Draußen traf ich die andere Nicole, die die ebenfalls ein großer Arenafan war, ebenfalls Bilder machte, aber dennoch nicht unsere Showfotografin war. Sie saß mit Uwe, ihrem Freund, in der Holzhütte vor dem Arenator und genoss die Sonne.
„Oh. Hallo, Hanna.", begrüßte sie mich auf Deutsch. Ich lächelte und setzte mich mit dem Blick zu Rangos Box auf den Boden. „Du siehst irgendwie glücklich aus", versuchte Nicole ein Gespräch zu beginnen. „Das bin ich.", flüsterte ich, gegen die blendende Sonne blinzelnd. „Wenn du so ein Pferd triffst... Es ist unglaublich. Einfach unglaublich. Du fühlst dich wohl bei deiner Arbeit. So richtig wohl. Und du wünschst, dass jeder Moment unendlich lang dauert. Ja, ich glaube, ich bin glücklich.", schwärmte ich leise. Die Frau im Schatten kicherte.
„Bist du etwa verliebt?" Ihr Grinsen war breit. Langsam nickte ich. „In ein Pferd, ja. Der Glückliche heißt Jovito und ist drei Jahre alt. Ein Hengst. Und wundschön.", meinte ich und schloss verträumt die Augen. Ja, ich merkte richtig, wie ich mich in die Aufgabe, ihn zuzureiten, hineinhing.
Vielleicht auch, weil er mein erstes eigenes Pferd war. Und sein Herz nicht so leicht zu haben war. Daran musste ich wohl noch arbeiten. „Echt jetzt? Habt ihr ein neues Pferd?", fragte sie neugierig. „Ja. Nun ja, er ist nur hier, weil ich hier wohne und ich ihn zureiten soll. Er ist ein Andalusierfalbe. Und sooooo schön.", meinte ich. „Werden wir ihn auch mal in der Arena sehen?", lautete ihre nächste Frage. Ich zuckte die Schultern. „Vielleicht. Am Ende der Saison, oder nächstes Jahr. Aber jetzt im Sommer nicht. Ich brauche die Zeit, um ihn zuzureiten. Und, um sein Herz zu gewinnen. Er ist noch ziemlich verschlossen gegenüber Menschen.", fügte ich hinzu.
„Hanna!", ertönte plötzlich eine helle Stimme. Ich lächelte Ornella, ohne die Augen zu öffnen, an. Als sie neben mir stand, blinzelte ich gegen die Sonne, die mir ins Gesicht schien und sah zu ihr hoch. Langsam öffnete ich ein Auge. „Sollen wir?", fragte ich und warf einen Blick auf ein hochgewachsenes Mädchen, mit blonden Haaren und vieeeeel Make-Up. In Absatzschuhen stöckelte sie umher und warf den Pferden angeekelte Blicke zu. Na super, das konnte ja heiter werden.
„Komm jetzt, steh auf, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.", grinste Ornella und reichte mir die Hand. Ich seufzte, verabschiedete mich kurz von Nicole und ließ mich von der schwarzhaarigen Globe Sängerin auf die Füße helfen. „Hi, schön euch zu sehen.", begrüßte ich sie richtig. „Was wollen wir hier?", fragte Chantal und scannte mich von oben nach unten ab. „Du stinkst nach Pferd.", stellte sie trocken fest und ich verzog meinen Mund zu einem, von Sarkasmus triefendem, Lächeln. „Schön. Dann wäre das auch geklärt", gab ich im selben Tonfall zurück.
Ornella seufzte leise. „Kommt mit.", forderte ich sie auf und betrat das Gelände. Chantal sah mich böse an. „Ich soll jetzt zu diesen blöden Viechern? Ihh! Ich weigere mich!", erklärte sie und stemmte ihre Absätze in den Boden. „Chantal. Punkt eins: Das sind keine Viecher, sondern Pferde. Punkt zwei: Ja, du sollst zu den Pferden, wir gehen reiten. Und du kommst mit.", stellte ich klar.
Die Barbie, wie ich kurzerhand beschloss, sie zu nennen, sah nicht sehr begeistert aus. „Was?!?!?! ICH soll auf die Vie... Pferde?", wutschnaubend stand sie vor mir. „Das macht meine Frisur und meine Kleidung kaputt!", meckerte sie. „Warum legst du dich mit mir an?", fragte ich ruhig. „Weil du es verdient hast. Und weil du mir nichts zu sagen hast.", erklärte sie mir mies gelaunt. „Komm Ornella. Dann lassen wir sie halt hier stehen. Soll sie doch sehen, wie sie wieder ins Globe kommt.", sagte ich schulterzuckend und meine Freundin folgte mir lächelnd. „Danke, Hanna.", meinte sie leise.
Als ich die gestöckelten Schritte hinter mir hörte, wusste ich, dass Chantal folgte. Ornella trug bequeme Jogginghosen und freute sich auf einen kleinen Ausritt. „Wen willst du?", fragte ich Morendo leise. Er deutete auf Ornella. „Mit der Anderen setzte ich mich nicht auseinander.", begründete er. „Du darfst Morendo reiten. Der ist heute schon alle drei Shows gegangen, das heißt, viel machen wir sowieso nicht. Talo ging nur in der ersten Show. Chantal bekommt ihn, falls sie sich überwinden kann, wenn nicht, nehme ich ihn. Dann soll sie halt laufen.", sagte ich, laut genug, dass die Barbie es mitbekam.
„Kannst du das überhaupt?", fragte ich sie beiläufig und deutete auf das Pferd. Hochnäsig stolzierte Chantal an mir vorbei und betrachtete Talo angewidert. „Klar, kann ich das!", erwiderte sie trotzig. Sie wollte sich nicht ihrer Vorgesetzten wiedersetzen und gleichzeitig ihren Stolz erhalten. Meine Fresse, war die eingebildet. Mühevoll zog sie sich auf Talo hoch, während Ornella, die durchaus schon mal geritten war, sich wesentlich eleganter auf Morendo schwang. Ich selbst nahm Thorgal mit, damit auch er noch seine Bewegung hatte. Aber ich ritt ihn nicht. Nur zur Sicherheit hatte ich zwei Führstricke dabei, falls ich doch mal auf die Idee kommen sollte.
Ich verknotete sie so, dass sie Thorgal nicht störten, aber trotzdem da waren, falls Spaziergänger kamen. Ich konnte ihn ja nicht in der Öffentlichkeit frei herumlaufen lassen. Im Wald würde ich ihn später sowieso wieder frei lassen.
„Können wir los?", fragte ich leise. Die Ältere nickte, aber ihre Schülerin blieb stumm. Sie saß einfach nur auf dem Pferd drauf und starrte missmutig in die Gegend. Anscheinend hatte sie beschlossen, nichts mehr zu sagen, sondern mich einfach nur zu ignorieren. „Kommt, meine Tierchen. Auf geht's.", lächelte ich liebevoll. Und die Pferde setzten sich in Bewegung.
Wie in einer Herde trotten sie mir hinterher und ich wählte eine kleine Route. Sobald wir außer Sichtweite von Besuchern waren, ließ ich Thorgal frei. Dieser freute sich mächtig und drehte erst einmal ein paar Runden im Galopp um uns herum. „Sicher, dass er nicht abhaut?", fragte Ornella zaghaft, die den Ausblick von Morendos Rücken sichtlich genoss. „Nein, sicher kann ich mir nie sein. Bei Pferden nicht. Aber Thorgal ist zuverlässig. Er wird wieder kommen. Ob das jetzt nach seinen paar Runden ist oder erst morgen früh, bleibt ihm überlassen."
Die Reiterin sah mich fragend an. „Und das machst du einfach so?" Ich zuckte die Schultern. „Ja, klar mache ich das. Wenn du Pferde von Anfang an zwingst, bei dir zu Bleiben, werden sie mit Sicherheit nicht wiederkehren. Wenn du allerdings sagst: Geh. Du darfst machen was du willst, werden sie sich nie weiter als 200 Meter von dir entfernen. Und dann kommen sie auch sicher wieder." Ich machte eine kurze Pause und drehte mich nach dem blonden Hengst um, der etwas hinter uns graste.
Als er sah, dass ich ihn beobachtete, hob er den Kopf und trabte zu uns. „Siehst du?", lächelte ich Ornella triumphierend an. Sie schüttelte den Kopf. „Du bist echt unglaublich, Hanna." „Danke.", murmelte ich stolz über ihr Lob und ließ Thorgal neben mir herlaufen. Der helle Hengst hielt hier und da mal an, um zu grasen, lief aber artig mit der Herde mit. Nach ungefähr eineinhalb Stunden, waren wir wieder da. Chantal hatte den ganzen Ritt nichts gesagt, sondern still ihr Schicksal ertragen. Sobald sie vom Pferd herunterkam, stolzierte sie davon und verschwand. Ornella half mir noch, Morendo und Talo zu versorgen. Thorgal entließ ich einfach in seine Box.
Doch Talo führten wir noch ein bisschen über den Hof und mit Morendo wollten wir noch ein bisschen rausgehen, damit er frisches Gras fressen konnte. Wir beobachteten den Sonnenuntergang und erzählten uns ein paar Geschichten. Irgendwann war auch Morendo so müde, dass er nahezu im Stehen einschlief und deshalb gingen wir wieder zurück. Die Dämmerung war eingetreten, als Louisa und ich noch Blacos Box herrichteten. Wir wollten sie in einen Sarg verwandeln und das schwarze Pferd morgen noch mit weißen Knochen bemalen. Es war schon spät, als ich mich verabschiedete. Morgen würde endlich Marion wieder kommen, war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.
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Moondancer - Pferdemädchen
FanficDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...