Am Abend lief ich schließlich wieder zur Arena und begab mich sofort zu Vitos Box. Der Falbe blickte neugierig. "Hallo, Hanna. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.", begrüßte er mich sofort. "Hi, Großer. Nee, weißt du, ich gehe immer ohne mich zu verabschieden.", sagte ich sarkastisch und kam dann auf mein eigentliches Anliegen zurück. "Aber weißt du, eigentlich wollte ich noch ein bisschen mit dir trainieren.", eröffnete ich ihm.
Für einen Augenblick, kaum wahrnehmbar, wurde sein Blick wieder verängstigt, doch nur eine Millisekunde später war er wieder voller Vorfreude. "Und was meinst du mit trainieren?", fragte er dann vorsichtig. "Ich habe gehört, du bist schon anlongiert. Eigentlich wollte ich nur mal kurz schauen, wie weit du damit bist und was du alles schon kennst. Weißt du was eine Trense ist?", fragte ich direkt. Der Falbe schüttelte den Kopf. "Noch nie gehört. Aber vielleicht kenne ich es vom Aussehen. Zeig mal, bitte.", bat er mich und ich holte schnell eine Trense aus der Sattelkammer.
Nachdenklich blickte Jovito sich die Trense an. "Habe ich schon einmal gesehen, ja. Aber ohne diese komische Stange da.", meinte er und deutete auf das Gebiss. "Ok, alles klar, das ist ein Gebiss. Aber wir werden das jetzt zuerst ohne machen und dich dann langsam daran gewöhnen.", erklärte ich ihm das Training. Das Pferd nickte zustimmend.
Also holte ich die Kamera, positionierte sie am Rand vom Sandplatz der Arena und holte Vito. Ich hatte ihm eine gebisslose Trense übergezogen. Nur am Halfter wollte ich ihn jetzt auch nicht longieren. Das konnte ich immer noch machen, wenn wir schon etwas weiter waren. Ich schaltete die Kamera ein und sah in die Linse. "Hallo ihr Rocheforts-Reich-Suchtis da draußen vor dem Bildschirm!", begrüßte ich sie grinsend. "Ich werde jetzt das Training mit Vito anfangen und ihr dürft zuschauen. Heute steht ein bisschen longieren an. Leider habe ich nämlich keine Ahnung, was mein Großer drauf hat. Aber das werden wir jetzt hoffentlich rausfinden." Ich hob die Longierpeitsche vom Boden auf und lief mit Vito in die Mitte der Arena. Die Peitsche hatte ich nur, weil ich Vito nur zeigen wollte, wie man es normal machte. Normale Menschen konnten ja schließlich nicht nur so mit Stimme arbeiten, wie ich es tat.
Schließlich war sie doch nicht nötig, wie ich schnell bemerkte. Vito war ein sehr arbeitswilliges Pferd. Er hörte auf jede kleine Geste von mir und war konzentriert bei der Sache. Zuerst ließ ich ihn aber nur Schritt gehen. Sein Schritt war sehr weich. Sein Rücken bewegte sich kaum und doch ging er ordentlich mit weit ausgreifenden Schritten, die dennoch immer auf der imaginären Linie zu blieben schienen. Mit den Hinterhufen trat er ordentlich unter und seine Hufspuren deuteten auch auf einen absolut reinen Schritt. Ich war hin und weg. Das Pferd hatte allein vom Schritt her verdammt viel Potenzial. Überrascht ließ ich ihn antraben. Hier ging er ebenfalls taktklar und mit leicht federndem Rücken. Der Trab würde wunderbar zum Sitzen sein, dass sah ich schon. Innerlich sah ich mich schon nur noch ohne Sattel reiten. Bei der Vorstellung musste ich grinsen.
Auch seine Haltung entsprach der, eines fast perfekten Dressurpferdes. Natürlich hatte er hier und da ein paar Fehler. Aber er war erst drei! Ich konnte nicht erwarten ein absolut perfektes Pferd zu haben. Das merkte ich auch an seiner Konzentration, mehr als zehn Minuten hielt er nicht konzentriert durch. Dann wurden seine Schritte unklar und er fiel in der Haltung etwas auseinander. Ich merkte das und ließ ihn wieder Schritt gehen. Gespannt sah er mich an, soweit die Ausbinder es zuließen. Diese hatte ich ihm, um ihn einen Gefallen zu tun, verwendet. Die Ausbinder halfen ihm, seine Haltung zu behalten. Es war für Pferde doch irgendwann sehr anstrengend, den Hals gleichmäßig unten zu lassen und den Rücken gewölbt zu halten. Die Ausbinder waren quasi wie eine Stütze für ihn. Eigentlich sollten Pferde sich nicht zu sehr auf die Ausbinder legen, aber ich ließ ihn das tun. Denn, hey, das Pferd wurde erst in ein paar Wochen vier Jahre alt!
"Und?", fragte er schließlich. "Du bist unglaublich, Vito. In dir steckt Potenzial, ich fasse es echt nicht.", schwärmte ich ihm vor. Geschmeichelt senkte dieser den Kopf. "Dankeschön." Ich ließ ihn noch ein bisschen um mich herum laufen, bevor ich schließlich die Trense löste und ihn abgurtete. Danach stand das Pferd völlig frei neben mir und genoss es, wie ich ihn sanft kraulte. Inzwischen war Ludo zu uns gestoßen und beobachtete unser Training. Anscheinend wollte sich der Arena-Boss selbst ein Bild von Vitos Talent machen.
![](https://img.wattpad.com/cover/13462139-288-k609746.jpg)
DU LIEST GERADE
Moondancer - Pferdemädchen
Fiksi PenggemarDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...