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Ich beeilte mich nach Hause zu kommen, aus dem einfachen Grund, meiner Mutter keine weiteren Sorgenfalten zu verpassen und stand so auch schon wenige Minuten später an unserem Haus.

"Mum, ich bin zuhause.", trällerte ich als ich die Tür öffnete und eintrat.

"Und wie war dein erster Tag?", hörte ich sie gedämpft rufen, so dass ich sie in der Küche vermutete.

"Ganz gut."

Ich entledigte mich meiner Stiefeletten und stellte meine Tasche beiseite. Schlurfend begab ich mich in die Küche, wo Anne gerade dabei war, sich einen Tee zu machen. "Das freut mich." Sie lächelte mich warm an und war schon dabei eine zweite Tasse aus dem Regal zu holen. "Nein, danke.", schoss es aus mir heraus und hinderte sie somit an ihrem Vorhaben. Im nächsten Moment zog ich meine Mundwinkel nach oben, da sich die Antwort in meinen Ohren so harsch anhörte. "Ich will nichts trinken."

"Okay.", sagte sie bloß während ich mich an den runden Tisch setzte und sie beobachtete. Das kochende Wasser schüttete sie in ihre Tasse auf der ich ein Superman-Logo erhaschte, das schon halb abgeblättert war ehe sie Teebeutel und Zuckerwürfel einwarf und im Handumdrehen vor mir saß.

Es war mir ein Rätsel, wie man so elegant nach einer Tasse greifen und mit einer so geschwungenen Drehung auf dem Stuhl landen konnte. In jedem anderen Augenblick hätte ich mir wahrscheinlich ernsthaft Gedanken darüber gemacht, jedoch waren diese gerade ganz woanders.

Mein Sprachzentrum sah es anscheinend als eine Einladung wie ein Wasserfall loszureden, nachdem sie an ihrer Tasse nippte und das obwohl ich meinen Mund sonst nie aufbekam.

"Ich bin auf diesen Louis gestoßen.", begann ich zu erzählen und bemerkte wie sie sich verschluckte und die Tasse ruckartig auf den Tisch stellte. Ich hörte das Pulsieren im Ohr.

"Der, der schuld an meinem Unfall ist.", fügte ich hinzu und fuhr unbeirrt fort.

Ich erzählte von unserem Zusammenstoß in der Aula und von all den Dingen, die mir meine Freunde aufgetischt hatten, bei denen ich mir nicht hundertprozentig sicher war, ob sie stimmten. Keine Einzelheit ließ ich aus.

Man konnte ihr die Mühe ansehen, die Unruhe nicht allzu offensichtlich Preis zu geben, bloß konnte sie nicht verhindern, dass ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht wich und das nur bei Nennung seines Namens.

Sie unterbrach mich inmitten meiner endlos scheinenden Rede, indem sie ihre Hand auf meine legte. "Schatz.", kam es ziemlich aufgewühlt aus ihrem Mund und ließ mich direkt in ihre grünen Augen sehen. Ihre Stimme war nichts weiter als ein atemloses Hauchen.

Angestrengt hielt ich ihrem Blick stand, gezwungen nicht einfach weiterzureden und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich erwarten sollte.

Den gesamten Nachhauseweg hatte ich mich seelisch auf verschiedenste Reaktionen von größter Wut bis hin zu tiefsitzender Traurigkeit vorbereitet, ich war gefasst auf wohl jede erdenkliche Antwort, allerdings äußerte sie sich lediglich knapp mit der Bitte: "Halte dich von diesem Jungen fern, Harry."

Ein Gefühl von Schwere machte sich in meiner Brust breit und ich wusste nicht, ob es an der Art lag, wie sie meinen Namen aussprach oder an dem Ausdruck in ihren Augen.

Sofort versicherte ich ihr, dass mir kein Grund einfiel, diesem Typ auf irgendeine Weise nahe zu kommen, um ihr die Angst zu nehmen.

Tatsächlich erkannte ich Erleichterung in ihrem Gesicht, mir fiel ein Stein vom Herzen und der Druck in meiner Brust löste sich in Luft aus. Dennoch wirkte sie, als sei sie nicht ganz bei der Sache, sie schien vertieft in ihre Gedanken zu sein und murmelte leise etwas vor sich her, was ich jedenfalls nicht verstand. Ich erwägte, nachzufragen, was ihr im Kopf herum schwirrte, ließ es aber sein.

Stattdessen wandte ich ein, dass er es war, der mein Leben zerstört hatte und sprach damit genau das aus, was an mir nagte, seitdem Rose mir erzählt hatte, er sei verantwortlich für all diese Scheiße.

Ich versuchte mir sein Gesicht wieder vor Augen zu führen. Seinen Gesichtsausdruck als er aufgesehen hatte und ich mir sicher war, dass seine Augen ihm gleich rausfallen würden.

Eine Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper bei der Vorstellung daran, wie er meinen Namen ausgesprochen hatte. Ich sah seine Hand wie sie nach meinem Arm griff und ich sah mich, wie ich zurückwich. Ich bemerkte erst als meine Mutter ihre Arme nach mir ausstreckte, dass ich es plötzlich war, der gedankenverloren ins Nichts starrte.

"Komm her, Baby.", entfuhr es ihr fürsorglich, wofür ich ihr im Endeffekt mehr als dankbar war. Etwas benebelt lehnte ich mit dem Stuhl näher zu ihr, um ihre Umarmung entgegenzunehmen und kurz diese Wärme genießen zu können.

"Alles wird gut.", versprach sie und ich wusste, dass sie es immer nur gut meinte, jedoch hatte ich diese Worte in den letzten Wochen leider schon zu oft gehört, um Substanz in ihnen zu erkennen.

"Ich will mich einfach nur erinnern." Ich spürte ihre Finger, wie sie mir langsam über den Rücken fuhren.

Ohne wirklich auf mein Genuschel einzugehen, betonte sie abermals, dass die Hauptsache sei, dass es mir gut gehe.

Ich konnte nichts für den Anflug von Enttäuschung und ich fühlte mich unfassbar undankbar dafür dieses Gefühl nur zuzulassen, denn sie hatte komplett Recht. Mich hätte es schlimmer treffen können, ich hätte schwerwiegendere Schäden davontragen können - ich hätte sterben können. Und doch war da so eine Unruhe in mir, denn ich fühlte mich unverstanden.

Ich brachte lediglich ein zustimmendes Summen zustande ehe ich mich von ihr löste.

"Übrigens wollten wir uns alle heute Abend bei Rose treffen.", erzählte ich nach längerem Schweigen, um sie sowie mich auf andere Gedanken zu bringen und sah wie ihre Mundwinkel leicht nach oben schossen.

Froh merkte sie an, wie sehr sie sich darüber freue, dass ich mich mit ihnen gut verstehe und ich wusste nicht ganz, wieso gerade der Satz eine gewisse Skepsis in mir hochkommen ließ. Diesmal schaffte ich es auch nicht, nicht nicht nachzuhaken, so dass der Satz aus mir raus schoss ehe ich es mir anders überlegen konnte.

"Habe ich ja vor der ganzen Sache auch, oder?" "Ja, klar.", entgegnete sie sofort. "Es sind deine Freunde." "Na also.", unterstrich ich mit einem Lächeln, eher an mein verfluchtes Unterbewusstsein gerichtet, dass aufhören sollte, zu viel in irgendetwas zu interpretieren.

Kurzerhand stand ich auf, um in mein Zimmer zu gehen und mich noch etwas hinzulegen, bevor ich dann später hochgehen würde. "Und hingehen kannst du natürlich.", warf Anne noch ein und fragte, ob sie mich hinbringen solle, was ich jedoch mit den Worten "Das schaff ich schon" abwinkte. "Mein Angebot gilt trotzdem.", hörte ich sie mir noch hinterher rufen. "Danke.", antwortete ich laut, so dass sie es verstehen konnte und verschwand hinter der Tür.


Remember You I Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt