Ich bemerkte gar nicht, dass wir bereits vor Louis Haus standen.
Das war nur ein verfluchtes Auto- ich meine, Gefahr war überall.
Erst letztens hatte ich einen Artikel gelesen, indem berichtet wurde, dass die meisten Unfälle entgegen aller Erwartung im Haushalt passieren.
Die Zahl an Todesopfern war erschreckend hoch, was paradox ist, oder nicht? Wieso fürchtete ich mich vor einem Fahrzeug während ich Zuhause unbekümmert umhertrottete, wo es doch viel häufiger vorkam, dass man beim Glühbirnenwechsel ausversehen von der wackligen Treppe fällt und dabei ungünstig aufkommt?
Faktisch hatte ich also keinen Grund, Angst zu haben und doch hatte ich es.
Aus heiterem Himmel fragte ich mich, wie es ihm nach dem Unfall erging. Ob ihn dieselbe Panik durchflutete, wenn er nur eines dieser vierrädrigen Blechbüchsen zu Gesicht bekam.
Vielleicht hatte auch er sich vier Monate in kein Auto mehr gesetzt oder ihn scheute es bis heute noch, vielleicht war es für ihn gerade dieselbe Überwindung, sich neben mich dort reinzusetzen wie es eine für mich war.
Denn ich hatte Angst- definitiv Angst.
Ich schluckte als ich in der Einfahrt einen Oldtimer stehen sah, dem man seine Jahre trotz attraktiver Optik ansah. Einfach reinsetzen, mehr nicht.
Louis verlangsamte seinen Schritt, darauf bedacht, es nicht zu offensichtlich wirken zu lassen, bloß merkte ich es.
Sein brennender Blick traf mich von der Seite, jedoch war ich zu sehr damit beschäftigt, den stahlblauen VW wie ein Wesen vom anderen Stern anzustarren. Beduselt richtete sich meine Aufmerksamkeit auf ihn als Schritte zu hören waren und ich Zeuge davon wurde wie er einen Fuß vor den anderen setzte, so dass er nach Sekunden an der Fahrertür stand. Mir war klar, dass er mir dadurch die Beklemmung nehmen oder zumindest weniger gewaltig erscheinen lassen wollte. Bedauerlicherweise prallte der nette Versuch mit Bravour an mir ab. Angestrengt zog ich meine Augenbrauen zusammen und folgte seinem Beispiel. Allerdings wurde meine Atmung mit jedem einzelnen Schritt flacher. "Ich kann das.", kam es wispernd über meine Lippen. Die nass geschwitzten Hände wischte ich an dem Stoff meiner Jeans ab und blendete das Zittern aus.
Louis hatte sich bereits hinein gesetzt und die Tür hinter sich zugezogen. Der gedämpfte Knall ließ mich zusammenfahren. Kopflos blickte ich zum Griff, ich zog ihn auf. Ich setzte mich und beabsichtigte, den Blick nicht vom Fenster zu nehmen- aus Angst, dann endgültig die Fassung zu verlieren.
Doch da fixierte ich bereits das Lenkrad und keuchte abgehetzt. Die Finger krallten sich ins Leder des Ablagefaches. Mit den Armen stützte ich mich breit ab während ich mich instinktiv nach vorne beugte.
Auch ihm war die Anstrengung anzusehen, so sehr er auch versuchte, sie zu kaschieren. Er beabsichtigte weiterhin Ruhe auszustrahlen, was ziemlich nett von ihm gewesen ist- wenn auch ohne Erfolg. "Hey Harry.", sagte Louis behutsam, doch ich nahm es nur schwer zur Kenntnis.
Es fühlte sich an als sei mein Hals wie zugeschnürt. Ein Kloß saß in meinem Rachen, der mir das Schlucken erschwerte.
Es fing in meinem Ohr an zu zischen.
Wortlos starrte ich auf den Lenker während ich das Gefühl in meinen Armen verlor. Nein, bitte nicht. Das quälende Geräusch ließ sich nicht abwimmeln, wurde ohrenbetäubend. Nicht hier, jetzt. Nicht, wenn jemand neben mir saß- nicht, wenn Louis neben mir saß.
Ich probierte die Enge hinunterzuschlucken, allerdings ging es nicht. Da war ja noch der Brocken, der vermutlich darauf aus war, mich ebendort zu erdrosseln.
Ich wollte keine Angst haben, kein armer Tropf oder bedauernswerter Feigling sein.
Der Mund wurde ganz trocken, dass es mir, selbst wenn ich es in der Praxis könnte, nicht möglich gewesen wäre, zu schlucken.
Ich betete unter Flehen zu Urschöpfern, an dessen Existenz ich nicht glaubte und erhoffte mir irgendeine glückliche Fügung des Schicksals, denn um Himmels Willen, so schlechtes Karma konnte man als Einzelwesen doch unmöglich in den Händen halten.
Reiß dich zusammen, wies ich mich scharf zurecht. Das Wasser stand mir längst in den Augen. Mir wurde heiß, dass ich annahm, er hätte den Zündschlüssel umgedreht und die Heizung hochgeschaltet.
Meine Lippen bebten, die Brust zog sich zusammen. Bitte, warte damit bis du Zuhause bist. Ich fühlte mich so elend, dass ich mich lieber übergeben hätte als noch eine Sekunde länger dort zu sitzen. Meine Finger waren bereits blutleer, die Knöchel stachen weiß hervor. Wein' nicht, Harry. Bitte, wein' nicht.
"Es ist okay.", sagte Louis mit ernstlicher Stimme. Seine Bemühung, ausgeglichen zu wirken, rechnete ich ihm hoch an und es tat mir leid, dass ich in dem Moment nicht befähigt dazu war, ihm dies zu übermitteln. Seine Hände hatte er in den Schoß gelegt. "Ich werde das Auto nicht starten."
Hektisch schüttelte ich den Kopf.
Die Augen kniff ich hastig zu.
"Nichts ist okay!", platzte es nahezu cholerisch aus mir heraus, als ich aus dem Fenster sah, weg von ihm.
Ein dumpfer Schlag ließ mich zusammenzucken. Konfus starrte ich auf meine pulsierende Hand und die Flut überrollte mich.
Es war als hätte ich in der letzten Minute die komplette Kontrolle über meinen Körper verloren.
Plötzlich fing ich hemmungslos an zu weinen.
Fuck.
Ich schluchzte gedämpft in den Stoff meines Hoodie hinein, der Kopf raste zur Seite.
Ich wollte nicht, dass er mich so sah. Ich hatte auf keinen Fall gewollt, dass er mich dünnhäutig, so verwundbar zu Gesicht bekam.
Es war eine Untertreibung zu sagen, ich fühle mich unwohl neben ihm wie ein Schlosshund zu heulen.
Ich versuchte vergeblich seinen Blick auf mir nicht zu beachten, aber wo dachte ich hin? Keine Chance.
Das Letzte, was ich mir wünschte war, ihm meine Schwäche so offensichtlich zu präsentieren.
Ich hatte vermutet, dass er etwas sagen würde, doch seine Lippen waren wie versiegelt.
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Remember You I Larry Stylinson
FanfictionEs ist schwer, jemanden zu vergessen, der dir so viel zum Erinnern gab. geschrieben von @ItsDizzy und @emuliert