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Diese unfassbare Anstrengung, jetzt bloß nicht zu viel zu erwarten, beanspruchte meinen gesamten Körper. Ich durfte die Hoffnung, mich gleich an mein gesamtes Ich zu erinnern, nicht Überhand bekommen lassen, denn ich wusste, dass die Frustration zu groß sein würde und ich damit nicht zurechtkäme.

"Komm, Harry.", nahm ich irgendwann die liebevolle Stimme meiner Mutter wahr während diese mir die Eingangstür aufhielt, durch welche ich nach kurzem Gedankenordnen trat. "Ich zeig dir das Haus und dein Zimmer."

Bestreiten konnte ich nicht, dass das Gefühl sich in mir breit machte, dass Haus auf irgendeine Weise bereits gesehen zu haben, wenn auch nur flüchtig.

Es war wie eine Art Fiktion, ein imaginärer Raum ohne großen Stellenwert.

Weder die grünen Fliesen im Bad, noch die idyllischen Blumengemälde ließen in mir irgendetwas aufkochen. Nichts ließ mich nur erahnen, dass ich in diesem Haus groß geworden sein sollte. Nichts, bis auf den Jungen mit lockigem Haar, der auf vielen der wenigen Fotos abgebildet war.

Die Zeit verging schleppend und quälend, mein Kopf drohte zu explodieren. Ich war kurz davor, einfach wieder umzudrehen, um mich draußen hinzusetzen, wäre es nicht bereits die letzte Tür in dem Haus und ich nicht unfassbar neugierig, da die Auswahl an Räumen, die sich hinter der Tür befinden könnten, begrenzt war.

Mum griff ohne die mindeste Eile nach der Türklinke und zog diese langsam auf, dass es mich kirremachte. "Und das hier ist dein Zimmer.", beendete sie die Hausführung, nach dem Motto das große Gefühlskino kommt zum Schluss.

Ich war wie paralysiert als ich meinen Blick durch das graue Zimmer schweifen ließ und jede einzelne Kante mit der Hand abfuhr. Anne, die mich stumm beobachtete, kriegte ich gar nicht mehr mit. Ich wusste nicht, wie viele Sekunden vergingen, bis Anne sich erneut zu Wort meldete und gelassen meinte, ich solle mich in Ruhe umschauen.

Bevor ich nur fähig war, meinen Mund einen Spalt zu öffnen und etwas darauf zu erwidern, hatte sie sich schon zum Gehen gewandt und auch ich schien wieder in meiner ganz eigenen Welt abgetaucht zu sein.

In aller Ruhe trat ich vor, nur um kurze Zeit später vor meinem Kleiderschrank zu stehen, den ich sorgsam aufzog. Dort war ebenfalls keine Vielfalt an Farben aufzufinden und auch wenn die Klamotten keinesfalls schlecht aussahen, gefiel mir diese Eintönigkeit nicht besonders.

Meine Augen wanderten ungeduldig weiter ehe meine Finger die Tür zuzogen und ich langsamen Schrittes weiterging. Der Schreibtisch schien nahezu leer, jedoch war die Ordnung auch bei den wenigen Dingen nicht zu übersehen. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich sogar, dass selbst die Textmarker, von denen ich überraschenderweise nicht gerade wenig hatte, nach ihren Farbtönen sortiert worden sind. Ich wunderte mich, ob sich diese Präzision auf meine Persönlichkeit zurückführen ließ oder Anne einfach innerhalb der letzten Monate aufgeräumt hatte, um wieder Ordnung herzurichten.

Gerade wollte ich vorrücken als mir Bleistiftstriche unter der immensen Unterlage, die fast den ganzen Schreibtisch in Beschlag nahm, auffielen.

Neugierig schob ich die blockartige Tischunterlage weg und merkte nicht einmal, wie sie auf dem Boden landete, da meine Augen bereits die Sammlung an Zeichnungen auf meinem nichtssagenden Tisch fixierten.

So viele Motive waren zu erkennen und am liebsten hätte ich mir für jedes Einzelne Stunden Zeit genommen, um ihren Hintergrund zu erfahren. Ob ich es war, der sie

alle zeichnete? Insgeheim wünschte ich es mir, da die Entwürfe ausgesprochen gut aussahen.

Es war mir aber ein Rätsel, wie ich es je wieder schaffen sollte, ein annähernd schönes Äquivalent zu schaffen (angenommen, es handle sich bei dem Schöpfer tatsächlich um mich). Am Anfang war ich nicht einmal dazu imstande, einen Stift vernünftig in meiner Hand zu halten- wie sollte ich das also hinbekommen?

Bevor ich weiter über meine eventuell bestehende künstlerische Ader sinnieren konnte, bemerkte ich eine säuberlich skizzierte Rose.

Mit geöffneten Lippen näherte ich mich dem Holz und fuhr sanft über das wirklich naturalistische Abbild einer Blume, die durch ihre Qualität neben den restlichen Zeichnungen hervortrat.

Sofort musste ich an das Mädchen mit den orange-blonden Haaren denken, welche mir sofort um den Hals gefallen war als sie mich im Krankenhaus besucht hatte, mir ihre roten Lippen auf die Wange drückte und mir weinerlich darlegte, wie sehr sie mich vermisst habe.

"Rose.", hauchte ich und konnte nicht aufhören die Zeichnung zu betrachten.

Am Rande hatte ich Wind davon bekommen, dass sie und ich anscheinend sowas wie ein Paar gewesen sind, jedoch nicht mit genau den Worten.

Ich war mir sicher, dass sie mir mit all den Informationen nicht die Ohren vollquatschen wollte, was wenn ich so drüber nachdachte, ziemlich aufmerksam von ihr gewesen war. Und das machte eine Freundin ja auch aus, oder?

Wir mussten glücklich gewesen sein, dachte ich lächelnd und stellte mir vor, wie ich vor dem Schreibtisch saß und verträumt vor mich her kritzelte bis eine Rose zu erkennen war.

Remember You I Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt