Moondancer - Pferdemädchen

1. Aller Anfang ist... Leicht?

Ein sanfter Windstoß fegte über den fast leeren Vorplatz und wirbelte meine hellbraunen Haare durcheinander. Die Sonne stand noch tief und ließ mich erfrösteln. Um diese Jahreszeit, irgendwo zwischen Frühling und Sommer, war es am Morgen noch empfindlich kühl. Und meine schwarze Jogginghose und das rote T-Shirt hielten mich nicht wirklich warm. Ich holte tief Luft und rieb mir die Arme, um mich ein bisschen zu wärmen.

In meinem Bauch kribbelte es vor Vorfreude. Es war mein erster Tag an meinem neuen Arbeitsplatz. Obwohl ich mit meiner zukünftigen Aufgabe schon ein wenig vertraut war. Mein Vater führte einen relativ erfolgreichen Hof in Straßburg, auf dem er Traber züchtete. Schöne Vollblüter, mit kräftigen Beinen und einem schlanken Körper. Gezüchtet um zu gewinnen.

Dort hatte ich bisher immer ein wenig mitgeholfen. Ställe ausgemistet, mich um die Pferde gekümmert... Was man eben so als Pferdewirtin machte. Mein Vater hatte mir sogar hin und wieder ein bisschen Geld dafür gegeben. Denn ich erledigte viele Arbeiten, die auch die normalen Angestellten machen mussten und so hatte er manchmal ein schlechtes Gewissen. Denn ich war ja nur die junge Tochter des Pferdezüchters Fernay. Mein Vater, der als Züchter einen hohen Rang besaß und schon viele erfolgreiche Rennpferde hervorgebracht hatte.

Doch jetzt war es für mich Zeit, endlich mal auf eigenen Beinen zu stehen und endlich meinen Traum zu verwirklichen. Cavalcade Mario Luraschi.

Und dieser Traum begann hier, vor der spanischen Arena im Europapark. Einem Freizeitpark im Süden von Deutschland. Hier spielte bis zu dreimal täglich eine Show mit Pferden und atemberaubenden Stunts. Als Jahreskartenbesitzer des Europaparks und treuer Besucher dieser Arenashow, war es schon immer ein Kindheitstraum von mir gewesen, dort zu arbeiten. Jetzt, mit siebzehn Jahren war es mir endlich gelungen.

Mein Vater hatte mir sogar ein wenig nachgeholfen, als ich ihm von der Arena erzählt hatte. Er kannte Mario Luraschi, den obersten Chef der Stuntgruppe, persönlich. Seine Gruppe, die Cavalcade, führte die komplette Show alleine. Immer, wenn Mario Vollblüter benötigte, kam er mit meinem Vater in Kontakt. Denn Mario war nicht nur Chef der Cavalcade, nein er war so viel mehr. Regisseur, Schauspieler und Pferdetrainer. In etlichen Filmen hatte er mit seinen Pferden mitgewirkt, die wirklich alles auf Kommando machten. Und kaum ein Stuntreiter war nicht durch seine Hand gegangen. Dieser Mann war unglaublich und er hatte so viel Talent für Pferde, dass es einem den Atem raubte.

Und ich sollte, vielleicht, ebenfalls eine Pferdetrainerin werden. Es war mir eine riesige Ehre, von Mario aufgenommen worden zu sein, obwohl er mich gar nicht so gut kannte. Doch mein Vater wusste, wie gut ich mit Pferden umgehen konnte und wahrscheinlich hatte er das so auch Mario erzählt. Doch, was weder er noch Mario wussten, ich hatte ein Geheimnis. Ein wohlgehütetes Geheimnis. Keinem hatte ich davon bisher erzählt und ich war der Ansicht, dass das auch ganz gut war.

Denn ich konnte mit Pferden reden. Aber nein, ich war kein klischeehafter Pferdeflüsterer, wie er im Buch steht.

Von Natur aus konnte ich diese wunderschönen Tiere verstehen, als wären sie Menschen. Und sie verstanden mich, als wäre ich ein Pferd. Nicht einmal die Sprache musste ich dazu wechseln. Egal ob ich Französisch, Deutsch oder Englisch redete: Die Pferde verstanden mich immer. Da mein Vater Franzose war und meine Mutter aus Deutschland kam, sprach ich beide Sprachen fließend. Ich selbst wohnte direkt an der Grenze zu Frankreich. Nämlich in Kehl. Diese schöne Stadt lag links vom Rhein direkt neben Straßburg.

Während ich einen hübschen Braunen kraulte, der aus dem Fenster seiner Box zu mir sah, bemerkte ich beinahe nicht, wie jemand sich von hinten näherte. Einige der vielen Boxen der Arena waren für die Besucher des Freizeitparkes sichtbar und so hatte man auch direkten Kontakt zu einigen Pferden der Show.