Wieder Hannas Sicht
Als ich aufwachte, sah ich nur weiß. Zuerst wusste ich nicht, was passiert war, doch dann fiel es mir wieder ein. Das Gewitter, der Baum und wie ich darunter lag. Vito sollte Hilfe holen. Vito. Genau. Ging es meinem Hengst überhaupt gut?
Ich blinzelte gegen das helle Licht und starrte an die Decke. Weiß. Überall war es nur weiß. Anscheinend war ich im Krankenhaus. Als ich mich kurz auf meinen Körper konzentrierte, merkte ich, dass mein rechtes Bein in einem riesigen Gips steckte und ein wenig ziepte. Aber weh tat mir im Moment nichts. Langsam drehte ich den Kopf. Au!, beinahe hätte ich aufgestöhnt. Mein Kopf dröhnte gewaltig. Doch so konnte ich wenigstens meine Mutter sehen, die an dem kleinen Tisch im Zimmer saß und irgendeine Zeitschrift las. Wie geht es Jovito?, wollte ich fragen, doch es kam nur ein schwaches "Jovito?", heraus. Sofort drehte meine Mutter den Kopf und blickte mich an. "Endlich! Du bist wach!", rief sie erleichtert. "Wie geht es dir?", fragte sie dann und kam an mein Bett. "Wie geht es Jovito?", fragte ich noch einmal deutlicher. Diesmal sogar verständlich.
"Dem geht es gut. Er hatte nur eine kleine Wunde am Bein. Aber die Frage ist wie geht es DIR?" Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich die Luft angehalten hatte. Meinem Pferd ging es gut, ich lebte auch noch, also war alles ja gut. "Mir geht es ganz gut.", antwortete ich schließlich auf die Frage meiner Mutter. "Was ist nach dem Unfall geschehen?", wollte ich weiter wissen. "Keine Ahnung. Da musst du Marion oder Ludo fragen. Marion war vorhin übrigens auch da, sie ist dann aber relativ bald gegangen. Sie musste ja noch ihre Show durchziehen.", erklärte meine Mutter. "Wie lange war ich weg?" "Gestern Nachmittag war der Unfall. Anschließend bist du direkt in die Notaufnahme gekommen und dein Bein wurde in einer OP wieder zusammengeflickt, wie lange das allerdings jetzt dauern wird, bis es vollständig verheilt ist, weiß ich nicht. Aber sechs bis acht Wochen auf jeden Fall, haben die Ärzte gesagt. Doch der Bruch ist bei dir überraschenderweise sehr glatt und nicht zersplittert, wie es bei einem solchen Unfall normal wäre. Allerdings mussten die Ärzte sehr viel nähen.", meinte meine Mutter nur.
"Ok, dann ist ja gut.", nickte ich und lehnte mich in meinem Kissen zurück. "Und wie lange muss ich hierbleiben?", bohrte ich weiter. "Nicht so lang. Sie wollten dich auf jeden Fall hierbehalten, bis du aufwachst und dann schauen sie mal, wie es dir geht. Gelegentlich kommt als mal eine Schwester vorbei, die nachsieht. Momentan hast du noch einen Liegegips dran, doch sie wollten, eben wenn du aufwachst, relativ bald einen Gehgips an dein Bein machen. Ich habe ihnen nämlich erklärt, was deine Leidenschaft ist und dass du es nicht aushalten wirst, ohne zu reiten.", lachte meine Mutter. "Und was haben sie da gesagt?", grinste ich. "Du solltest eigentlich nicht reiten, wenn es nicht unbedingt sein muss, doch sie werden dir auf jeden Fall einen Gehgips machen, der nicht ganz so plump ist, damit du möglichst viel Beweglichkeit beibehältst." Schmunzelnd blickte ich die Decke an. "Dann ist ja gut. Ohne Reiten werde ich nämlich auf gar keinen Fall auskommen. Vor allem jetzt nicht, in den letzten paar Tagen, bevor Vito geht.".
Bald, viel zu bald, würden sie gehen. Und Vito mitnehmen. Ich wollte nicht daran denken.
Jedenfalls kam schon eine halbe Stunde später eine Krankenschwester vorbei, die mich kurz nach meine Befinden fragte und als ich ihr sagte, dass es mir gut ging, machten sie den Gehgips dran und mir wurden noch ein paar Schmerzmittel mitgegeben. Denn ich erfuhr, dass ich unter Schmerzmittel stand. Deswegen auch das merkwürdige Ziepen in meinem Bein.
Als meine Mutter mich nach Hause fahren wollte, nötigte ich sie noch dazu, in der Arena vorbeizuschauen. "Hallo.", rief ich grinsend, als ich die Arena betrat. Sofort wurde ich von einem lauten Wiehern begrüßt. "HANNAAAAAAAAAAAAA!", tönte es aus Vitos Richtung. Schmunzelnd machte ich mich auf dem Weg zu ihm. Nervös tänzelte mein Hengst in seiner Box umher und spielte am Schloss seiner Box rum. Marion hatte vor kurzem ein Extra-Schloss angebracht, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kam.
Mit flinken Fingern öffnete ich seine Box und fiel ihm um den Hals. "Du lebst noch!", schnaubte Vito erleichtert und prustete mir durchs Haar. Liebevoll kraulte ich ihm am Mähnenkamm.
Eine Weile standen wir so da, bis mich jemand an der Schulter berührte. "Hallo, Hanna.", grinste Marion und ich fiel ihr ebenfalls um den Hals. "Marion!", lächelte ich nur. "Was ist eigentlich passiert, nachdem ich bewusstlos wurde?", fragte ich sie direkt. "Komm mit. Das erzähle ich dir jetzt nicht hier zwischen Tür und Angel.", erklärte sie und ich verschloss schnell die Boxentür von Vito wieder. Dann folgte ich ihr die Umkleide, wo ich mich auf einen Stuhl fallen ließ und ihr zuhörte, wie sie mir alles bis ins kleinste Detail erzählte.
Von Vito, der beinahe durchgedreht wäre und Ludo, der nicht kapiert hatte, was Vito von ihm wollte. Von der Feuerwehr und den Kettensägen, mit denen sie mich befreit hatte.
"Tja, aber jetzt bist du wieder hier, einigermaßen gesund und fröhlich. Das ist doch alles, was zählt.", endete sie. "Was für ein Happy End.", lachte ich dramatisch und winkte Chris zu, der gerade an der Umkleide vorbeilief. "Ach, hallo Hanna!", lächelte er und setzte sich zu uns. Liebevoll drückte er Marion zur Begrüßung einen Kuss auf die Lippen. "Du bist also wieder da.", meinte er dann. "Komm schon, ich war nur 24 Stunden weg. Werde ich hier etwa von jemanden vermisst?", grinste ich vergnügt. "Nein, es war ganz angenehm ohne dich.", sagte Chris mit gespieltem, vollen Ernst und ein wenig böse. Daraufhin kassierte er einen verärgerten Schlag von mir auf den Arm. "Vergiss nicht, wer damals dein Pferd wieder enttraumatisiert hat!", erinnerte ich ihn an die Sache mit Rango, die jetzt schon einige Monate zurücklag.
"Das warst du, ich weiß...", sagte er nachdenklich, jetzt fiel ihm wohl kein Gegenargument mehr ein. "Weißt du Chris, wenn ich morgen wieder hier bin, darfst du mal auf Vito reiten.", schlug ich ihm zur Versöhnung vor. Er hob die Augenbrauen. "Wie soll ich das jetzt interpretieren?", fragte er ruhig. "Als Ponyführen-Möglichkeit oder als Ausnahme, weil Vito dein Heiligtum ist und du mir jetzt endlich vertraust?", schlug er vor. Über seine erste Möglichkeit lachte ich laut. "Letzteres.", brachte ich noch hervor. Wir blieben noch ein Weilchen sitzen, ehe sich Marion und Chris wieder für ihren Auftritt richten mussten.
Ich ging anschließend wieder zurück zu meiner Mutter, die sich inzwischen die ganzen Pferde hier angesehen hatte. Sie stand gerade bei Hidalgo und liebkoste den Hengst. "Gehen wir?", fragte ich sie dann und sie nickte eilig. "Natürlich." Damit liefen wir zurück zum Auto und schon eine halbe Stunde später waren wir wieder Zuhause angekommen. Da ich, aufgrund der Schmerzmittel, noch ziemlich fertig war, legte ich mich auch gleich ins Bett und war wenige Minuten später schon weggedöst.
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Moondancer - Pferdemädchen
FanfictionDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...