagende Blicke zu, wenn wir irgendwie auf das Thema zu sprechen kamen.
Mein Leben war mit ihm einfach perfekt und ich hatte immer ein Dauergrinsen im Gesicht. Er machte mich so unbeschreiblich glücklich, dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, wie ich es jemals ohne ihn ausgehalten hatte.

In letzter Zeit hatte er mir viel beim Lernen geholfen und mir Mathe mit ein paar Küssen um einiges erträglicher gemacht.
Schließlich war es soweit. Es war der Tag vor meinen Prüfungen und ich fing schon an zu zittern, wenn ich nur daran dachte. Ich hatte mich gut vorbereitet und war zuversichtlich, dass ich mein Abi mit einem guten Schnitt bestehen würde, dennoch war ich unerträglich aufgeregt. Ich lief den ganzen Tag im Haus hin und her und versuchte mich irgendwie abzulenken.

Lokis Sicht
Die letzten Wochen waren die besten meines Lebens gewesen. Ich dachte immer mir würde es alleine bessergehen und ich glaube Rosie war es genauso gegangen, bis wir uns getroffen hatten. Oder besser gesagt bis ich in ihrem Pool gelandet war. Jetzt waren wir sozusagen zu zweit alleine und es war besser als alles, was ich mir je für meine Zukunft hätte erträumen lassen. Sogar besser als der Thron von Asgard. Wenn ich mittlerweile darüber nachdachte, kam mir dieser Wunsch so lächerlich vor. Ich brauchte keinen Thron um glücklich zu sein. Ich brauchte nur ein ganz bestimmtes Mädchen. Ich brauchte nur Rosie.

Es war der letzte Tag vor ihrem Abi und schon den ganzen Mittag konnte sie keine Minute still sitzen.
Ich saß auf dem Sofa und versuchte ein Buch zu lesen, während sie mit Kärtchen in der Hand vor mir auf und ab ging und unaufhörlich irgendwelche Fachausdrücke und wichtige Daten vor sich hin murmelte. Irgendwann konnte ich nicht mehr zusehen. Sie machte sich viel zu viele Gedanken. Sie war top vorbereitet und konnte alles im Schlaf und das war wirklich beeindruckend denn wenig war das nicht. Ich musste sie irgendwie auf andere Gedanken bringen. Ich stand auf, um zu telefonieren.
Nach einigen Minuten setzte ich mich wieder aufs Sofa und tat so, als würde ich wieder lesen. Keine zehn Minuten später hörten wir plötzlich ein Hupen vor dem Haus.

Rosies Sicht
"Französische Revolution, Diktatur Napoleons, Verbannung von...." weiter kam ich nicht. Ein lautes Hupen lies mich aufschrecken und fragend sah ich zu Loki. Der stand nur wortlos auf und kam einen Augenblick später mit meiner Jacke zurück. Verwirrt lies ich sie mir von ihm anziehen. ,,Was wird das?" fragte ich und runzelte die Stirn.
,,Das..."meinte Loki geheimnisvoll und grinste, ,,...wird eine Überraschung." Er holte ein schwarzes Tuch hinter seinem Rücken vor und verband mir damit vorsichtig die Augen. Ich war völlig überrumpelt und klammerte mich hilflos an Lokis Arm fest.
Dieser führte mich mit den Worten:,,Komm, unser Taxi wartet." nach draußen und ich war sehr gespannt, zu was das hier wohl führen würde.

Während der Fahrt versuchte ich zu erraten, wo wir hinfuhren und achtete -meines Sehsinns beraubt- auf jedes noch so kleine Geräusch. Anscheinend passierten wir einen Bahnübergang, dann fuhren wir an einem Fluss entlang und nach ungefähr 10 Minuten auf der Autobahn wurde es wieder ruhiger. Ab dann verlor ich komplett die Orientierung und vertraute einfach dem Fahrer. Ich konnte nicht sagen wie lange die Fahrt insgesamt gedauert hatte, als der Wagen schließlich hielt. Loki stieg aus, lief einmal um das Auto herum und öffnete meine Türe. Er bot mir seinen Arm an und ich hielt mich gut fest, denn das Aussteigen war eine echte Herrausvorderung. Wir liefen noch ein kurzes Stück zu Fuß und ich hörte, wie hinter uns der Wagen wegfuhr. Ich war total aufgeregt und hatte ein breites Lächeln im Gesicht, während Loki mich -so wie es sich anfühlte- über eine Wiese führte.
,,Och man wann sind wir endlich da?" fragte ich ungeduldig.

,,Jetzt" hörte ich Loki sagen und er lies mich los, nur um mich gleich darauf in einen leidenschaftlichen Kuss zu ziehen. Ich erschrak kurz über die plötzliche Berührung, dann gab ich mich komplett diesem unbeschreiblichen Gefühl hin, dass sich immer in mir ausbreitete, wenn er mich so berührte. Ohne von mir abzulassen löste er meine Augenbinde und lies sie zu Boden fallen. Dann nahm er meine Hand und schaute mich erwartungsvoll an. Ich blinzelte ins Licht und sah mich um. Wir befanden uns mitten im Nirgendwo, auf einem grünen Hügel, von dem aus man über ein kleines Tal blickte, das von einem breiten, trägen Fluss durchzogen wurde. Doch das Seltsame war, hier, mitten auf dem Hügel, am Waldrand, stand ein einzelner Tisch. Er war vornehm gedeckt und neben einem wunderschönen Blumenstrauß stand ein vielarmiger Leuchter. Die Kerzen waren bereits angezündet worden und ich fragte mich, wie Loki das wohl hinbekommen hatte. Ein breites Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, ich drehte mich um und fiel Loki um den Hals. ,,Danke" flüsterte ich zwischen zwei Küssen.
Loki lächelte nur und wir gingen die paar Schritte zum Tisch. Ganz wie ein Gentleman zog er meinen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte. Dann ging er um den Tisch herum und nahm ebenfalls Platz. Verträumt folgte ich seinen eleganten Bewegungen. Ich konnte mir keinen besseren Freund wünschen! Lächelnd reichte er mir eine Karte. ,,Was möchtest du essen?" fragte er aufmerksam und ich zog verwirrt eine Augenbraue hoch. ,,Wo willst du hier Essen herbekommen?!"
,,Lass das mal meine Sorge sein." zwinkerte er geheimnisvoll und grinste sein typisches Grinsen. Also vertiefte ich mich in die Speisekarte und ging die zahlreichen Menüs durch. ,,Gut dann nehme ich die Tomatensuppe als Vorspeise, die Nudeln mit Lachs als Hauptgang und das Mousse au chocolat als Nachtisch." Verkündete ich nach einer Weile und nahm das ganze immer noch nicht so richtig ernst. Er hatte ja wohl kaum eine Küche im Wald versteckt.
,,Perfekt, dann habe ich richtig geraten. Was anderes gibts übrigens auch nicht." lächelte er zufrieden. Mein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. ,,Ach ja und sag deine Wahl nicht mir sondern ihm hier." Er deutete auf einen Buttler im schwarzen Anzug, der wie gerufen genau in diesem Augenblick aus dem Wald kam. Langsam konnte ich es echt nicht mehr fassen. Loki bemerkte meinen ungläubigen Gesichtsausdruck und grinste siegessicher. ,,Was darf ich ihnen bringen, die Dame?" Fragte der Buttler vornehm und etwas perblex wiederholte ich meine Wahl.
,,Und Sie, der Herr?"
,,Für mich das Gleiche, bitte und eine Flasche Rotwein, wenn es keine Umstände macht."
,,Selbstverständlich, Sir." versicherte der Buttler und verschwand im Wald, so wie er gekommen war.
Die Sonne war schon am untergehen und tauchte alles in warmes Licht, als der Buttler schließlich wieder erschien, ein Silbertablett in der rechten Hand, die Linke wie es sich gehörte hinter dem Rücken.
Er servierte uns die Vorspeise, wünschte einen Guten Appetitt und verschwand wieder. Dieser Vorgang wiederholte sich drei mal, bis wir letztendlich beim Nachtisch angekommen waren. Ich schob mir schließlich den letzten Löffel Mousse au chocolat in den Mund, dann lehnte ich mich mit einem tiefen Seufzer zurück und hielt mir den Bauch. ,,Man war das lecker!" schwärmte ich, was Loki zum Lachen brachte. Das Essen war wirklich hervorragend gewesen und ich wollte gar nicht wissen, was ihn das gekostet hatte. Die Sonne war inzwischen untergegangen und die Kerzen auf dem Tisch waren die einzige Lichtquelle.
,,Jetzt mal im Ernst, Loki: Wie zur Hölle hast du das hinbekommen?!" sprach ich die Frage aus, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumgespukt war.
,,Ich sag nur so viel: du hast eine wirklich tolle Beste Freundin." erwiederte er mit einem vielsagenden Blick. Also Danny hatte ihm geholfen? Wow! Ich hatte sie wohl etwas unterschätzt. Ich war ihr unendlich dankbar für diesen perfekten Abend und beschloss, mich gleich morgen nach den Prüfungen bei ihr mit einem Mädelsabend zu revanchieren. Aber der Hauptschuldige für mein Glück saß direkt gegenüber und lächelte mich verschmitzt an. Sein Gesicht wurde nur von den Kerzen erhellt und mir fiel ein weiteres Mal auf, dass er perfekt war. Perfekt für mich.
Ich dachte immer, dass diese ,,Anziehung" zwischen Verliebten nur in kitschigen Liebesfilmen vorkam, aber im Moment wusste ich genau, wie sie sich fühlten.
Er war wie ein Nordpol, wenn ich der Südpol war. Mein Körper stand fast von alleine auf, meine Beine liefen um den Tisch herum und ich setzte mich auf Lokis Schoß. Ich legte meine Arme um seinen Hals, fuhr mit meiner Hand durch seine pechschwarzen Haare und verlor mich zum Hundertsten Mal in seinen Augen. Mehr brauchte ich im Moment nicht um wunschlos glücklich zu sein. Das warme Licht der Kerzen spiegelte sich in Ihnen, bis er immer näher kam, seine Augen schloss und wir uns in einem langen Kuss verloren.

Das war wirklich die beste Ablenkung gewesen, die ich mir hätte vorstellen können.

BEHIND BLUE EYES (loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt