Da dada da da dadaa, da da dadadadadadaaaa... Flying Stars Fanfare. Vielleicht sollte ich mal einen anderen Weckton einstellen.
Mit diesem Gedanken tastete ich verschlafen nach meinem Handy und schaltete es aus. Beim ersten Mal mag es vielleicht noch ok sein, von diesem Stück geweckt zu werden. Beim zweiten Mal reichte es auch noch. Doch spätestens nach dem dritten Mal brauchte man Attack of the Black Knight, um aufstehen zu können. Das Streichorchester der Fanfare war zwar laut, aber zäh. Black Knight hatte wenigstens noch einen ordentlichen Beigeschmack von E-Gitarre. Beide Stücke waren Elemente der Klassik, die mit einem großen Orchester aufgenommen wurden und irgendwie episch klangen.
Wie wäre es mit Rihanna, Martin Garrix oder Eminem?, meldete sich irgendeine innere Stimme in mir.
Lass mich, ich bin bisher immer mit Klassik klargekommen! Solche Radiohits bin ich von meinem Radiowecker gewöhnt und da stehe ich erst recht nicht auf!, antwortete ich ihr, drehte mich auf den Bauch und vergrub grummelnd mein Gesicht in dem weißen Kissen.
-Und wenn du nicht sofort aufstehst, verpasst du deinen Ritt.-
Halt die Klappe!, fuhr ich sie an.
Nachdem ich noch einmal tief Luft holte, entschied ich mich schließlich doch aufzustehen.
Na super, jetzt rede ich mal wieder mit mir selber, dachte ich noch sarkastisch und schwang die Beine aus dem Bett. Dadurch schoss mir sofort das Blut in die Beine und mir wurde zuerst einmal schwindelig.
Selbstgespräche fördern übrigens die Intellige- HALT JETZT ENDLICH MAL DEN RAND!
Daraufhin war meine innere Stimme ruhig. Wenn ich es jetzt schon so weit brachte, mich selbst schlecht gelaunt zu machen, konnte der Tag ja nur besser werden.
Ich zog mir eine frische, jeansartige Reithose an und ein rotes T-Shirt. Damit sah ich sogar ganz gut aus, wenn ich heute Mittag in Kehl ankommen wollte. Anschließend frühstückte ich und packte dann mein Zeug zusammen. Viel war es ja sowieso nicht.
Dann nahm ich meinen Camcorder wieder in die Hand, denn mir fiel auf, dass ich gestern ganz vergessen hatte zu vloggen.
Ich machte mich zu Fuß auf den Weg in Richtung Stall.
"Hallo, ihr Arena-Suchtis da draußen!", grüßte ich grinsend, "Wie bereits bekannt sein dürfte, bin ich momentan unterwegs. Wanderritt und so... Auch hier nochmal die herzliche Einladung, zu meinem Ziel zu kommen. Morgen ist das Fest auf dem Traberhof Fernay. Ich zeige dort ein wenig, was mein Falbe so drauf hat. Es ist übrigens halb zehn Uhr morgens und ich bin unterwegs zu meinem Pferd, um wieder loszureiten. Vito war natürlich super brav und hat in den zwei Tagen mehr gelernt, als bisher unter dem Sattel. Ich denke, in den Herbstferien könnt ihr uns hin und wieder mal in der Arena anschauen. Doch dazu werde ich, wenn es dann soweit ist, nochmal etwas sagen. Und versprechen will ich auch noch nichts. Es grenzt an ein Wunder, dass Vito so schnell gelernt hat und ich bin auch, ehrlich gesagt, ziemlich froh darüber. Denn wenn jetzt wieder Schule beginnt habe ich keine Zeit mehr. Mario möchte aber, dass ich das Pferd noch dieses Jahr fertig bekomme. Aber momentan liegen wir perfekt im Zeitplan und auch Jovito macht den Eindruck, als dass er diesem Druck locker standhalten kann. By the way: Momentan bin ich in Oppenau.". Ich schwenkte den Camcorder einmal über die Landschaft.
"News gibt es eigentlich keine, da ich ja zurzeit gar nicht in Rust bin. Aber wenn etwas schwerwiegendes passiert, werde ich schon noch berichten." Nachdenklich schaltete ich den Camcorder aus. Hatte ich eigentlich schon die Sache mit Thorgal erzählt oder wollten wir die geheim halten? Da ich es nicht wusste und kein Risiko eingehen wollte, würde ich das auch nicht erzählen. Marion machte eine schwierige Zeit durch und solche liebgemeinten Mitleidsfloskeln von irgendwelchen Arenafans machten das Ganze nur noch schlimmer.
Kurz darauf kam ich in dem Stall an, in dem auch mein Pferd stand. Er hatte mich kommen gehört und begrüßte mich mit einem leisen Wiehern, als ich die Stallgasse betrat. Seinen Kopf hatte er neugierig aus dem Fenster der vergitterten Box gestreckt und mit aufgerichteten Ohren erwartete er mich. Er zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht und liebevoll kraulte ich ihm kurz die weiche Stirn. "Guten Morgen, Kleine.", begrüßte er mich sanft und ich fuhr ihm durch die dichte Mähne. "Morgen, Großer! Bist du für die letzte Etappe bereit?", antwortete ich. Als mein Pferd nickte, begann ich ihn zu richten, was nicht allzu lange dauerte. Nebenbei bekam er noch seine morgendliche Ration Kraftfutter.
Schon eine halbe Stunde später waren wir wieder aufbruchsbereit. Mit dem Gedanken an Kevin, der es pflegte, auf sein Pferd zu springen, anstatt normal aufzusteigen, schwang ich mich direkt vom Boden auf den Rücken meines Falben. Wozu brauchte man als Stuntreiter auch Steigbügel?
Mit sanften Schenkelhilfen gab ich Vito schließlich die Anweisung zum Anreiten und am langen Zügel ritt ich im Schritt los. Währenddessen holte ich meine Kamera noch einmal aus dem Rucksack. "Also jetzt sind wir unterwegs. Wir sehen uns Morgen!", sprach ich noch schnell meine Abschiedsworte und filmte noch ein wenig die Umgebung und den Blick von Vitos Rücken aus.
Heute war mein Pferd wirklich brav. Allmählich schien er sich an die unbekannten Situationen zu gewöhnen und mir immer mehr zu vertrauen. Ich musste ihm schon gar nicht mehr gut zureden, sondern ohne zu fragen lief er nun an unbekannten Dingen vorbei oder darüber.
Nebenbei fing ich noch an, die einseitige Belastung zu trainieren, indem ich mein Gewicht noch mehr verlagerte, als es zum Reiten eigentlich notwendig war. Vito war eigentlich auch an Gewichtshilfen gewöhnt und deshalb nahm er das zuerst falsch auf. Doch nachdem ich einige Missverständnisse mündlich beiseite geräumt hatte, nahm mein Pferd das Training gleichgültig zur Kenntnis. Hin und wieder schwankte er kurz, doch das Gleichgewicht verlor er nicht. Noch übte ich ja ausschließlich im Schritt und nur ein kleines bisschen. Ein Wanderritt war auch so anstrengend genug.
Am späten Abend kam ich, wie vorhergesagt, in Straßburg an. Ich trabte auf den Hof und, obwohl Vito keine Hufeisen trug, wurden sämtliche Pferde und Menschen auf uns aufmerksam. Meinen Vater entdeckte ich auf der Trainingsrennbahn. Er saß im Sulky und trabte mit einem Pferd über den festen Erdboden.
Langsam parierte ich meinen Falben durch und ritt im Schritt an den Rand der Ovalbahn. Mein Vater entdeckte mich fast sofort und beendete die Runde. Jovito blickte unterdessen neugierig zu den ganzen Pferden. "Ich fühle mich fett.", bemerkte er dann trocken. Ich prustete los. "Das sind Vollblüter. Natürlich siehst du dagegen dick aus." Glucksend ritt ich zum Ausgang der Ovalbahn, um meinen Vater in Empfang zu nehmen.
Dieser stieg gerade von seinem Sulky runter und begann das Pferd von dem Wagen zu befreien. "Hallo, Hanna.", begrüßte er mich auf Französisch. Ich schwang mich von dem Rücken meines Pferdes, um ihm die Bises zu geben. "Hallo, Dad. Das ist übrigens Vito, von dem ich schon so viel erzählt habe.", erklärte ich und deutete auf meinen Falben. Mit dem prüfendem Blick eines Pferdezüchters begutachtete mein Vater das Pferd. "Hübsches Pferd. Schöner, gleichmäßiger Körperbau. Ausdrucksstark und schnell. Gut und relativ gleichmäßig bemuskelt. Insgesamt ein schönes, hochqualitatives Reitpferd.", meinte er fachmännisch. "War der nicht teuer?", wollte er wissen. "Keine Ahnung. War mehr oder weniger ein Geschenk.", antwortete ich. "Ach, du liebes bisschen. Wie alt ist er denn?!", ungläubig sah mein Vater sich die Zähne meines Pferdes an.
"Du musst doch Unmengen an Geld ausgegeben haben! So ein gutes Pferd verschenkt man nicht einfach so!". "Mario Luraschi hat ihn mir mehr oder weniger geschenkt.", antwortete ich ruhig. "Achso. Alles klar!", lachte Dad. "Komm, wir suchen eine Box für den hübschen Kerl.", meinte er noch und ich folgte ihm in den langen Stall.
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Übrigens, die Stücke, die ich am Anfang erwähnt habe, findet ihr -beigefügt als Video (Flying Stars Fanfare)
-und auf Freds Website (www.fredericlaforet.com)

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Moondancer - Pferdemädchen
FanficDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...