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Beth und ein weiteres Mädchen, dessen Namen ich nicht wusste, hatten vor ein paar Sekunden noch ziemlich anregend über die neuen Schoko-Trinkpäckchen der Cafeteria diskutiert- umso erstaunlicher war es, dass sie mich wahrgenommen, geschweige denn gehört hatten.

Auf einen Schlag wurden sie mucksmäuschenstill und hefteten ihre Blicke auf mich. Manchmal fragte ich mich, ob ich wirklich die einzige Person auf diesem Planeten war, der es schrecklich fand im Mittelpunkt zu stehen. Zu viel Beachtung überforderte mich. Sah man es mir nicht an? Ich wusste nicht recht, wen ich anschauen sollte oder ob ich noch etwas sagen sollte.

"Redet ruhig weiter.", meinte ich bloß bewusst gefasst, um an erster Stelle mich zu beruhigen und deutete mit versteckter Unsicherheit auf den freien Stuhl ihres Tisches. "Ich wollte nur fragen, ob ich- ich meine, nur wenn es kein Problem-", fügte ich und geriet wider meiner beabsichtigten entspannten Art ins Stammeln, weswegen ich dem Mädchen, das sich heroisch für die Wiederkehr des Kakao Drinks mit der niedlichen, braun-befleckten Kuh drauf ausgesprochen hatte, unendlich dankbar war, dass sie mich davon erlöste.

Freudig klopfte sie neben sich. "Harry, nun setz dich schon!", hielt sie mich an derweil sich ihre Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen. "Ich hab dich bereits vermisst hier, in unserer Runde."

Etwas angespannt erwiderte ich ihre Freude während ich ihrer Aufforderung nachkam und mich auf den Platz neben sie setzte. "Ich bin lange nicht anwesend gewesen.", umschrieb ich meine verflossene Verfassung zögerlich und zerbrach mir den Kopf dabei, ihr einen Namen, eine Gattung oder zumindest irgendeine Eigenschaft bis auf den Fanatismus zu Kühen auf Covern von Kaltgetränken zuzuschreiben. Den Anderen am Tisch bin ich zumindest flüchtig auf den Schulfluren oder gar im Unterricht begegnet (mit Louis nicht inbegriffen), doch bei ihr musste ich klein beigeben, ich hatte  keinen blassen Schimmer, wer sie war.

Unvermutet fing sie beschwichtigend an zu lachen und legte mir ihre Hand auf den Arm. "Himmel, du brauchst dich doch nicht zu rechtfertigen.", kicherte sie darauf, dass ich kurz die Befürchtung hatte, sie würde über mich lachen- jedoch war ihr Grinsen dafür viel zu liebenswürdig. "Ich bin auch ziemlich lange abwesend gewesen... es ist nur schön, dich hier so zu sehen."
"Dich auch.", sagte ich, wobei es eher wie eine Frage klang. Und gebe mir bitte jemand einen Orden für meinen fortschrittlichen Erfolg, heute bereits mit zwei mir fremden Personen, gesprochen zu haben.

Lässig stellte Gemma sich vor und gab mir ihren Namen preis. Auch, wenn ich mir angestrengt vortäuschen wollte, ihr Name wäre mir geläufig, wusste ich insgeheim, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Immernoch unwissend, was ich hätte antworten können, schenkte auch ich ihr ein mildes Lächeln, denn sie war ungemein nett.

Beth sprach an, dass Gemma ein Jahr in Australien bei einer Gastfamilie gelebt habe und sie erst gestern wiedergekommen sei. Brooks betonte, dass es lediglich 9 ½ Monate gewesen sind. Ihren Namen wusste ich, weil wir zusammen Chemie und Sport hatten und schon häufiger während Arbeitsphasen in derselben Gruppe tätig waren. "Man mag es kaum glauben, aber sie hat die Tage gezählt.", warf ein Junge mit Nirvana-Shirt ein, der - soweit ich es heraushören konnte - Calum hieß, worauf Brooks empört nach Luft schnappte. "Na und.", verteidigte sie sich mit der gleichen Kühnheit mit der sie bei der anfänglichen Diskussion mit Argumenten um sich geworfen hatte. Gemma verzog geschmeichelt ihr Gesicht, bevor sie die Arme um ihre Freundin schlang.

Ich beobachtete sie schmunzelnd und war froh, dass sie einfach normal weiterredeten anstatt mich mit ihren mitleidigen Seitenblicken und Fragen zu durchlöchern. Ihr geselliges Miteinander lockerte die Stimmung wieder erheblich ziemlich auf.

Natürlich nahm ich die brennenden Blicke von Alec, Rose und Co. zur Kenntnis, doch ich konnte mir wohl selber auf die Schulter klopfen, denn ich schenkte ihnen keinerlei Beachtung und ignorierte sie vollkommen. Ich schien so erfreut über den trivialen Triumpf, dass ich Louis erst gar nicht verstand. Erst beim dritten Anlauf schnellte mein Kopf zur Seite und ich sah ihn vor mir sitzen.

Die Hände auf den Tisch gefaltet, die Stirn krausgezogen und der besorgte Ausdruck in seinen Augen, den er versuchte weitesgehend zu verschleiern. "Alles gut, Harry?", fragte er mich sodann er sich sicher sein konnte, dass ich ihn vollends registrierte. Unwillkürlich blinzelte ich als ich etwas plump erwiderte, dass es mir eigentlich ganz gut gehe. Die Falten seines Gesichts glätteten sich unverzüglich derweil seine Mundwinkel zuckten. "Wie geht es dir?", ergänzte ich der Freundlichkeit halber, worauf er begann zu lächeln. Grinsend versichterte er mir, dass es ihm echt gut gehe und ich glaubte es ihm sofort.
"Das ist schön.", erwähnte ich und merkte, wie sein Lächeln mich mit seiner Freude ansteckte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch das Schulklingeln schnitt ihm das Wort ab und augenblicklich wurde es lauter.

Schüler begaben sich aus der Kantine und quetschten sich geräuschvoll durch die hindurch, die immer noch anstanden. "Und was hast du gleich noch?", wollte ich mit kräftiger Stimme wissen als auch wir uns langsam aufrappelten. Schließlich hatte ich vor, mein Gedächtnis auf Vordermann zu bringen und das schien mir in dem Moment wohl der beste Weg.
"Eine Stunde, Kunst.", antwortete Louis und griff nach seinem Rucksack während ich auswich, um meinen eiligen Mitschülern, Platz zu haben und mich davor zu bewahren, zertrampelt zu werden.

Zögernd biss ich mir auf die Lippe als auch ich mir meine Tasche über die Schulter warf. "Wollen wir danach was machen?", hakte ich nach, denn ich musste mich an mehr erinnern. Es ging nicht anders, ich brauchte Fakten, Gegebenheiten und Geschichten, um das Porträit meiner selbst vollenden zu können. Ansonsten würde ich wohl wahnsinnig werden. Wie aus der Pistole geschossen bejahte Louis mit dem wohl breitesten Grinsen, das ich sonst nur aus Flashbacks kannte. "Nur muss ich meine Schwestern noch von meiner älteren Schwester abholen.", fügte er noch bei und wirkte aufgrund seiner eigenen Aussage verwirrt, musste dennoch lachen.

Ich schlug vor, dass ich ja mitkommen könne und wünschte mir nach wenigen Sekunden, ich hätte es nicht getan. Ich meine- ging es noch aufdringlicher? Ich hätte gleich fragen können, ob er mich heiraten will, oder ob ich ihn weiter stalken solle. Zum billionsten Mal fragte ich michtrotz der großen Lorbeerendes heutigen Tages, was zur Hölle falsch bei mir war und was ich hier tat.
"Wenn es dir nichts ausmacht. Sie werden sich unheimlich freuen.", sagte Louis darauf warm und nahm mir einen Teil meiner Verunsicherung. Parallel legte sich ein weiteres Mal ein Lächeln auf mein Gesicht und ich musste an die Zwillinge denken. Sie waren wirklich aus dem Häuschen gewesen sobald sie mich in der Mall entdeckt hatten.

"Okay.", sagte ich und ging neben ihm in Richtung der Kursräume. Ich fragte nach, ob wir uns vor der Schule treffen wollten, wozu er sofort "Ja" sagte.

Vor meinem Raum angekommen, drehte ich mich noch ein letztes Mal zu ihm.

"Bis gleich.", verabschiedete ich mich.

"Bis gleich.", wiederholte er und verzog sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen. "Grüß' Danes von mir."

Bevor ich etwas darauf entgegnen konnte, hatte er sich bereits wieder umgedreht und ging in die Richtung, aus der wir gerade kamen. Durcheinander schaute ich über meine Schulter, um nach meinem Mathe-Lehrer zu sehen und feststellen zu müssen, dass der Gang bis auf einige letzte Schüler leergefegt war.

Der Kunstkeller befand sich im anderen Gebäude.

...

Obschon ich bereits fünf Minuten vor regulärem Schluss entlassen wurde, entdeckte ich ihn von Weitem an der Seite der Eingangstür stehen und auf mich warten.

Remember You I Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt