Perplex sprudelte die Frage aus meinem Mund als wir bei den anderen angekommen waren und ich mich umnachtet neben Rose niederließ.
"Wer war das?", wollte ich wissen, doch sie schien mich in ihrer Aufregung gar nicht zu hören. Schließlich war es Zayn, der ihre Laune unterbrach und mich ernst anschaute. "Halt dich bloß von diesem Lappen fern.", meinte er mit herrischem Unterton. Er musste uns beide wahrscheinlich schon von Weitem entdeckt und die Begegnung mit diesem Typen mitbekommen haben.
Rose rümpfte angeekelt die Nase, was auf ihrem so perfekt scheinendem Gesicht unfassbar falsch und fehl am Platz wirkte. "Das war Louis.", spuckte sie die Worte geradezu raus und überraschte mich mit ihrem Tonfall. Ich krauste meine Stirn und fragte: "Was hat er denn getan?" Inständig hoffte ich, mehr Licht in die Sache zu bringen, das Puzzle meines Ichs irgendwie erweitern zu können.
Roses Augen waren speerangelweit aufgerissen und ließen mich nur noch unbeholfener drein schauen. Sie sagte nahezu hysterisch, dass er schuld am Unfall wäre. "Haben die Ärzte dir nichts gesagt?" Völlig verwundert starrte ich sie an während ich ihre Worte langsam und schwer aufnahm.
Mir wurde nicht einmal erzählt, dass überhaupt noch irgendwer in den Autounfall verwickelt gewesen war. Mir wurde lediglich bis ins Kleinste erklärt, wie ich für einen Moment nicht auf die abknickende Straße geschaut hatte, so dass mein vergeblicher Versuch, doch noch die Biegung zu kriegen, zum Scheitern verurteilt war.
"Nein, aber wieso ist er schuld daran?" Es ergab keinen Sinn.
Spätestens meine Mutter hätte es doch erwähnt, wenn noch jemand im Wagen gewesen wäre. Irgendjemand hätte es doch angesprochen, wäre es so gewesen, oder?
Rose fiel es anscheinend schwer, die richtigen Worte zu finden, weswegen nur vereinzelte Bruchstücke eines Satzes über ihre Lippen kamen.
Es war Alec, ein weiterer Kerl, der für sie antwortete. "Er war immer so aufdringlich dir gegenüber gewesen, keine Ahnung, was für kranke Gedanken dieser Perverse gehabt hatte." Ungläubig schüttelte ich den Kopf als mir ein krächzendes "Ehrlich?" entwich.
Ich versuchte verkrampft den Zusammenstoß von eben Revue passieren zu lassen. Einfach um diesen Louis richtig einschätzen zu können, denn das, was Alec sagte, klang für mich schon ziemlich heftig. Und so heftig sah dieser Typ auf den ersten Blick gar nicht aus.
Ein hastiges Nicken entwich fast der ganzen Truppe während alle Augenpaare für einen kurzen Moment auf mir lagen und dieses Unwohlsein sich wieder in mir breit machte, was ich versuchte in die Ecke zu drängen. Bevor meine Gedanken sich wieder anfingen zu überschlagen, fing Rose an weiterzuerzählen. "Auf jeden Fall musste er irgendwie in dein Auto gekommen sein und ich denke, ich spreche für die gesamte Menschheit, wenn ich behaupte, dass man sich nicht aufs Fahren konzentrieren kann, wenn so ein Typ neben dir sitzt."
Die Räder in meinem Schädel fingen an zu rattern als ich mir versuchte, das Szenario bildlich vorzustellen, jedoch kläglich scheiterte.
Das war so absurd und entschieden zu viel, wenn man bedachte, dass ich mich wahrscheinlich nicht einmal zehn Minuten im Schulgebäude aufhielt. Es konnte doch nicht sein, dass der Kerl, der mich beinahe ins Grab gebracht hätte, hier tagein tagaus umherbummelte als sei nichts gewesen.
"Also ist er schuld an allem.", murmelte ich, eher als Notiz an mich selber. Angestrengt fasste ich mir an die Stirn, da mein Kopf zu explodieren drohte. Roses Gesichtsausdruck wechselte von einer Sekunde auf die andere und ihre kleine, dünne Hand legte sie auf meine Brust. Von ihrer bis eben dagewesenen Wut war nichts mehr zu erkennen, stattdessen erkannte ich Mitleid in ihren braunen Augen. "Ja, Harry.", murmelte sie sanft, woraufhin mein Blick wieder auf ihr lag. "Aber wir sorgen dafür, dass dir nichts mehr passiert. Versprochen."
Ich wollte mir ihr Gesicht so lange einprägen bis ich nicht mehr anders konnte als Gefühle zum Erwachen zu bringen, bis ich nicht mehr anders konnte als ununterbrochen an sie zu denken, bis ich ihre Schönheit in allen Details rund um die Uhr vor meinem geistigen Auge sah.
Ich wollte rettungslos verliebt sein, dass sie mich keine Gedanken zu Ende führen ließ und ich mir abgewöhnte, zu überdenken. Ich wollte mich so gerne an unsere Liebe erinnern, wir mussten früher echt süß zusammen gewesen sein. Allerdings besaß ich keinerlei Erinnerungen, dank ihm.
An seinen Händen klebte Blut, er war verantwortlich für die Leere.
"Danke."
Mir brannte es auf den Nägeln, einen lichten Moment zu erfahren.
Ich wünschte mir aus tiefster Seele einen gedanklichen Zuspruch dessen, was so offensichtlich war. Ich wollte der Stimme in meinem Kopf, die Louis Namen wisperte, das Maul stopfen, um das Grübeln nach hinten zu schieben- koste es, was es wolle. Ich fing an zu zittern und zog sie blind zu mir.
Wider Willen drückte ich meine Lippen gegen ihre, mein Herzschlag rauschte im Ohr.
Es ist doch was ganz normales- was total natürliches seinen Partner unvorbereitet zu küssen, oder? Also tat ich nur das, was alle taten. Zumindest im Falle, dass es sich bei uns beiden wirklich im ein Pärchen handelte.
Ich bekam Angst als sie anfangs nicht erwiderte und fürchtete, sie sei mir gegenüber abgeneigt und ich hätte die ganze Situation missverstanden. Ich versuchte mich zu erinnern, sie explizit sagen gehört zu haben, dass wir ein Paar seien, doch ich hatte einen Blackout.
Gerade wollte ich mich von ihr losmachen, um die Situation nicht noch unangenehmer zu machen als sie ohnehin schon war, jedoch spürte ich im nächsten Moment ihre Arme, die sich um meinen Hals schlangen ehe sie mitmachte.
Fast schon besessen suchte ich nach einem Fünkchen Hingabe. Nur hatte ich keinen blassen Schimmer, wie sich das eigentlich anfühlte. Wieso war da nichts?
Ein amüsiertes Pfeifen ging durch die Runde und ich konnte mir ihre verschmitzten Gesichter ehrlich gesagt schon ziemlich gut dazu vorstellen. "Holt euch ein eigenes Zimmer.", befahl Zayn gespielt empört und brachte selbst mich damit zum Lachen, weswegen unser erster Kuss unterbrochen wurde.
Aus heiterem Himmel fragte ich mich, warum mir dieser Louis das alles nehmen wollte.
Es waren meine Freunde, meine Familie und meine Gedanken - es ist mein Leben gewesen, das mir nichts, dir nichts gelöscht wurde. Es wurde mir entrissen ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist doch nicht fair, dachte ich und spürte, wie sich die Fragen überhäuften, ich bemerkte wie die metaphorische Spirale meiner Gedanken immer tiefer ging und ich den Faden langsam verlor.
Was gab ihm das Recht, mir derart aufzulauern? Er hatte keine Berechtigung dafür, mein Schicksal zu definieren. Wieso hätte er mich nicht einfach von Anfang an in Ruhe lassen können? Nie und nimmer wäre es dann soweit gekommen. Er hätte sein Leben ungehindert weiterleben sollen, damit mir die Chance offen geblieben wäre, es ihm nachzutun. Ihm wäre nichts passiert, auch wenn er es unterlassen hätte.
Er hätte nur mich damit verschont. Ich würde noch wissen, wer ich war anstatt krampfhaft nach Antworten zu suchen, die keine Entgegnung erfahren.
Ich brachte kein Verständnis dafür auf, dass ich es war, der nun zwangsläufig damit leben musste.
Niemand anderes als ich brach meiner Mutter das Herz, indem ich sie nicht wiedererkannte. Ich fühlte mich wie ein Fremder unter meinen Freunden und wusste nicht, was Gefühle bedeuteten. Ich erlebte es jedes Mal aufs Neue, was es hieß, sich falsch in seinem eigenen Körper zu fühlen. Denn ich fühlte mich nicht nur als ein Eindringling meines Umfeldes, sondern auch meines Selbst.
Ich konnte den Hergang nicht einfach stoppen, ich konnte nicht schlicht auf die Bremse treten, um mich zu retten.
Die Tragik lag bereits seit meinem Erwachen in der Luft. Es war schwer zu erklären, aber als die Schmerzmittel allmählich ihre Wirkung verloren hatte, setzte das Gefühl ein.
Plötzlich fühlte sich mein Haar falsch an und mein Körper war nicht meiner, meine Persönlichkeit erkannte ich nicht wieder und mein Innenleben passte nicht zu meiner Hülle, mir fehlten Worte, um zu beschreiben, was in mir vorging und meine ganze Existenz war mir suspekt.
Im Sekundentakt dachte ich: du bist einfach total daneben.
Schüler gingen reihenweise an mir vorbei und ich blieb stumm sitzen.
Ich steckte mittendrin, daneben.

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Remember You I Larry Stylinson
FanfictionEs ist schwer, jemanden zu vergessen, der dir so viel zum Erinnern gab. geschrieben von @ItsDizzy und @emuliert