Wie immer meisterte Marion ihre Show. Als sie danach Thorgal versorgt und sich umgezogen hatte, kam sie wieder zu mir. „Gehen wir was essen? In die Kantine? Dann kannst du noch die Globe Darsteller kennenlernen. Wolltest du das nicht auch?", fragte sie in einem Zug. Und ich nickte begeistert. „Natürlich. Vor allem Ornella."
Ornella war ziemlich berühmt in Offenburg. Vor ein paar Jahren sollte sie beim Eurovision Song Contest singen, verlor aber gegen Roman Lob. Dann begann sie im Europapark zu arbeiten und ich liebte ihre Stimme einfach.
Marion grinste. „Na dann komm mit.", verkündete sie und begeistert folgte ich ihr. Wir liefen durch den halben Park bis zum Historama, eines blauen Gebäude in der Mitte des Themenparkes. Hinter dieser Zeltförmigen Kuppel fand man, für die Besucher nicht zugänglich, den Mitarbeitertrackt und die Verwaltung . Dort öffnete sie eine Tür und wir verschwanden im Backstagebereich. Marion hielt zielstrebig auf ein flaches Gebäude zu. Davor standen ein paar andere Darsteller aus anderen Shows und rauchten.
Marion hob nur kurz die Hand zur Begrüßung. Ich kannte das noch nicht, deshalb hielt ich mich etwas hinter ihr. Drinnen sah sie sich kurz um und schien Ornella zu entdecken, doch ich konnte sie noch nicht sehen. Aber wir holten uns zuerst auch etwas zu essen. Es gab Nudeln. Wie immer, laut Marion, die die Augen verdrehte. Ich wählte trotzdem dieses Gericht. Mein Bauch knurrte schon wieder vor Hunger.
Dann liefen wir auf einen Tisch zu und endlich erkannte ich Ornella. Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Ähnlich wie an meinem ersten Tag in der Arena, vor einer Woche. Marion ließ sich auf einen Stuhl vor Gabriella fallen. Natürlich kannte ich die Darsteller aus dem Globe auch mit Namen. Neben ihr saß Ornella. Und dann entdeckte ich ihn. Dustin Nicolodi, alias Coperlin, saß mit Juan Ricondo direkt am Nebentisch. Oh man, wie sehr ich Dustins Show liebte. Auch wenn wir sie ihm regelmäßig versauten, indem wir auf seine Frage, auf die er eigentlich als Antwort "Nein" vom Publikum hören wollte mit "Ja" antworteten. Ach, Eliza. Manchmal fehlte sie mir wirklich.
Doch wir begrüßten zuerst einmal Ornella. Die Darsteller hier unterhielten sich auf Englisch. Denn sie kamen aus allen Nationen. Doch ich begrüßte Ornella mit einem deutschen Hallo. „Oh", meinte sie überrascht, „Keine Französin?" Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Naja, nicht ganz. Sagen wir Halbfranzösin.", erwiderte ich. Ornella blickte mich interessiert an. „Aha, also ich bin Ornella. Und du?", fragte sie. „Ich bin Hanna.", sagte ich schüchtern.
Ihr Lächeln machte mir Mut. „Irgendwoher kommst du mir bekannt vor.", meinte sie nachdenklich. „Kann sein, ich schaue mir regelmäßig eure Show an. Du singst wunderbar. Außerdem komme ich auch aus Offenburg.", erklärte ich. Ornella grinste. „Ach, so ist das." Ich zuckte die Schultern.
„Immerhin warst du immer unser Star für Baku gewesen. An Fasching war sogar eine Maske mit deinem Gesicht in der Zeitung gewesen. Mein Onkel hatte sie auf." Meine Gegenüberin verdrehte die Augen. „Jaja. Die Maske. Vergessen wir das lieber." Ich lachte leise und widmete mich meinem Essen. Marion war unterdessen mit Gabriella auf Englisch ins Gespräch gekommen. Sie hatten es über Thorgal, denn ihn fand Gabriella auch wunderschön.
Nach dem Essen nahm Marion mich mit zu Silver Star, die sie genauso gerne fuhr wie ich. Wir mussten nicht lange warten. So saßen wir schon eine halbe Stunde, nachdem wir unser Essen beendet hatte, in dem silbernen Zug und fuhren aufwärts. „Irgendwie mag ich die Aussicht", meinte ich. „Da bist du nicht die Einzige.", Marion lächelte ein wenig. Dann ging es abwärts.
Auch wenn es das Reitergefühl nicht toppen konnte, war es doch schön, sich völlig der Bahn anzuvertrauen und einfach nur den Wind im Gesicht zu spüren. Nach der Fahrt schlenderten wir langsam zurück zur Arena.
Dort trafen wir auf Arnaud und Kevin, die ihre Mittagspause wohl im Backstagebereich verbracht hatten. Kevin spritzte gerade Talo, seinem Pferd heute, die Beine ab. Talo begrüßte mich kurz. Er genoss die Prozedur von Kevin total. „Das hat er gerne, Kevin. Mach es ruhig öfters.", rief ich ihm lächelnd zu. Kevin grinste nur. „Hat er dir das gesagt?", fragte Marion leise, doch ich schüttelte den Kopf. „Er hat mich nur sehr, sehr kurz begrüßt, und das total genießerisch.", erklärte ich. „Achso.", kam Marions Antwort wissend. "Du findest meine Gabe faszinierend, oder?", grinste ich plötzlich und schenkte ihr einen kurzen Seitenblick. Meine blonde Freundin schmunzelte. "Ja, irgendwie schon... Hast du Lou gesehen?", wechselte sie dann urplötzlich das Thema, als wäre ihr etwas Wichtiges wieder eingefallen. Suchend sah ich mich um und musste verneinen.
Glücklicherweise nahm uns Louisa Kaczmar die Entscheidung ab, als sie gerade aus der Stallgasse trat und beinahe in uns hineinrannte. Ihre blauen Augen funkelte überrascht und ihre blonden Haare versperrten mir kurz die Sicht, als sie uns die Bises gab. „Hallo, ihr zwei.", grüßte sie noch und lächelte. Marion nickte. "Hi. Wir waren gerade auf der Suche nach dir." "Wieso eigentlich?", unterbrach ich sie plötzlich. „Du weißt ja, dass wir dir noch das Trickreiten, die Stunts und das Kämpfen beibringen sollen, oder?", fragte die junge Frau zurück. "Ähm... nein?", fragend hob ich eine Augenbraue und sah die Beiden abwechselnd an.
Louisa fuhr schließlich fort: „Wenn du Marios Schülerin werden willst, musst du das beherrschen. Er hat gemeint, du könntest dann vielleicht dann mal die Milady spielen, so zum Eingewöhnen, wenn du es kannst. Deswegen sind Marion und ich für deine Ausbildung zuständig. In erster Linie natürlich Marion, weil ihr zwei euch ja schon angefreundet habt. Aber Marion ist auch nicht immer da. Zum Beispiel im Juli, wenn sie in Kaltenberg ist. Wir sollen so früh wie möglich anfangen, damit du das Gröbste bis zu den Sommerferien beherrschst, denn dann wirst du eine neue Aufgabe bekommen." Bis zu den Sommerferien war es schließlich nicht mehr lange.
„Und was ist mit Felicitas? Sie ist ja auch noch nicht ganz ausgebildet. Und welche neue Aufgabe?", bohrte ich weiter. „Also, das mit Felicitas hat sich erledigt. Sie ist ja recht umgänglich geworden. Mario wird sie zu den Sommerferien wieder mit nach Chaalis, zu seinem eigenen Hof in Frankreich, nehmen, denn die Boxen hier sind knapp, und dort selber weiter ausbilden. Und das mit der neuen Aufgabe weiß ich auch nicht. Mario hat gesagt es wird eine Überraschung. Keiner weiß es.", beantwortete sie meine Fragen in chronologischer Reihenfolge.
„Ok, wann fangen wir an?", kam es wieder von mir. „Wenn das so ist, dann morgen. Wann kommst du?", mischte sich Marion ein. „Nach der Schule. So um viertel nach zwei." „Ok. Geht klar, da müssen wir uns zwar gerade für eine Show richten, aber Louisa ist ja da, oder?", erklärte sich Marion einverstanden. Louisa nickte. „Kamst du mit Voltigieren schon mal in Kontakt, oder so?", fragte Marion und ich nickte heftig. „Klar doch, weißt du was? Ich voltigiere seit der zweiten Klasse regelmäßig. Nur halt richtig und kein Trickreiten.", erwiderte ich empört.
Marion lächelte erleichtert. "Das erleichtert die ganze Sache nämlich um Meilen. Dann konzentrieren wir uns mehr aufs Fechten und die Stunts. Ok?" Ich nickte und Marion ließ Louisa und mich allein, um Thorgal zu richten. „Welches Pferd würdest du denn gerne nehmen, um das Trickreiten zu erlernen?", wollte Louisa wissen. Nachdenklich blickte ich sie an. „Hmm, eigentlich ist es mir egal. Ich komme mit allen Pferden klar, nur Felicitas würde ich mein Leben nicht unbedingt anvertrauen wollen."
„Ok, dann nehmen wir Rocio. Der muss sowieso nie viel machen, wenn Marion die Milady spielt. Und bei ihm weiß ich, wie er tickt." Rocio war normalerweise ihr Pferd. Eigentlich ein ganz netter Wallach. „Ok, find ich gut.", gab ich mich einverstanden und Louisa nickte. „Gut, ich lass dich dann mal allein. Ich muss mich auch noch für die Show umziehen.", damit verschwand sie ebenfalls. Kurz stand ich tatenlos herum, bis ich mich schließlich für einen Besuch bei meiner eigentlichen Aufgabe entschied. Also ging ich zu Felicitas. „Na du.", begrüßte ich sie und nahm das Halfter. Sie kam zwar nicht her und steckte den Kopf in das Halfter, so wie Morendo, ging aber auch nicht von mir weg.
Anschließend sattelte ich sie und lief weiter zu Jentillo. Ihn sattelte ich auch und führte ihn zu Felicitas. Diese legte zwar die Ohren warnend an, als ich zu Jentillo brachte, biss aber nicht. Schließlich schwang ich mich auf Jennis Rücken und nahm Felicitas als Handpferd mit. Ihr würde das Gut tun, denn sie war schon lange nicht mehr im Gelände gewesen.
Außerdem würde es eine gute Übung für die dunkelbraune Stute sein. So konnte sie sich an den Sattel gewöhnen und an die Umgebung von anderen Pferden. Kurz nachdem wir den Hof verlassen hatte, kamen wir auch schon an der Galoppstrecke an, doch ich ließ Jentillo nur traben, damit ich die Kontrolle über Felicitas nicht so leicht verlor. Diese versuchte nämlich gerade, mich aufs Äußerste zu testen. Doch ich gab nicht nach. Natürlich nicht.
Gott sei Dank war Jenni wenigstens einigermaßen brav. So konnte ich ihn überwiegend mit der Stimme lenken und meine Kraft auf Felicitas verwenden. Trotzdem war ich schweißgebadet, als wir wieder bei der Arena waren. Dabei waren wir nur eine Stunde unterwegs gewesen. Ich sattelte beide Pferde wieder ab und versorgte sie. Erschöpft beendete ich meinen Tag und fuhr nach Hause.
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Anbei ein Bild von Louisa auf Rocio.
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Moondancer - Pferdemädchen
FanficDie Rache der Milady, Arenashow 2013. Eine Geschichte über Pferde, Trickreiten, Mario Luraschis Cavalcade und einem Mädchen, das nicht ganz so normal ist. Ein unvergesslicher Sommer steht Hanna, 17, bevor. Ihr größter Traum beginnt wahr zu werden, a...