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Die darauffolgenden Tage- gar Wochen verliefen alle relativ ähnlich.

Angefangen damit, dass ich zunächst nur die letzten beiden Schulstunden mitmachte, da meine Mutter sich weiterhin an die Tatsache klammerte, ich bräuchte momenten mehr Schlaf als andere Teenager und um ehrlich zu sein, war mir das ganz recht. In den Pausen saß ich tagtäglich am selben Tisch, auf dem selben Stuhl mit den selben Leuten und tatsächlich fiel es mir zunehmend einfacher, dem Gesprächsverlauf zu folgen. Problem war nur, dass es nun eher am Interesse zuzuhören scheiterte. Trotz allem, versuchte ich mich stets irgendwie einzubringen, sei es auch nur durch ein Nicken oder ein zustimmendes Brummen, ähnlich wie während des Unterrichts. Ich kam überraschenderweise echt gut mit und wunderte mich manchmal, wie es denn sein konnte, dass ich selbst den Stoff binnen meiner geistigen Abwesenheit auf Anhieb begriff, wohingegen ich auf dem Gesicht der anderen meist ein großes Fragezeichen erkannte. Für das Melden und Reden vor einer so großen Gruppe fehlte mir jedoch bis auf weiteres die gewisse Selbstsicherheit. Ich hatte es sogar ziemlich schnell hinbekommen, die Namen der Lehrer und ihre Methoden, Schülern etwas beizubringen auf die Reihe zu bekommen.

In der Zeit kamen keinerlei andere Erinnerungen, was mir jedoch eigentlich ganz gelegen kam, da mich mein letzter Rückblick mich immer noch beschäftigte. So sehr ich versuchte, mir einzureden, es wäre pure Fiktion, ein Scherz meines Unterbewusstseins gewesen- gab sich mein Kopf damit nicht zufrieden. Und allein die Bemühung, es als erfunden abzustempeln führte dazu, einen nur noch größeren Platz in meinen Gedanken einzunehmen.
Es war eigentlich fast schon krank wie ich stets die Gegenwart von Freunden oder meiner Mutter suchte, um dieses ganze Durcheinander in mir in den Hintergrund zu rücken- um meine Stimme zum Schweigen zu bringen und was am wichtigsten war, um es meinem Unterbewusstsein vor Augen zu führen, dass ich glücklich war. Ich fühlte mich wohl und war zufrieden in meinem Umkreis und das auch vor dem Unfall.


Doch in eigentlich absehbarer Zeit war der Tag auch gekommen, an dem die Routine des Tages mich heimsuchte. Es kam irgendwann schließlich der Tag, an dem ich genauso wie jeder  andere Junge mit jungen siebzehn Jahren murrend um 6 Uhr aufstand, nachdem ich gefühlt  millionen Mal auf den Wecker gehauen hatte und schließlich doch durch die Stimme meiner Mutter geweckt wurde. Es kostete mich viel Mühe, auf dem Weg ins Bad nicht ausversehen das Gleichgewicht zu verlieren und ich scheine mich im Nachhinein dafür zu schämen, beinahe gegen die Tür gelaufen zu sein und Handcreme statt Zahnpasta auf meine Bürste gedrückt zu haben. Es grenzte an ein achtes Weltwunder, dass ich es geschafft hatte, heile und fertig angezogen in die Küche zu taumeln, wo meine Mutter mir mein Frühstück in die Hand drückte ehe sie mich in die Schule brachte und mich mit einem Kuss auf die Wange verabschiedete. Die ganze Fahrt über hatte sie mich vollgetextet, dass ich mich melden solle, falls ich irgendwie überfordert sei oder es mir in gewisser Weise nicht gut ginge. Und es tut mir auch insgeheim leid, es nicht richtig ernst genommen zu haben und nur halbherzig zugehört zu haben, denn ich wusste, sie machte sich nur Sorgen, und klar- verübeln kann und werde ich es ihr nicht. Manchmal aber wünschte ich mir, sie würde ganz normal zu mir sein. Sie würde mich behandeln wie ihren Sohn vor dem Unfall, denn ich bin mir sicher, dass ihre Besorgnis sie verändert hat bezüglich ihrer Beziehung zu mir. Ich wusste, dass sie versuchte, es in den meisten Situationen zu verstecken, jedoch erkannte ich die Panik in ihren Augen, jedes Mal, wenn ich eine Runde laufen gehen wollte oder von Leuten, die sie nicht kannte, sprach. Jedes Mal, wenn sie mir mir ins Auto stieg und immer, wenn ich mich von ihr verabschiedete. Und jedes Mal, wünschte ich, ich wäre fähig dazu, sie zu beruhigen und ihr die Angst zu nehmen, ihren Sohn erneut zu verlieren, aber das war ich nicht. Aber klar- wer kann es einer Mutter verübeln?

Ich dachte eigentlich, dass es sich anders anfühlen würde, wenn ich erstmal wie die anderen von Beginn an in der Schule hockte, jedoch musste ich zugeben, dass sich absolut rein gar nichts änderte. Aber eigentlich war das auch kompletter Schwachsinn und ich hasste mich für meine gedanklichen Euphemismen, die mir ständig versuchten, weis zu machen, dass das alles doch gar nicht so schlimm sei. Und doch erschien mir die Schule nun deutlich ätzender. Die Atmosphäre des Klassenraums war um es auf den Punkt zu bringen erdrückend. Sie schien mich bezüglich meines Energieflusses nur weiter herunterziehen zu wollen. Und diese verflucht laute Ruhe, die in außnahmslos allen Reihen herrschte, war gespenstisch und gleichzeit irgendwie beruhigend, da ich simultan eine Art Solidaritätsgefühl zu meinen Mitmenschen empfand als ich in ihre müden Gesichter sah und ihnen ein schlappes Lächeln entlockte. Doch alles in allem musste ich zugeben, dass mir die lockere Stimmung in den letzten beiden Stunden wesentlich besser gefallen hatte.

Remember You I Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt