Gefangen

125 10 2
                                    

Rosies Sicht
Das erste was ich spürte, war ein unerträglicher Schmerz, der von innen an meinem Halz pochte. Sofort verzog ich mein Gesicht und biss mir so stark auf die Lippe, dass es weh tat. Aber es lenkte etwas von den Hauptschmerzen ab, und das war die Hauptsache. Langsam kam die Erinnerung in kleinen unzusammenhängenden Gedankenfetzen wieder in meinen schmerzenden Schädel und ich zuckte zusammen. Ich war in Venedig. Zumindest sollte ich dort sein. Aber ich war mir nicht sicher. Ich hatte es noch nicht gewagt meine müden Augen zu öffnen, aus Angst vor dem, was mich erwarten könnte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und zwang mich dazu, meine Augen einen Schlitz weit zu öffnen. Zu meiner Überraschung blendete mich kein stechend helles Licht sondern ich brauchte sogar einen Moment, bis ich in der tiefen Dunkelheit etwas erkennen konnte. Zuerst sah ich nur verschwommene Konturen und es dauerte kurz, bis ich sie einordnen konnte. Mein Kopf war anscheinend auf dem Schoß von jemandem gebettet und ich erkannte dessen Umrisse, als er sich über mich beugte. ,,Loki" seufzte ich erleichtert und entspannte mich augenblicklich. Er war hier bei mir, also konnte es ja nicht so schlimm sein. Ich ließ meine Augen wieder zufallen und wollte mich gerade wieder von der Müdigkeit überwältigen lassen, da hörte ich die mir allzugut bekannte Stimme und das Blut gefror in meinen Adern. Das war nicht Loki. Ich riss die Augen auf und versuchte ruckhaft aufzustehen, wobei ich aber nur merkte, dass sowohl meine Handgelenke als auch meine Füße gefesselt waren. Die Seile schnitten mir in die Haut und ich verzog vor Schmerzen mein Gesicht. Schreien konnte ich nicht. Es kam kein Ton heraus. Nur Schmerzen. Panisch kroch ich etwas nach hinten, soweit es eben ging, bis ich mit dem Rücken an eine kalte Steinwand stieß. ,,Ganz ruhig." grinste er und ich konnte sein Lächeln im fahlen Schein der Petroleumlampe erkennen, die er in der Hand hielt. Mein Atem ging stoßartig und meine Hände zitterten.
Ich konnte das einfach nicht glauben. War das wirklich Nick, der mir da gegenüberstand? Ich erkannte ihn fast nicht wieder: Seine Haare reichten ihm jetzt fast bis an die Schultern, sein Shirt war löchrig und er war von Kopf bis Fuß schmutzig.
Vom Gesicht brauchte ich erst gar nicht anzufangen. Es sah schrecklich eingefallen aus. Die ausdruckslosen Augen lagen tief in ihren Höhlen und wurden von dunklen Schatten zahlreicher schlafloser Nächte umrandet. Schweißperlen tropften von seiner Stirn und er stand nur mit Mühe aufrecht. Was zur Hölle war mit ihm passiert?! Sein trockenes Lachen riss mich unsanft wieder zurück ins Jetzt. ,,Was willst du von mir?" fragte ich und ich wollte es stark und sicher klingen lassen, doch heraus kam nur ein zittriges, schwaches Flüstern. ,,Was ich von dir will? Glaub mir Schätzchen ich will gar nichts mehr von dir. Im Gegenteil:   Du gehst mir mittlerweile ehrlichgesagt tierisch auf die Nerven. Ständig rennst du weg, versteckst dich, schaffst dir einen Gott an, der dich beschützt: Du machst es einem wirklich nicht leicht!" schimpfte er und man sah ihm die Erschöpfung wirklich an. Ich hatte nicht mit dieser Antwort gerechnet. Ich hatte erwartet, dass er jetzt wieder mit dieser "du liebst mich doch immer noch" Scheiße anfing, deswegen war ich erstmal verwirrt. ,,Wie- wie meinst du das? Du willst nichts von mir?! Wieso verfolgst du mich sogar bis nach Venedig und sperrst mich dann gefesselt in einen Keller?" sprach ich meine Gedanken aus. Er grinste. ,,Du fängst an die richtigen Fragen zu stellen." Er kam mir gefährlich Nahe und wollte mir einen Kuss aufdrücken, doch gerade rechtzeitig drehte ich meinen Kopf etwas zur Seite, sodass er nur meine Wange berührte, was allerdings schon ausreichte, um mir am ganzen Körper einen kalten Schauer zu verpassen. Seine Wut unterdrückend funkelte er mich an. Ich hielt seinem Blick stand. ,,Du willst also nichts von mir...Soso." bemerkte ich stirnrunzelnd, und einen Moment dachte ich ich würde es bereuen müssen, doch von einem Moment auf den Anderen war seine Wut wie ausgelöscht. Sein Gesicht war entspannt und ruhig und seine Augen klar. ,,Stimmt genau." erwiederte er scharf. ,,Aber nebenbei kann ich doch etwas Spaß haben oder? Ich meine bis es soweit ist."
Ich verstand die Welt nicht mehr.
,,Bis was soweit ist?" fragte ich angespannt, doch ich sah nur, wie sich der gelbe Lichtpunkt der Lampe immer weiter entfernte, bis schließlich eine Tür zukrachte, der Schlüssel mit einem hässlichen Kratzen im Schloss gedreht wurde und ich in totaler Finsternis zurückblieb. ,,Bis was soweit ist?" murmelte ich und ich sollte noch viel Zeit haben um darüber nachzudenken.

Lokis Sicht
Gut eine Dreiviertel Stunde war es jetzt schon her, dass Rosie losgegangen war. Langsam fing ich an mir Sorgen zu machen und ich schaute mich immer wieder um, in der Hoffnung Rosie könnte irgendwo wieder auftauchen, mit einem Lächeln im Gesicht und mir alles erklären. Doch nach einer weiteren viertel Stunde glaubte ich selbst nicht mehr daran... Ich musste sie suchen gehen. Seufzent stand ich auf, klemmte einen Schein unter den Aschenbecher und machte mich auf die Suche nach Rosie. Zuerst durchkämmte ich die Gasse, in der sie verschwunden war, dann die engen Seitengänge und zuletzt klapperte ich noch einige Geschäfte und Cafés ab, doch ich blieb erfolglos. Verzweifelt drehte ich mich im Kreis und verschränkte meine Hände hinter dem Kopf. Wieso musste sie denn auch unbedingt so weit laufen, nur um auf diese verfluchte Toilette zu gehen?! Aber ich wusste, dass ich mir auch selbst die Schuld daran geben könnte. Ich meine wenn ich ihr alles erzählt hätte... Aber ich wollte sie einfach nicht unnötig beängstigen. Ich war mir sicher, das dieser verdammte Traum nicht die geringste Bedeutung hatte, auch wenn er mir in der Nacht erschreckend wahrhaftig vorgekommen war. Erschöpft setzte ich mich auf eine Bank an einem Kanal und schaute auf das trübe, grünliche Wasser hinab, das ab und zu leise gluckste, wenn eine Gondel vorüberglitt. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich war in einer fremden Stadt, sprach außerdem diese seltsame Sprache nicht und sollte hier in diesem Getümmel meine Freundin wiederfinden. 'Herzlichen Glückwunsch.' dachte ich und schüttelte den Kopf. Schließlich stand ich doch wieder auf und versuchte den Weg zum Parkplatz zu finden, in der Hoffnung sie könnte am Auto warten. Ich konnte nur hoffen, dass ihr nichts zugestoßen war.

BEHIND BLUE EYES (loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt