Moondancer - Pferdemädchen

20. Der Unfall

Diesmal mischte ich mich in die Menge der Besucher und ging nicht schon vorher in die Arena. Selbstverständlich setzte ich mich in die erste Reihe, um meine Trainerinnen ganz nah zu erleben, wenn sie durchritten. Am meistens freute ich mich auf Marion und Thorgal.

Plötzlich tippte jemand neben mir auf die Schulter. „Du bist doch Hanna? Oder?", fragte mich jemand auf Französisch. Langsam drehte ich den Kopf und blickte direkt Nicole, die Showfotografin, an. „Nee, weißt du, wir sind eineiige Zwillinge.", sagte ich sarkastisch grinsend auf Deutsch.

Verwirrt sah mich die rothaarige Dame an. „Seit wann kannst du Deutsch?", wollte sie wissen. Achso... Mit ihr hatte ich ja noch gar nie in dieser Sprache geredet. „Das ist meine erste Muttersprache.", erklärte ich kurz. „Echt? Und woher kannst du französisch so gut? Ich habe keinen Akzent rausgehört, als du mit mir gesprochen hast.", wollte Nicole neugierig wissen. „Meine zweite Muttersprache ist Französisch.", informierte ich sie.

Nicole nickte. „Und warum sitzt du hier und nicht bei den Pferden?", bohrte sie weiter. „Oh, ich suche Schutz vor Chris. Er ist an der Reihe, mich zu ärgern. Vorhin habe ich nämlich Rangos Box verriegelt. Und zwar richtig. Er hat einen Stunde gebraucht, um sie aufzubekommen.", erwiderte ich schmunzelnd.

„Das ist aber nicht nett.", neckte meine Gesprächspartnerin, "Was hat er dir dafür getan?", erkundigte sie sich weiter. „Das Kriegsbeil wurde mit dem Video, von Morendo und mir, ausgegraben und ist immer noch in Benutzung. Es ist aber nicht so, dass es schlimm ist. Wohl eher so kleine Neckereien zwischen Freunden.", erklärte ich und Nicole nickte, als sie sich wieder an den Film auf Facebook erinnerte.. „Und wann sehen wir dich eigentlich als Milady?", interwievte sie weiter.

Kurz musste ich über ihre Frage ernsthaft nachdenken, doch dann murmelte ich: „Hoffentlich gar nicht. Ich habe keine Ahnung, was sie geplant haben. Ich wüsste auch nicht, welches Pferd ich nehmen sollte. Für mich ist halt keines da." Am Ende wurde eine Stimme ein wenig trauriger. Denn gerne hätte ich ein Pferd gehabt, in das ich meine ganze Liebe stecken konnte.

„Wirklich nicht? Dann sollte Mario aber dringend etwas unternehmen.", kommentierte Nicole noch, ehe sie von der Erzählstimme der Arena unterbrochen wurde. Unsere Aufmerksamkeit wandte sich also dem Geschehen zu. Doch schon in der ersten Szene konnte ich sehen, dass mit Rango etwas nicht stimmte. Er schüttelte immer wieder unwillig den Kopf und wehrte sich mit allen Mitteln gegen seinen Reiter. Chris hatte alle Hände voll zu tun, um Rango zu beruhigen.

Allerdings stachelte das, das Pferd noch mehr an, bis Maxime ihn schließlich hinaus führte. Sobald Chris von seinem Rücken war, wurde der Wallach sichtlich ruhiger. Beim genauen Hinschauen fiel mir auf, dass sein Reiter eine furchtbar schlechte Laune hatte. Seine Stirn war in tiefe Falten gezogen, die braunen Augen strahlten nicht wie sonst diese Belustigung aus, die typisch für den lebensfrohen Mann waren. Zudem lachte er kein einziges Mal zusammen mit seinen Kollegen, die wie immer viel Spaß bei ihrer Aufführung hatten. Diese miese Laune übertrug sich auf den Braunen, was man ihm auch deutlich ansehen konnte. Ich war geradezu froh, als die Musketiere wieder aus der Arena rannten, um der Milady Platz zu machen.

Meine blonde Trainerin lächelte mir freundlich zu und ich erwiderte ihre Fröhlichkeit sofort. Von ihrer guten Laune ließ ich mich direkt anstecken und vertrieb für einen Moment meinen Ärger über Chris. Neben mir hörte ich eine Kamera klicken und ich war mir sicher, dass Nicole dieses Strahlen der blonden Schönheit in der Mitte der Arena einfing. Jedoch verflog dieses Bisschen an guter Laune sofort wieder, als die Szene mit dem Trickreiten durchgeführt wurde. Rango und sein Reiter führten wieder eine riesige Auseinandersetzung. Obwohl der Braune eigentlich dafür bekannt war, nie ganz brav zu sein, war es heute jedoch extrem schlimm. Nachdem Chris sein Pferd mit zusammengebissenen Zähnen endlich zu der ersten Runde überredet hatte, sah sich der Hengst sofort suchend nach mir um. "Hanna!", rief er laut. "Bitte! Er tut mir weh!", noch nie hatte ich ein Pferd so flehend gehört. Es wurmte mich, dass ich nicht antworten konnte. Aber ich konnte auch nicht aufstehen und zu ihm gehen. Stattdessen blickte ich ihn nur hilflos fragend an.