|| Kapitel Vierzehn ||

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|| Kapitel Vierzehn ||

~ Kane ~

"Wo willst du hin?", fragte Mama mich, als ich gegen Abend durch die Haustüre verschwinden wollte. Ich hob meine Hände unschuldig hoch und die Autoschlüssel des AMG's klimperten in meiner Hand. Schnell ließ ich die Hand mit dem Schlüssel hinter meinem Rücken verschwinden. "Kane", sagte sie mahnend. Sie war eh schon nicht gut drauf, da sie sich mit Mina in den Haaren hatte.
"Wollte nur mal bei Curtys vorbeischauen", log ich.
"Kannst du mich nicht fragen?"
"Du hattest Stress mit der Naturkatastrophe und dann wollte ich dich nicht weiter nerven, weißt du."
"Oh", meinte Mom. "Na, wenn das so ist. Wann bist du wieder da?"
"Weiß ich nicht. Hier sind ja Haustürschlüssel dran."
"Okay, dann viel Spaß bei Curt."
"Danke, Mom", sagte ich lächelnd und verschwand aus dem Haus. Ich zog die Haustüre zu und ging zum AMG.
Gerade als ich ins Auto steigen konnte, fuhr ich zusammen. Da war irgendwas. Irgendwas quietschte hier so komisch. Irgendwas metallisches. Ich blickte hinauf zum Vordach und sah Mina, wie sie an der Regenrinne hing.
"Was machst du da?", flüsterte ich ihr zu.
"Alter, nee", sagte sie und ließ los. Sie landete lockerflockig auf ihren Füßen und drehte sich zu mich. "Willst du mich wieder verpetzen?"
"Nee, wo willste hin?"
"Geht dich nichts an", sagte sie zickig.
"Du willst zu dieser Emilia, hm?"
"Ja und?", fragte sie mich.
"Wo wohnt die?"
"Richtung Innenstadt", sagte sie.
"Dann steig ein", meinte ich.
   "Eigentlich wohnt sie hier in der Nähe", sagte Mina, als ich los gefahren bin.
"Wieso dann Innenstadt?"
"Dir gehen da ins Jugendzentrum. Da ist ne Party."
"Ah okay", meinte ich. "Wieso bist du in letzter Zeit eigentlich so blöd gegenüber Mama und Papa?"
"Papa doch nicht", meinte Mina. "Der lässt mich ja in Ruhe. Nur Mama nervt mich. Ich soll Verantwortung übernehmen, da ich eine große Schwester bin."
"Hm, ich kann mich noch erinnern, wie du dich gefreut hast, dass du große Schwester wirst. Du wolltest ein Vorbild sein. Aber Aleyna sieht, wie Mama und du immer wieder Streit habt."
"Das liegt ja nicht daran. Ich finde einfach, dass mich alles nervt. Mag sein, dass Emilia die Tochter von Papas Ex ist. Aber wir sind beste Freundinnen."
"Mama sagt, du trinkst Alkohol."
"Ich habe nur einmal Bier getrunken und wollte cool wirken. Das ist dieser blöde Gruppenzwang. Und wenn ich 16 werde, darf ich eh Bier und Sekt und Wein trinken."
"Das kann man dir nicht verbieten. Aber bitte übertreibe es nicht. Und fang schon mal gar nicht mit Drogen an. Denk noch nicht mal, an irgendwelchen Joints ziehen zu müssen, nur weil das Emilia auch tut."
"Verstanden."
"Und bitte versprich mir eins."
"Was?"
"Du wirst 16 und so langsam erwachsen. Wenn du Mama mit Respekt behandelst, wird sie dich auch mit mehr Respekt behandeln. Und wenn du nicht mehr diese pubertäre Schiene fährst, dann denkt sie, dass du langsam erwachsen wirst und lässt dir mehr Freiheiten zu."
"Glaubste?"
"Ja."
"Hm. Ich mache doch eh alles falsch. Da habe ich mal eine beste Freundin und die ist auch nicht richtig."
"Vermutlich passt es Mama einfach nicht, dass diese Caro die Mama von der ist. Und, dass du ausgerechnet mit der die ganzen Sachen ausprobierst. Mama liebt dich, Mina. Und sie wird niemals auf die Idee kommen, dass du mit dem Bier trinken von alleine angefangen hast, weil du eben die kleine Prinzessin bist. Weil Mama denkt, du machst so was nicht, ist sie der Meinung, dass es nur von Emilia kommen kann."
"Es kommt ja auch alles von Emilia. Sie ist ja gerade am herausfinden, wie was ist. Und wo ihre Grenzen sind. Genau wie die anderen in der Clique. Ich will einfach nicht diejenige sein, die nie Streit mit ihrer Mutter hat und nicht rebelliert."
"Sei genau die, Mina."
"Wieso?"
"In Cliquen ist das meist so, dass wenn einer so spurt machen es die anderen nach. Es gibt immer einen, der wird zuerst klar im Kopf und stellt das alles in Frage. In dem Fall, bist du es. Wenn du nicht mehr rebellierst kannst du die anderen mit den Verhalten anstecken."
"Ich glaub nicht, dass dies funktioniert", murmelte Mina. "Emilia hat da das sagen."
"Und wer ist ihre rechte Hand?"
"Wie?"
"Ihre beste Freundin aus der Clique?"
"Ich."
"Wenn sie dich manipulieren kann, dann kannst du sie auch manipulieren."
"Versuchen kann ich es ja. Es tut mir ja auch leid, wie ich mit Mama umgehe."
"Dann änder dich. Versuche es zumindest."
"Hm", machte Mina. "Wenn du zu Curt willst, wieso fährst du dann diesen riesigen Umweg in Richtung Innenstadt?"
"Ähm, naja, wir treffen uns in der Stadt."
"Kannst mich da rauslassen."
Ich fuhr rechts ran und blickte zu Mina.
"Kein Alkohol. Sag, dass du Tabletten genommen hast."
"Alles klar. Und du geh in kein Stripclub", warf sie mir grinsend an den Kopf und stieg aus. Die Tür knallte zu und ich fuhr weiter.

***

"Rieka, du musst mir helfen", bat ich eine der Mitarbeiterinnen im Vapiano. Verdutzt blickte mich die Bedienung im VIP-Bereich im zweiten Stock - der ziemlich gefüllt war - an.
"Kane, was machst du denn hier?"
Rieka war eine Klassenkameradin und arbeitete im Vapiano. Ich hatte mich reingeschlichen und Solin mit ihrem Date ausgemacht. Die beiden saßen an einem Tisch, aßen gerade und unterhielten sich.
Ich schob sie hinter einen Pfeiler und schaute noch mal unauffällig in Richtung Solin.
"Wegen Solin?", fragte sie mich.
"Ja."
"Kannst froh sein, dass ich hier heute alleine arbeite", sagte sie. "Und hoffentlich trifft sie sich dann nicht mehr weiter mit diesem Vollpfosten."
Ach, als Rieka war nicht gut und dem zu sprechen. "Was hast du denn gegen ihn?"
"Guck dir den doch mal an", meinte sie. "Der ist Papas Lieblings-Schnösel-Sohnemann. Diese Frisur und diese Klamotten. Letztens hatte er nen Bowlingshirt an und Slippers. Der kleidet sich wie ein Charlie Harper in den Mitvierzigern. Und diese Art die er hat. Diese "Fass mich nicht an, oder mein Vater verklagt dich"-Attitüde."
"Also hilfst du mir?", fragte ich sie.
"Ja, lass uns die beiden ein wenig ärgern. Was auch immer das von dir soll."
"Ich will nur das Date ein klitzekleines bisschen ruinieren. Vielleicht merkt sie dann, dass wenn ich nicht locker lasse, dass sie..."
"Für einen nervigen Stalker handelt?", unterbrach Rieka mich.
"Nee", meinte ich. "Das sie mir doch noch ziemlich wichtig ist. Ich weiß das."
"Wenn du das sagst", meinte sie und zog mich in einen der Hinterräume.
"Größe?", fragte sie und zeigte auf dem Regal mit den dunkelroten Poloshirts.
"L."
"Da dann kannst du mal deine dicken Oberarme dort reinquetschen", sagte sie und wühlte in den T-Shirts herum.
   Nachdem ich mich in das T-Shirt gequetscht hatte, band ich mir noch eine Schürze um die Hüfte und blickte zu Rieka.
"Hoffentlich platzt das T-Shirt nicht", lachte sie und klopfte mir auf die Schulter.
"Was hast du jetzt vor?", fragte sie mich. Da standen wir wieder. Hinter dem Pfahl und blickten zu den beiden.
"Ich mach das schon... irgendwie", sagte ich.
"Irgendwie", brummte Rieka und schnitt eine Grimasse. Sie drückte mir eine Weinflasche in die Hand und meinte, dass ich mir was einfallen lassen solle. Dann schubste sie mich nach vorne.
   "Guten Abend, die Herrschaften. Ich würde Ihnen gerne diesen Wein empfehlen."
Solin spuckte erschrocken das Wasser in das Glas, während dieser Typ die Stirn runzelte.
"Solin, möchtest du?", fragte er sie. Solin hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich.
"Nein, Danke", sagte sie und dann blickte sie mich an. Nicht giftig, oder genervt. Eher erschrocken und verblüfft.
"Kann ich Ihnen denn sonst noch was bringen?"
"Nein, Danke, ich habe alles. Solin, was ist mir dir?"
"Ich möchte auch nichts mehr."
"Okidoki", sagte ich und ging vom Tisch weg. Ich stellte die Flasche mit dem Wein auf den Tresen der Bar und blickte zu Rieka.
"Kannste vergessen", meinte ich nur und zog mir die Schürze aus.
"Reden, sofort", meinte Solin, als sie an mir vorbeihuschte.
"Kannste vergessen", ahnte Rieka mich nach und schnappte sich die Schürze. Dann warf sie mir mein Shirt hin, welches ich auffing. Ich ging Solin hinter her, bis wir vor dem Laden standen.
"Woher weißt du, dass ich hier bin?"
"Er führt dich immer wieder hier her aus", antwortete ich. "War ja wohl nicht schwer zu erraten."
"Und was fällt dir ein, dass du hier auftauchst?"
"Wollte dich nur ein bisschen Ärgern und so wie du die Nase rümpfst hat das geklappt."
"Du bist verrückt", sagte sie und schüttelte ihren Kopf. "Einfach verrückt."
"Und bekloppt!", rief ich ihr hinter her, als sie wieder ins Vapiano ging.
Ich seufzte und ging zurück zum Parkplatz. Ich schmiss mein T-Shirt auf die Rückbank und schnallte mich an.
Wars das jetzt also? Wars jetzt vollkommen vorbei?
Ich ließ den blubbernden Motor aufheulen und seufzte wieder. Dann warf ich noch mal einen Blick zum Restaurant und setzte zum Anfahren an.
Erschrocken schrie ich auf, als die Beifahrertür auf ging und Solin sich auf den Beifahrersitz verfrachtete.
Ich musste wohl ziemlich bescheuert geguckt haben, da sie mich irritiert anblickte.
"Fahr mich nach Hause", sagte sie und zog die Tür zu.
"Was ist mit deinem Date?"
"Hab gesagt, dass was dazwischen gekommen ist."
"Na dann", sagte ich und fuhr los.

   Fünfzehn Minuten später hielt ich vor dem Wohnhaus von Solin und ihrem Vater.
Sie blickte zu mir. "Danke."
"Und ich darf nicht noch mit hoch?", fragte ich sie frech.
"Übertreib es nicht", sagte sie. Sie hielt inne und drückte mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie Ausstieg und mich wieder links liegen ließ.
"Na gut, dann nicht", meinte ich und schüttelte nur meinen Kopf. Dann fuhr ich nach Hause.

"Was zum Henker trägst du da?", fragte Papa mich, als ich zu Hause ankam. Ich blickte auf mich runter und sah, das ich noch das Polo-Hemd vom Vapiano trug.
Ich schnitt eine Grimasse und grinste. "Lange Geschichte."
"Okay", meinte Papa und schüttelte seinen Kopf. "Du bist merkwürdig, Junge."
"Hab ich von meinem Papa", sagte ich und verschwand nach oben in mein Zimmer.

{3}»Kane♥« ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt