|| Kapitel 50 ||

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|| Kapitel 50 ||

- May -

Am nächsten Morgen tat ich so, als wäre alles in Ordnung. Ich tat so, als ging es mir gut, als litt ich nicht unter dem Streit mit meinem Mann. Meinem Mann. Falls er überhaupt noch mein Mann sein würde. Er traute mir nicht mehr. Sonst hätte er nicht hinter meinen Rücken einen Vaterschaftstest gemacht. Ich wollte es auch wissen. War Kane jetzt Marcos Sohn, oder der von Marcel? Das es sich alles um ein Missverständnis, eine Schlamperei des Krankenhauses war, kam auch nicht mehr in Frage. Zwei Mal hintereinander? So doof können die auch nicht sein.
Gedankenverloren machte ich die Frühstücksboxen für Aleyna und Mina fertig, die heute den zweiten Tag wieder in die Krippe und in die Schule gehen durften. Soso, die immer noch bei uns pennte, hatte die beiden wach gemacht und den Tisch fürs Frühstück gedeckt. Aber ich hatte null Lust auf ein Frühstück mit allen.

"Schaffst du das alleine mit den beiden? Ich gehe mit den Hund raus."

Soso blickte mich an und seufzte. "Nee, eigentlich nicht. Kannst du das nicht machen, wenn ich Aleyna in den Kindergarten bringe?"

"Okay", nickte ich und packte die Brotdosen in die Rucksäcke der Mädchen, während die drei am Frühstücken waren. Ich saß im Wohnzimmer und schaute Nachrichten. Eine Spur vom Attentäter führte nur zu einem abgebrannten Haus in Rotenburg an der Wümme in Niedersachsen. Ich kannte die Stadt, war da sogar öfters gewesen, da dort ein Kumpel meines Vaters wohnte. Und in der Nähe war der Heidepark Soltau. Sau cool dort.

"Wir gehen", sagte Mina und kam ins Wohnzimmer. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.

"Viel Spaß."

"Den werde ich nicht haben."

Auch Aleyna sagte mir "tschüss" und keine Minute später fiel die Haustür zu. Seufzend stand ich auf und ging zur Kommode neben dem Esstisch, wo ich die Erinnerungsbox von Kanes Kindheit rausholte.

Das erste, was mir entgegen kam, war seine Plüschemma, die in die Jahre gekommen war. Dann ein Schnuller und seine ersten Babysocken. Wieso auch immer, war dort auch ein Foto von Marcel drinnen. Ich schnappte es mir und legte es auf dem Tisch. Dann ein aktuelles Foto, welches ich daneben legte. Und dann eines von Marco.

Ich fing an meinen Sohn mit den beiden zu vergleichen. Es dauerte keine Minute, bis mir die ersten Gemeinsamkeiten zwischen Kane und Marcel sah. Und desto älter mein Sohn wurde, desto ähnlicher sah er Marcel und kein bisschen nach Marco. Ich schluckte und hatte keine Ahnung, wie lange ich hier saß, den plötzlich wurde mir ein weißer Briefumschlag vor die Nase gehalten. Ich schaute von den Fotos auf und blickte in Marcos Gesicht. Er sah einfach beschissen aus. Hat vermutlich die ganze Nacht durchgeheult. Das hieß schon mal nichts Gutes. Ich schnappte mir den Brief, nachdem ich Marcos geröteten Augen ausgewichen bin.

"Das Ergebnis", sagte er und setzte sich mit an den Tisch und schnappte sich die Box mit Kanes Erinnerungsstücken.

Es verlief alles wie in Zeitlupe, als ich dem Brief aus dem Umschlag holte und diesen Brief aufklappte. Ich las es mir nur den Betreff mehrmals durch, weil ich mich nicht traute, weiter zu lesen.

"Du starrst nur das Wappen der Klinik an. Lies einfach weiter...", brummte Marco und suchte weiter in der Box herum.

Okay. Dann muss ich wohl weiter lesen. Dann tat ich es einfach. Es riss mir nicht so schlimm wie ich dachte den Boden unter den Füßen weg, weil ich damit schon gerechnet hatte. Was mir sowieso klar war und was der Arzt auch befürchtet hat. Kane war nicht der Sohn von Marco. Das stand dort schwarz auf weiß. Ich ließ den Brief auf den Tisch fallen und blickte zu Marco.

"Und nun?", wollte ich wissen.

Er zuckte nur mit den Schultern. "Wir werden sehen, was ist. Bevor wir unsere Zukunft nachdenken, sollten wir erstmal überlegen, wie wir das Kane beibringen werden. Er muss es wissen."

"Kannst du mir nicht schnell sagen, was mit uns ist?"

"Was glaubst du denn, May?", fragte Marco mich. "Ich hab dir gesagt, dass ich dich erstmal nicht mehr sehen will. Und ich will einen Pause von dir."

"Was soll ich den Kindern sagen?"

"Lüg doch. Das kannst du ja gut", zur Veranschaulichung zerriss er ein Bild von Kane und sich.

"Kane, kann nichts dafür..."

"Aber seine widerliche Mutter", zischte Marco und warf mir die beiden Schnippsel ins Gesicht und verließ das Haus, nachdem, er die Haustür mit Wut zuknallte.

Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Händen und atmete tief durch. Ich wollte nicht weinen. Aber konnte nicht anders, als ich in Tränen ausbrach.


- Soso -

"Will nicht!", schrie Aleyna mich an, als ich mit ihr den Vorgarten des Kindergartens betrat. Sie sprang mich an und wollte mich zurück zum Auto ziehen, aber da ich stärker war, hob ich sie hoch und ging stur mit ihr in den Kindergarten. Die älteren Mütter regten sich darüber auf, dass ich in dem Alter schon Mutter war und keine Ahnung von Erziehung habe.

"Wenn man keinen Ahnung halten, einfach mal die Kresse halten", sagte ich.

"Fresse!", verbesserte Aleyna mich und fing dann wieder an zu weinen. Tesy, eine der Erzieherinnen kam sofort zu uns, nachdem ich Aleyna die Hausschuhe anzog.

"Schlecht geschlafen. Die letzten beiden Tage war doch alles in Ordnung. Wieso jetzt wieder so?"

Ich zuckte nur mit den Schultern und ging mit der weinenden Aleyna in den Krippenraum. Diese klammerte sich nur noch mehr an mir fest, als sie den dicken Typen, diesen Praktikant, sah. Mein Alarm schlug an. Hat das was mit dem Typen zu tun? Die letztem zwei Tage war er nicht da und da hat sich die Kleine gefreut und nun das. Mehr als merkwürdig. Den behalte ich mal im Auge.
Nachdem ich Aleyna doch absetzen konnte, blickte ich noch mal den Praktikanten an und machte mich dann auf dem Weg zur Arbeit.
    Auch die Arbeit hörte mich nicht auf zu stressen. Ich hatte mich mal wieder mit einer Kollegin in den Haaren. Richtig. Die eine dumme Schnepfe, die sich auch schon mehrmals vergeblich an meinen Freund rangemacht hatte, der mich jeden Tag fragte, was mit seinen Eltern ist und wieso diese Streit haben.
"Kannst du mal eben deine Klappe halten?", würde ich gefragt, als ich mich gerade mit Amanda unterhielt.
"Das ist schön, dass es deiner Freundin wieder besser geht."
"Ja, könnt ihr nicht arbeiten?"
Amanda und ich blickten zu ihr. Die arbeitete selber nicht und pfeilte sich ihre Nägel.
"Wir machen mehr als du jemals machen wirst. Also halt du mal bitte den Ball flach."
"Du hast gleich einen sitzen, Weib", stöhnte ich genervt.
"Du auch."
"Es reicht. Was ist dein Scheißproblem?", fragte ich sie und pfefferte den Kugelschreiber auf den Boden.
"Was ist dein Problem, Soso?"
"Irgendwie deine Art. Die ist einfach widerlich."
"Oha. Du bist aber fies."
"Kannst froh sein", zischte ich, als der Arzt aus dem einen Zimmer kam. Dann setzte ich mein nettes Gesicht auf, als die Patientin sich an den Tresen stellte.
"Ich bräche einen Termin für den nächsten Monat", sagte die Frau.
"Klar, Wunschtag? Wunschuhrzeit?"
"Gute Frage, nächste Frage", sagte die Frau und holte einen Mini-Kalender aus der Handtasche.
   Nachdem wir einen Termin ausgemacht hatten, wurde meine Ausbildungsgegnerin zum Arzt gerufen und wir hatten zehn Minuten Pause vor Gebärenden und Menopausen Monstern.
"Ich hasse sie", zischte ich.
"Ich auch. Die ist sämtliche Krankheiten und der Welthunger in einem. Widerlich hinterfotzig das Mädchen", stimmte Amanda zu. "Ich hoffe er übernimmt dich dann und nicht die, wenn die drei Jahre rum sind."
"Ich hoffe es auch", nickte ich und biss von meinem Brot ab.

{3}»Kane♥« ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt