Der nächste Tag begann früh. Louisa und ich trafen uns halb acht und malten Blacos an. Es war einen lustige Angelegenheit und spätestens danach waren wir putzmunter und gut gelaunt. Audrey kam auch gerne früh, aber sie war dann meistens noch müde und nicht ganz so gut gelaunt. Unser lautes Gekicher musste sie schon von weitem gehört haben. Jedenfalls würdigte sie uns keinen Blick, als sie genervt in den Stall marschierte. Doch ich wusste, dass sie spätestens nach einem Kaffee ihre Fröhlichkeit wieder bekam.
Unser Opfer ließ sich das alles brav gefallen. „Weißt du, Blacos, am besten, du benimmst dich noch so, als wärst du tot.“, grinste ich. Der Rappe sah mich fragend an, taumelte dann ein bisschen hin und her und ließ sich auf den Boden fallen. Ich lachte. „Genau. Wenn du das nachher genauso machst, bekommt Ludo einen Anfall.“ Louisa kicherte, denn sie dachte, ich hätte Blacos das so beigebracht, und räumte die restliche weiße Farbe weg.
„Sollen wir Marion auch ärgern?“, fragte ich die Blonde. Diese nickte. „Aber wie?“, wollte sie noch wissen.
„Also pass auf, Chris kommt ja auch erst später. Wir könnten Thorgal und Rango vertauschen. Oder noch besser, wir vertauschen Jovito und Thorgal, dann weiß sie nicht so schnell, wer das Pferd in Thorgals Box ist.“
Louisa nickte anerkennend und grinste. „Gute Idee, holst du den Falben?“ Ich lief schon los. Jovito sah müde auf, als ich kam. Er wirkte nicht mehr so neugierig wie gestern. Eher resigniert. Er folgte mir zwar brav, war aber mit dem Herzen nicht dabei. Es wirkte sogar fast, als hätte er Angst vor mir. Ich war zwar irritiert, ließ mir aber nichts anmerken. Als das erledigt war, stupste mich Morendo an.
„Du, der Neue hatte heute Nacht einen Albtraum. Er handelte von dir und dann hat mich nach dir ausgefragt. Nur, falls sein Verhalten dir komisch vorkommt.“, murmelte er. Ich hob die Augenbrauen. Nachdem beide Pferde ihre neue Heimat bezogen hatten, setzte ich mich in die Nähe von Jovito auf den Boden. „Was ist?“, fragte ich das Pferd leise. Bei meiner Stimme zuckte der Hengst heftig zusammen.
„Du darfst sie nicht hören! Ignoriere sie! Es ist eine Einbildung! Nur Träume können schön sein! Vertraue niemanden!“, murmelte er apathisch vor sich hin. Seine Augen waren voller Angst und als ich vorsichtig näher kam, schrak er zurück und drückte sich an die andere Seite der Box. „Vertraue niemandem!“, murmelte er zu sich selbst. „Du kennst sie nicht! Vertraue ihnen nicht!“, murmelte er weiter. Entsetzt riss ich die Augen auf.
Er glaubte nicht, dass es ihm jetzt gut ging. Was war ihm bloß passiert? Grübelnd lief ich zum Globe. Wie in jeder freien Zeit, zwischen den Shows, probten die Darsteller mit ihren Schülern. Eliza sang scheußlich, für meinen Geschmack, aber ich konnte ja auch Zsolts Gesang nicht leiden. Und Zsolt war Zweitbesetzung für Juan, aber manche liebten seinen Gesang. Wie immer setzte ich mich in eine Ecke, lehnte mich lässig an das Geländer und legte die Füße auf die anderen Sitzplätze.
Es dauerte ein Weilchen bis Eliza mich sah. Sie winkte mir zu und ich lächelte. Ornella kam gerade vom Backstagebereich auf die Bühne und entdeckte mich auch gleich. Zielstrebig steuerte sie auf mich zu. Sie wirkte glücklich. Fragend hob ich eine Augenbraue. „Keine Chantal heute oder warum siehst du so glücklich aus?“ Meine Freundin nickte. „Sie ist krank. Angeblich.“ Wir grinsten uns vielsagend an. „Und wie geht’s dir so?“, wechselte sie dann das Thema. „Och. Ganz gut. Marion kommt nachher wieder... Endlich.“, seufzte ich.
Ornella nickte. „Du hast sie vermisst, oder?“ Ich nickte kläglich. „Sehr. Aber ich geh mal wieder, ich wollte nur wissen, ob Chantal wieder Probleme macht.“, meinte ich. Die schwarzhaarige Frau schüttelte den Kopf. "Nein, wie gesagt. Sie ist nicht anwesend.", fröhlich verabschiedete ich mich noch und trottete dann zurück zur Arena. Gelangweilt versuchte ich die Zeit bis heute Mittag tot zu schlagen. Es gelang mir mit putzen von Pferden, Stallgasse fegen und Lederzeug fetten.
Schließlich hörte ich das lang ersehnte Geräusch. Autos fuhren auf den Hof. So schnell ich konnte, räumte ich die Fettutensilien weg und stürmte hinaus. Marion stieg gerade aus Ludos rotem Auto aus. Sie lächelte mich an. Gelassen lief ich auf sie zu, aber als ich kurz vor ihr war, verließ mich meine Beherrschung und ich fiel ihr um den Hals. „Hey, Hanna! Ich war doch nur 4 Wochen weg.“, brummelte sie an mein Ohr. Ich seufzte leise.
„Weißt du, dazwischen lag ein ganzes Leben, es hat sich so viel verändert ohne dich. Ich muss dir so viel erzählen, aber nicht nur Gutes, Marion.“ Vorsichtig machte ich ein paar Schritte von ihr weg und sah meine Freundin gequält an. Plötzlich tippte mir jedoch jemand auf die Schulter. „Hi, Hanna. Ich hoffe, meinen Pferden geht es gut.“ Das kam von Ludovic. Grinsend drehte ich mich um. „Erinnerst du an das, was ich dir gesagt habe? Blacos ist verhungert. Und außerdem ist er an mangelnder Bewegung wahnsinnig geworden.“ Der Mann hob die Augenbrauen und lief mit großen Schritten in Richtung Stall.
Hastig folgte ich ihm. Das Gesicht wollte ich auf gar keinen Fall verpassen. Ich kam direkt nach ihm an und der Schrei tönte durch den gesamten Stall. „Ahhhh! Was hast du mit meinem Pferd gemacht?“ Louisa wurde durch den Schrei aufmerksam und gesellte sich ebenfalls zu unserer kleinen Gruppe, die um Blacos Box herumstand. Als sie Ludos Gesicht sah, prustete sie los und ich lachte mit ihr.
Marion bekam ebenfalls einen riesen Schreck, als sie sah, dass Thorgal nicht in seiner Box stand. Bei dem Anblick von Jovito hob sie eine Augenbraue und musterte das neue Pferd skeptisch. „Was ist das für ein Pferd?“, fragte sie und auch Ludo sah es sich an. „Der ist aber noch jung. Wem gehört der?“ Ich lächelte. „Darf ich vorstellen? Jovito d‘ España. El caballo de Hanna!“ Meine Mischung aus Französisch und Spanisch war grammatikalisch bestimmt vollkommen falsch, aber das war mir egal.
Das Wort caballo kannten dennoch auch Marion und Ludo. „Dein Pferd?!“ Marion klang sehr ungläubig. „Exakt.“, bestätigte ich stolz. Mein Boss musterte den Falben. „Aber alt ist der noch nicht und seine Muskeln sind auch noch nicht gut aufgebaut. Hast du ihn dir gekauft oder was?“ Ich schüttelte den Kopf. „Mario hat ihn mir gegeben, damit ich ihn einreiten kann.“ „Nicht dein Ernst.“, meinte Ludo ungläubig kopfschüttelnd. „Doch, ist es.“ Wieder schwoll meine Brust vor Stolz etwas an.
Marion lächelte. „Na dann, Glückwunsch.“ „Danke.“, antwortete ich erfreut. Jovito stand in der Ecke und blickte ängstlich zu mir. „Er hat Angst vor dir.“, stellte meine Freundin dann trocken fest. Ich stöhnte gequält auf. „Er denkt, ich wäre so etwas wie eine Hexe oder ein Albtraum. Er glaubt nicht an mich.“ Die blonde Frau berührte mich tröstend am Arm. „Sollen wir uns nicht irgendwo hinsetzen und du erzählst mir alles?“, fragte sie. Ich nickte und sie führte mich in ein hinteres Eck, wo wir ungestört waren.
„Du zuerst.“, sagte ich zu Marion. Sie nickte und begann. „Naja, eigentlich war es so wie jedes Jahr. Die Stimmung war super und es hat riesigen Spaß gemacht, mit den Pferden zu arbeiten. Vor allem Triste, mein Pferd für Kaltenberg, war mal wieder super. Du weißt gar nicht, was es für ein Gefühl ist, an den vielen Menschen vorbei zu reiten und den Applaus zu genießen. Nur bei der Premiere ging es ein bisschen schief. Da ist Triste gestolpert und wir wären beinahe beide in den Sand gefallen. Aber nun ja, besondere Vorkommnisse... Nee, gab es eigentlich nicht. Aber jetzt du!“, foderte sie mich auf und ich musste erst die richtigen Worte suchen.
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Moondancer - Pferdemädchen
FanfictionDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...